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Erwin Kinslechner

Erwin Kinslechner ist als Branchensekretär der Produktionsgewerkschaft (PRO-GE) für die Kollektivverträge im Nahrungsmittelbereich verantwortlich.

Warum wir den Corona-Tausender und Lohnerhöhungen brauchen

Ist der Corona-Tausender überhaupt sinnvoll? Bräuchte es nicht stattdessen kräftige Lohnerhöhungen? Wir haben einen gefragt, der für Kollektivverträge verantwortlich ist.

oegb.at: Du bist Jahr für Jahr bei Kollektivvertragsverhandlungen dabei und versuchst, die Arbeitsbedingungen in der Branche nachhaltig zu verbessern – auch Lohnerhöhungen spielen dabei eine wichtige Rolle. Nun fordert der ÖGB eine einmalige Zahlung für alle, die das System in der Krise am Laufen halten. Was hältst du davon?

Erwin Kinslechner: Ich finde die Forderung nach einem Corona-Tausender überaus gut und unterstützenswert. Der Einwand, dass es sich hier um eine Einmalzahlung handelt, es aber eigentlich um die langfristige Verbesserung der Arbeitsbedingungen gehen muss, greift zu kurz. Hier geht es ja nicht darum, dass das eine das andere ausschließt. Selbstverständlich geht es uns als Gewerkschaft um nachhaltig bessere Arbeitsbedingungen. Das heißt aber sicher nicht, dass wir uns gegen einen zusätzlichen Corona-Tausender wehren, der ja noch dazu von der Regierung kommen soll. Außerdem weiß ich, dass gerade in meiner Branche die Forderung nach dem Corona-Tausender sehr gut ankommt.

Woran machst du das fest?

Aus den vielen Gesprächen, die ich in den letzten Wochen mit Arbeiterinnen und Arbeitern in der Nahrungsmittelproduktion geführt habe, weiß ich, dass sich die Beschäftigten schon lange die Wertschätzung wünschen, die ihnen zusteht. Vor allem, als einige Handelsketten ihren MitarbeiterInnen einen Bonus zukommen ließen – auch wenn dieser oft nur gering war –, haben viele Fleischer, Müller oder Bäcker gefragt: „Und was ist mit uns?“ Verständlicherweise – denn ohne Menschen, die Nahrungsmittel produzieren, gibt es im Geschäft auch keine zu kaufen. Und auch die Beschäftigten in der Produktion gehen jeden Tag zur Arbeit außer Haus und setzen damit ihre Gesundheit aufs Spiel, um die Grundversorgung für alle zu sichern.

Also geht es deiner Meinung nach beim Corona-Tausender vor allem um Wertschätzung?

Auch, aber nicht nur. Ein freundliches „Danke“, auch wenn es ehrlich gemeint ist, reicht eben nicht. Gerade in unserer Branche wäre der Corona-Tausender für viele auch finanziell gesehen mehr als notwendig. Denn, auch wenn die Gewerkschaft jedes Jahr versucht, bei den Kollektivvertragsverhandlungen die Löhne und Arbeitsbedingungen soweit wie möglich zu verbessern, gehört die Nahrungsmittelproduktion immer noch zu den Branchen, in denen die Leute relativ wenig verdienen. Für viele Arbeiterinnen und Arbeiter geht es also jedes Monat auch darum, ob und wie sie ihre Rechnungen bezahlen können – da macht ein Tausender schon einen großen Unterschied.

Zur Person: Erwin Kinslechner ist als Branchensekretär der Produktionsgewerkschaft (PRO-GE) für die Kollektivverträge im Nahrungsmittelbereich verantwortlich.