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ÖGB

Zwischen Lügen und leeren Versprechungen

Tausende von ihnen haben allein in der vergangenen Woche ihren Job verloren. Dennoch scheint keiner in der AMS-Statistik als arbeitslos auf. Genau deshalb ist es wichtig, hier genauer hinzuschauen: ÖGB-Experte Bertold Dallos berichtet, wie es den ungarischen ArbeitnehmerInnen im Burgenland geht.

oegb.at: Der ÖGB Burgenland berät aktuell sehr viele ungarische ArbeitnehmerInnen. Worum geht es in den Beratungsgesprächen?

Bertold Dallos: In den allermeisten Fällen geht es um einvernehmliche Auflösungen des Dienstverhältnisses. Wir hören sehr oft, dass der Chef kommt und sagt: „Unterschreib das bitte, dann kann ich für dich die Arbeitslosenunterstützung beantragen.“ Das haben wir schon aus mehreren Firmen gehört. Oft sagen Arbeitgeber sogar explizit dazu, dass aufgrund der derzeitigen Ausnahmesituation auch Menschen, die nicht in Österreich wohnen, Arbeitslosenunterstützung bekommen. Das stimmt natürlich nicht. Man muss hier den Lebensmittelpunkt haben, um Arbeitslosenunterstützung aus Österreich zu bekommen. 90 Prozent der ungarischen ArbeitnehmerInnen im Burgenland wohnen aber in Ungarn und bekommen deshalb nur Arbeitslosenunterstützung aus Ungarn.

Eines von vielen: Dieses Schreiben für eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses ist kürzlich beim ÖGB Burgenland eingegangen

 

 

Wie hoch ist das Arbeitslosengeld in Ungarn?

Natürlich viel niedriger als in Österreich – und auf drei Monate befristet. In Ungarn bekommen Arbeitslose maximal den jeweils gültigen Mindestlohn, das sind aktuell ca. 450 Euro. Je nachdem, wie viel man vorher verdient hat, auch deutlich weniger. Es gibt aber auch diejenigen, die keine Arbeitslosenunterstützung bekommen, sondern gleich zu „Arbeiten im Interesse der Gemeinden“, also zum Beispiel zur Straßenreinigung, verpflichtet werden. Diese Menschen bekommen dann nur den Mindestlohn, aber immerhin sind sie dann ja nicht mehr arbeitslos – und das ist bekanntlich gut für die Statistik.

Die Arbeitslosenstatistik wird aber auch hierzulande verfälscht, denn die betroffenen ungarischen ArbeitnehmerInnen scheinen in Österreich ja auch in der AMS-Statistik nicht auf…

Genau.

Kannst du abschätzen, wie viele UngarInnen, die in Österreich gearbeitet haben, betroffen sind?

Es dürften bereits zwischen 10.000 und 20.000 sein, die bereits ihre Arbeit verloren haben. Das ist eine grobe Schätzung auf der Grundlage dessen, wie viele sich bisher bei uns gemeldet haben. In neun von zehn Fällen haben die Betroffenen bereits eine „Einvernehmliche“ unterschrieben. Bei vielen dieser einvernehmlichen Auflösungen steht im Titel „Wiedereinstellungszusage“ und dann gleich anschließend: „Das Dienstverhältnis wird hiermit einvernehmlich aufgelöst.“ In vielen dieser Schreiben steht auch, dass die Arbeitgeber sich wieder bei den Beschäftigten melden werden, sobald der Betrieb wieder aufmacht. Das beruhigt viele Leute natürlich, deshalb unterschreiben sie.

Bertold Dallos ist zuständig für das grenzüberschreitende EU-Projekt Fairwork im ÖGB Burgenland

 

Dabei ist eine solche Wiedereinstellungszusage rechtlich überhaupt nicht bindend…

Das ist das Problem. Ob solche Wiedereinstellungszusagen ernst gemeint sind oder nur eine Masche, um Beschäftigte in der aktuellen Situation leise und ohne Probleme loszuwerden, darüber kann man nur mutmaßen.

Auch wenn sie schriftlich vorliegt, muss sich der Arbeitgeber nicht an eine derartige Wiedereinstellungszusage halten

 

WAS IST EIGENTLICH KURZARBEIT?

Von Kurzarbeit spricht man, wenn in einem Betrieb die Arbeitszeit zeitlich begrenzt herabgesetzt wird. Damit niemand gekündigt werden muss, haben die Sozialpartner ein eigenes Corona-Kurzarbeits-Modell ausverhandelt.

Die Arbeitszeit kann damit auf bis zu null Stunden verringert werden, wobei die Beschäftigten 80 bis 90 Prozent ihres Lohns bzw. Gehalts weiterbezahlt bekommen. Die Corona-Kurzarbeit ermöglicht also, dass ArbeitnehmerInnen ihren Arbeitsplatz behalten. Das Unternehmen zahlt in der Kurzarbeit nur die Arbeitsstunden, die tatsächlich geleistet werden. Jene Stunden, die ausfallen, werden zu 80 bis 90 Prozent vom AMS abgegolten.

Ist Kurzarbeit in den Beratungen kein Thema?

Ja, schon. Ich sage allen Leuten, die bereits eine einvernehmliche Auflösung unterschrieben haben, sie sollen nochmal beim Arbeitgeber nachhaken und ihm sagen, dass sie doch weiterarbeiten möchten und es ja die Kurzarbeit gibt. Dazu schicke ich ihnen mehrsprachige Informationen über Kurzarbeit, die sie an den Arbeitgeber weiterleiten können. In den meisten Fällen wird das aber voraussichtlich nicht viel bringen. Denn ich habe das Gefühl, dass die meisten Arbeitgeber sehr wohl über die Kurzarbeit Bescheid wissen. Mehrfach wurde sogar berichtet, dass Arbeitgeber ihren ungarischen Beschäftigten gesagt haben, dass sie leider gekündigt werden müssten, weil Kurzarbeit nur für ÖsterreicherInnen gelte – was natürlich falsch ist.

TIPP:

Wer nicht nach Fake News sucht, sondern nach sicheren Informationen rund um Job und Corona, findet diese auf der gemeinsamen Seite von ÖGB und Arbeiterkammer jobundcorona.at. Telefonische Auskünfte erhält man von Montag bis Freitag ab 9 Uhr unter der Hotline 0800 22 12 00 80.


Bertold Dallos ist zuständig für das grenzüberschreitende EU-Projekt Fairwork im ÖGB Burgenland. Allein in der vergangenen 2 Wochen haben seine vier KollegInnen rund 1.700 telefonische Beratungen durchgeführt und hunderte E-Mails beantwortet. Die ungarischsprachigen Facebook-Beiträge des ÖGB Burgenland erreichen aktuell bis zu 25.000 Personen.