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Pflegereform: Was nicht fehlen darf

„Mir ist es ein großes Anliegen, dass wir nicht über den Köpfen der PflegerInnen entscheiden, sondern das Problem gemeinsam mit ihrem Wissen und Know-how angehen“, betonte Gesundheitsminister Rudi Anschober beim Startschuss seiner Pflegereform am vergangenen Montag. Zuvor brachte eine „Dialogtour” die Verantwortlichen aus der Politik mit den handelnden Menschen aus dem Pflegebereich in Berührung. Doch was passiert eigentlich wirklich mit den Ideen und Meinungen, die im Laufe der letzten Monate gesammelt wurden? Ob sie letztlich wirklich Eingang in Anschobers Pläne finden, ist aktuell noch fraglich. 

ÖGB-Einschätzung zur Pflegereform

Das Gerüst der Reform soll jedenfalls in den nächsten Monaten entwickelt werden, 2021 soll es dann richtig losgehen, kündigt der Minister vor den MedienvertreterInnen an. Inhaltlich, so viel wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt, basiert die Reform auf den Gesprächen mit ExpertInnen und den Antworten von rund 3.000 Personen, die an der Online-Befragung teilgenommen haben. Dabei geht es um vier große Bereiche: Pflege- und Betreuungsangebote und Dienstleistungen ist einer, die Arbeitsbedingungen und Ausbildung von Pflegepersonal ein weiterer, der dritte Bereich behandelt das Thema Pflegende Angehörige und letztlich geht es um die Finanzierung. Der ÖGB hat sich den Fragebogen genau angesehen und weiß, was bei der Pflegereform nicht fehlen darf. Der Minister wäre gut beraten, diese Vorschläge zu beherzigen.

1) Pflege- und Betreuungsangebote und Dienstleistungen

Was gut läuft: Aus Sicht des ÖGB ist eine digitale Offensive im Pflegebereich zu begrüßen, jedoch nur, wenn sich die Arbeitsbedingungen verbessern und die Arbeitsverdichtung nicht verschärft wird.

Was nicht gut läuft: Der Bereich Pflege ist immer noch von föderalistischen Strukturen geprägt. Das hat einer Zersplitterung der Leistungsangebote zur Folge. Der Wettbewerbsdruck unter den Leistungsanbietern führt zu Qualitätsverlust und Preisdumping auf Kosten der ArbeitnehmerInnen. Das hat wiederum zur Konsequenz, dass Berufe im Bereich der Pflege und Betreuung unattraktiver werden.

Was der ÖGB vorschlägt: Die Organisation der Betreuung und Pflege sollte bundeseinheitlich erfolgen, beispielsweise durch die Einrichtung von Gesundheits- und Sozialsprengel. Auch die Kompetenz über die Regelung der Sozialbetreuungsberufe sollte aus der Landes- in die Bundesgesetzgebung wechseln.

2) Arbeitsbedingungen und Ausbildung von Pflegepersonal

Was gut läuft: Aus Sicht des Österreichischen Gewerkschaftsbundes sind die Pilotprojekte zur BHS-Ausbildung zu begrüßen und sollten daher flächendeckend rasch ausgerollt werden.

Was nicht gut läuft: Die enorm wachsenden Anforderungen und die Überbelastung der ArbeitnehmerInnen in Bereich der Pflege wird den kontinuierlich steigenden Personalmangel weiter drastisch verschärfen. Diese Arbeitsbedingungen erschweren es, Dienstpläne einzuhalten und Abgänge von beispielsweise karenzierten Kolleginnen und Kollegen nachzubesetzen. Ebenso ist die Pflegelehre kategorisch abzulehnen. Eine Lehre, die auf den Rücken von jungen Menschen abgewickelt wird macht keinen Sinn.

Was der ÖGB vorschlägt: Die Aufstockung des Personals nach einer österreichweit verpflichtenden, einheitlichen, transparenten und evidenzbasierten Personalbedarfsberechnungsmethode unter Rücksichtnahme von Ausfallszeiten und zeitlichen Ressourcen für Ausbildung wäre ein wichtiger Schritt.

3) Pflegende Angehörige

Was gut läuft: Ein wichtiger erster Schritt zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege ist, die Möglichkeit, die Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit zu nutzen.

Was schlecht läuft: Der Rechtsanspruch auf Pflegekarenz bzw. Pflegeteilzeit besteht nur für eine gewisse Dauer. Die im Regierungsprogramm vorgesehene Maßnahme zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf durch Schaffung einer Möglichkeit des Teleworkings für pflegende Angehörige ist völlig unrealistisch, weil auch bei einem Telearbeitsplatz die Arbeit und nicht die Pflege/Betreuung im Vordergrund steht.

Was der ÖGB vorschlägt: Rechtsanspruch auf die Gesamtdauer der Pflegekarenz bzw. Pflegeteilzeit samt wirksamen Kündigungsschutzes.

4) Finanzierung

Was gut läuft: Die jährliche Anpassung des Pflegegeldes.

Was nicht gut läuft: Keine nachhaltige Sicherstellung der Finanzierung der Pflege. Die Idee einer Pflegeversicherung ist abzulehnen, da eine solche über kurz oder lang zu einer finanziellen Belastung der ArbeitnehmerInnen durch Einführung von ArbeitnehmerInnen Beiträgen führt.

Was der ÖGB vorschlägt: Aus Sicht des ÖGB ist für eine solidarisch gestaltete und nachhaltige finanzielle Absicherung der Pflege ein permanenter bundeseinheitlicher Pflege- und Betreuungsfonds notwendig. Die Finanzierung des Pflegefonds sollte zu einem maßgeblichen Anteil über vermögens- und erbschaftsbezogene Steuermittel erfolgen.


Was der ÖGB fordert:
- Aufstockung des Personals
- Rechtsanspruch auf gesamte Pflegekarenz bzw. -teilzeit
- Bundeseinheitlicher Pflege- und Betreuungsfonds