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Adobe Stock / Avarand

Versicherte zahlen bei Medikamenten um 55 Millionen mehr

In einem Beschluss im Nationalrat wurde vor Kurzem das so genannte Preisband verlängert. Damit wurde von der Regierung ein Entscheid getroffen, der auf Kosten der Versicherten geht und die Pharmaindustrie bevorzugt. oegb.at erklärt, was das Preisband genau ist, was es leisten kann und welche Herausforderungen damit verbunden sind.

Was ist das „Preisband“?

Das so genannte Preisband bereinigt die Preisunterschiede bei wirkstoffgleichen Medikamenten in der „Grünen Box“. In dieser Box befinden sich Medikamente, die die Krankenkassen den Versicherten ohne spezielle Bewilligung als frei verschreibbar erstatten. Dabei dürfen die Preisunterschiede bei wirkstoffgleichen Medikamenten 30 Prozent nicht überschreiten. Liegt der Preis eines Arzneimittels um mehr als 30 Prozent über dem kostengünstigsten Produkt, kann es aus dem Erstattungskodex (EKO) gestrichen werden.

Warum die Bezeichnung „Grüne Box“?

Wie bei einer Verkehrsampel gilt bei Medikamentenverordnungen: grün vor gelb vor rot. Erst wenn das Therapieziel mit den Medikamenten aus dem grünen Bereich nicht erreicht wird, darf aus den nachgeordneten Boxen verschrieben werden.

Wer gestaltet das Preisband?

Die Kernkompetenz für die Gestaltung des Preisbandes lag bis dato bei der Sozialversicherung. Ihre wesentliche Aufgabe war es, die Preise für Medikamente möglichst fair und ihre Verfügbarkeit möglichst ausreichend zu gestalten. Im Sinne der Versicherten wurde eine gesamtheitliche Medikamentenstrategie verfolgt. Für die kommende Ein-Jahres-Periode kann durch die Verlängerung des Preisbandes etwa 11 Millionen Euro eingespart werden.

Warum verursacht das aktuelle Preisband Mehrkosten?

Anfang Juli 2020 haben ÖVP und Grüne, ohne mit der Sozialversicherung Rücksprache zu halten, im Nationalrat eine Entscheidung zu Gunsten der Pharmaindustrie getroffen. Die Mehrkosten entstehen, weil Medikamente die den gesundheitsökonomischen Standards nicht mehr entsprechen nicht aus dem Erstattungskodex genommen und weiterhin verschrieben werden können. Insgesamt wären das 66 Millionen Euro, zieht man die 11 Millionen ab, die man einspart, kommt man auf eine Belastung von 55 Millionen Euro.

Zum Vergleich: Mit dem Pharma-Zuckerl in Höhe von 55 Millionen Euro, könnte man ein Jahr lang in jedem der neun österreichischen Bundesländer 45 KinderärztInnen durch die Krankenversicherung finanzieren.

Was fordert der ÖGB?

Für Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin im ÖGB und Vorsitzende im Dachverband der Sozialversicherungsträger, fehlt das Gesamtkonzept. In den letzten Jahren war das Preisband immer Teil eines größeren Verhandlungsergebnisses zwischen Sozialversicherung und der Pharmaindustrie. „Dieses Gesamtpaket gibt es dieses Mal nicht. Stattdessen gibt es nur Vorteile für einige Pharmakonzerne“, erklärt Reischl. Die Leitende ÖGB-Sekretärin erwartet sich, dass die Sozialversicherung in Zukunft stärker eingebunden wird und schlägt vor, das Geld für die Versicherten auszugeben: “Das wäre sinnvoller, als es Pharmakonzernen zu schenken.”