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Christina Schön, www.schoenfotografiert.at

Abfertigung auch vor Dreijahres-Frist auszahlen

Aufgrund der Corona-Krise sind in kürzester Zeit mehr als 200.000 Menschen arbeitslos geworden. Durch ein relativ geringes Arbeitslosengeld geraten viele auch in eine finanzielle Notlage. Um diese zu überbrücken, greifen Menschen, die jetzt arbeitslos wurden, auch auf ihre Abfertigungsansprüche zurück. Doch nicht alle können auf dieses Geld zugreifen – zum Beispiel jene, die weniger als drei Jahre gearbeitet haben.

ÖGB-Präsident fordert leichteren Zugriff auf Abfertigung NEU

ÖGB Präsident Wolfgang Katzian hat am Sonntag auf Twitter neben der Forderung das Arbeitslosengeld zu erhöhen, nun auch einen leichteren Zugriff auf die Abfertigung NEU während der Zeit der Coronamaßnahmen gefordert. Die Auszahlung solle unabhängig von der Beitragsdauer bei Arbeitgeberkündigung möglich sein.

Worum es sich bei der Abfertigung NEU handelt, und was das Problem in der aktuellen Krisensituation ist, erklärt ÖGB-Arbeitsrechtsexperte Michael Trinko im Interview mit oegb.at.  

oegb.at: Was ist eine Abfertigung und wozu brauchen sie ArbeitnehmerInnen?

Michael Trinko: Die Abfertigung ALT, die im Wesentlichen seit 1921 unverändert bestand, hatte die Aufgabe, als Treueprämie bzw. Versorgungsfunktion zu dienen. Durch die ständige Veränderung der Arbeitswelt wurde 2002 die Abfertigung NEU eingeführt. Ein großer Unterschied zwischen den beiden Modellen ist, dass beim alten Modell einbezahlte Ansprüche verloren gehen, beim neuen Modell zum nächsten Arbeitgeber mitgenommen werden können, wenn man selbst kündigt - das sogenannte Rucksackprinzip.

Wer hat Anspruch auf die Abfertigung NEU?

Arbeitsverhältnisse, die nach dem 31.12.2002 begonnen haben. Sollte ein Dienstverhältnis vor dem 1.1.2003 eingegangen worden sein, bleibt es normalerweise bei den „alten“ Abfertigungsbestimmungen, es besteht aber die Möglichkeit, in das „neue” Abfertigungssystem zu wechseln.

Wer insgesamt keine drei Beitragsjahre vorweisen kann, kann sich die Abfertigung NEU nicht ausbezahlen lassen. 

Profitieren alle ArbeitnehmerInnen von der Abfertigung?

Alle, deren Arbeitsverhältnisse auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen. Umgangssprachlich würde man „normales Arbeitsverhältnis“ dazu sagen. Auch freie DienstnehmerInnen, selbständig Erwerbstätige und geringfügig Beschäftigte sind umfasst.

Wann kann ich mir das Geld auszahlen lassen?

Vereinfacht gesagt, muss das Arbeitsverhältnis beendet sein, und es müssen mindestens drei Beitragsjahre vorliegen, egal ob bei einem oder mehreren Arbeitgebern. Es besteht aber kein Anspruch auf Auszahlung der Abfertigung, wenn z. B. der/die ArbeitnehmerIn selbst gekündigt hat. Wurde er/sie jedoch vom Arbeitgeber gekündigt und hat drei Jahre lang gearbeitet, besteht Anspruch auf Auszahlung der Abfertigung. Nach Auszahlung der Abfertigung beginnt die Frist von vorne.

Viele Menschen, die gerade wegen der Corona-Krise gekündigt wurden und weniger als drei Betragsjahre haben, können also, obwohl sie es vielleicht gerade jetzt dringend zur Überbrückung ihrer Notsituation brauchen würden, nicht auf dieses Geld zugreifen?

