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ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian am 29. März 2020 in der "Pressestunde"

„Helfen Sie uns, Arbeitsplätze zu erhalten!“

Die Erhöhung des Arbeitslosengeldes, der Wert des öffentlichen Gesundheitssystems oder der Sozialstaat, dessen „Wert in der Krise besonders sichtbar wird“ – in der aktuellen ORF-Pressestunde findet ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian klare Worte zu den wichtigsten Themen der aktuellen Corona-Krise.

Statt wie gewohnt im ORF-Zentrum am Wiener Küniglberg, stellt sich der Gewerkschaftspräsident diesen Sonntag erstmals via Video-Liveschaltung den Fragen von ORF-Redakteur Tobias Pötzlsberger und der Krone-Journalistin Doris Vettermann. Der Bogen, den der Gewerkschaftspräsident dabei von Verteilungsgerechtigkeit bis zum Erhalt von Arbeitsplätzen spannt, ist ein weiter.

Erhöhung des Arbeitslosengeldes

Angesichts der stark gestiegenen Arbeitslosenzahlen fordert Katzian eine Anhebung des Arbeitslosgeldes. Die Nettoersatzrate von 55 Prozent des letzten Einkommens sei zu niedrig. "Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, das Arbeitslosengeld anzuheben, weil die Leute keine Chance haben, einen neuen Job zu finden". Seit 15. März sind 170.000 Arbeitslose zu den bisherigen 400.000 Personen ohne Job neu dazugekommen.

Einen dringenden Appell richtet der Gewerkschafter dabei direkt an die Unternehmen. Sie sollten das neue Kurzarbeitsmodell nutzen, statt die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer "rauszuschmeißen", appelliert er. In dem sozialpartnerschaftlich vereinbarten Modell müssten die Firmen nur die Arbeitsleistung bezahlen, die tatsächlich geleistet wird.

„Es wird eine ordentliche Verteilungsdebatte geben“

Für die Zeit nach der Coronakrise erwartet der ÖGB-Chef eine heftige Verteilungsdebatte und viele gesellschaftliche Umwälzungen. Und er spricht sich dafür aus, dass die Kosten der Krise dem "Geldbörsel" entsprechend verteilt werden: "Es wird eine ordentliche Verteilungsdebatte geben. Jene mit dem ganz großen Vermögen sollen auch einen ganz großen Beitrag leisten", sagte Katzian in der ORF-Pressestunde am Sonntag.

Ob das in Form einer Vermögenssteuer geschehen solle, sei nicht so wichtig. "Ich bin offen, wie die Dinge heißen. Am Ende des Tages müssen große Vermögen Entsprechendes leisten." Wenn manche schon an die Sparpakete von morgen denken, "wird es die größten Verteilungskämpfe geben, die Österreich und Europa je erlebt haben". Nach der Krise könne es nicht weiter gehen wie davor, warnte Katzian davor, die Kosten der Krise alleine auf die Arbeitnehmer abzuwälzen.

„Ohne Sozialstaat wäre die Lage viel dramatischer“

Er hoffe auf ein "Umdenken in der Gesellschaft" und auf die Erkenntnis, "dass vorher nicht alles so gut gelaufen ist, wie man geglaubt hat". "Ich hoffe sehr, dass sich manche Dinge ändern", so Katzian. Konkret wünscht sich der Gewerkschaftschef, dass die Kritiker des Sozialstaates leiser treten, denn ohne den Sozialstaat wäre die Lage viel dramatischer. Hätte man den "Sozialstaat auf die Müllhalde geworfen" und das Gesundheitswesen so zusammengespart, wie das jahrelang von sogenannten Experten empfohlen worden sei, wäre Österreich heute schlimm dran. Österreich erlebe eine Solidaritätswelle und er hoffe, "dass das Aufeinander-Zugehen und Sich-umeinander-Kümmern erhalten bleibt", findet Katzian klare Worte.

Nach der Krise: Verbesserungen der Arbeitsbedingungen dringend notwendig

In der Gesellschaft ortet Katzian ein Umdenken hin zu einer größeren Wertschätzung der wirklich wichtigen Berufe für die Gesellschaft, im Gesundheitswesen und in der Pflege oder im Handel und der Infrastruktur. "Wir als Gewerkschaft haben immer gesagt: Keine Privatisierung! Öffentliche Dienstleistungen sind wichtig. In der Krise zeigt sich das umso mehr". Nach der Krise werde er sich "mit jeder Faser meines Herzens" intensiv für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Handel und Gesundheitswesen einsetzen.

Bisher haben alle darauf geachtet, welchen Preis eine Dienstleistung hat. Jetzt wird uns vor Augen geführt, welchen Wert sie auch hat!

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian

Die Maßnahmen der Regierung trage er mit und verlasse sich auf die ExpertInnen. Nach der Krise brauche man ein Investitionsprogramm in Österreich, um die Wirtschaft wieder hochzufahren. Notwendig sei ein Konjunkturpaket mit Investitionen in Klimaschutz und öffentlichen Verkehr, in Gesundheitswesen und Pflege. Wichtig sei Arbeit gerade auch für die Jungen, damit durch die Corona-Krise keine "verlorene Generation" entstehe.