So ist es. Wer insgesamt keine drei Beitragsjahre vorweisen kann, kann sich dieses Geld nicht ausbezahlen lassen. Das ist aber nicht nur bei Arbeitgeberkündigungen der Fall, sondern auch bei einvernehmlicher Auflösung.

Was ist, wenn ich jetzt schon arbeitslos war?

Wer mindestens fünf Jahre lang arbeitslos war, hat Anspruch darauf, sich die Abfertigung auszahlen zu lassen. Das heißt, dass seit mindestens fünf Jahren keine Beiträge mehr in die Abfertigungskasse einbezahlt wurden.

Würde es in Krisenzeiten wie jetzt nicht Sinn machen, diese dreijährige Frist aufzuheben?

Da spricht einiges dafür. In einer derartigen Situation, wo nicht gewiss ist, wann die nächste Beschäftigung angetreten werden kann, durchaus. Denkbar wären auch noch weitere Erleichterungen bezüglich der Voraussetzungen für die Abfertigungsauszahlungen.

Grob gerechnet: Wenn man ein Bruttoeinkommen von 2.000 Euro bezieht, hat man nach zwei Beitragsjahren einen Abfertigungsanspruch auf zirka 850 Euro.

Um wieviel Geld handelt es sich da ungefähr?

Grob gerechnet: Wenn man ein Bruttoeinkommen von 2.000 Euro bezieht, hat man nach zwei Beitragsjahren einen Abfertigungsanspruch auf zirka 850 Euro. Das Problem ist nun: Wenn man nach diesem Zeitpunkt vom Arbeitgeber gekündigt wurde, kann man sich die Abfertigung noch nicht ausbezahlen lassen, da im Gesetz drei Jahre vorgesehen sind.

Was müsste man machen, um diese Dreijahresfrist zu ändern?

Gesetzlich wäre das relativ einfach. Man müsste einfach nur die drei Beitragsjahre als zusätzliche Voraussetzung aus dem Gesetz streichen bzw. verkürzen.

Wenn ich nun gekündigt wurde, woher weiß ich, wie hoch meine Abfertigung ist?

Wurde das Arbeitsverhältnis beendet, so ist ArbeitnehmerInnen innerhalb eines Monates ein Schreiben mit der Höhe des Abfertigungsanspruches zuzustellen. Ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat man sechs Monate Zeit, sich zu entscheiden, ob man die Ansprüche auszahlen lassen oder weiter veranlagen möchte.

Hard Facts zur Abfertigung NEU

Die Abfertigungsansprüche sind im „Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz“ kurz BMSVG geregelt.

Wie wird die Abfertigung finanziert und wer verwaltet sie?

Der Arbeitgeber hat ab dem 2. Monat des Arbeitsverhältnisses monatlich einen Betrag von 1,53 Prozent des Bruttoentgelts an die Krankenkasse zu überweisen. Die Krankenkasse leitet diese Beiträge der jeweiligen betrieblichen Vorsorgekasse weiter. Die Auswahl, welche betriebliche Vorsorgekasse gewählt wird, erfolgt grundsätzlich durch den Arbeitgeber, wobei in Betrieben mit Betriebsrat dieser dabei eine starkes Mitbestimmungsrecht hat.

Woher weiß ich bei welcher betrieblichen Vorsorgekasse ich bin?

Welcher Vorsorgekasse der Arbeitgeber beigetreten ist, findet sich im Dienstzettel oder im schriftlichen Arbeitsvertrag. Die Vorsorgekasse ist auch verpflichtet, jährlich schriftlich über die derzeitige Höhe der Abfertigung zu informieren.

Bestimmungen für den Anspruch auf Auszahlung

Nach 3 Einzahlungsjahren besteht ein Anspruch auf Auszahlung bei:

  • Arbeitgeberkündigung
  • unverschuldeter Entlassung
  • berechtigtem Austritt
  • einvernehmlicher Auflösung
  • Zeitablauf
  • Mutterschaftsaustritt