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Julie de Bellaing

Auftaktveranstaltung

Es ist Zeit für soziale Integration - Wie kann der soziale Dialog am westlichen Balkan gefördert werden?

Gewerkschafter aus ganz Europa nahmen an der CETUN-Auftaktveranstaltung teil, auf der sowohl die Bedeutung der regionalen gewerkschaftlichen Zusammenarbeit als auch eines wirksamen sozialen Dialogs als Voraussetzung für künftige EU-Erweiterungen betont wurde.

Die Veranstaltung mit rund 100 Teilnehmer:innen wurde mit Unterstützung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) und der Österreichischen Arbeiterkammer (AK) in den Räumlichkeiten der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU abgehalten.

CETUN: Eine neue Dynamik für die Region

In der ersten Begrüßungsrede hob Martin Hojni, Ständiger Vertreter Österreichs im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (PSK), die beiden miteinander verknüpften Säulen des Abends hervor: Der soziale Dialog und die Westbalkanregion. Hojni betonte, dass beides für Österreich von großer Bedeutung sei. Die Länder des Westbalkans sollten einen Platz am Tisch bekommen, wobei der soziale Dialog, wie er von CETUN vorgesehen ist, sowohl eine Brücke als auch eine Voraussetzung für die Vertiefung der Beziehungen darstellt.

Monika Uhlerova, Präsidentin des KOZ SR, des Gewerkschaftsbundes der Slowakischen Republik, erinnerte die Zuhörer an die Interessen, Verständnisse und Werte, die allen Gewerkschafter:innen gemein sind. Darüber hinaus haben die CETUN-Gewerkschaften aufgrund einer ganzen Reihe von regionsspezifischen Problemen ein inhärentes Interesse an einer engeren Zusammenarbeit. Als Beispiele wurden die oft schleppenden Fortschritte im sozialen Dialog oder auch die Jugendemigration genannt. Die Gewerkschaften sind dazu da, die Rechte der Arbeitnehmer:innen sowie die Menschenrechte zu verteidigen. Einige CETUN-Teilnehmer sehen sich mit der Gefahr konfrontiert, dass demokratische und rechtsstaatliche Institutionen in ihren Ländern ausgehöhlt werden. Die Gewerkschaften müssen sich gegen solche Entwicklungen zur Wehr setzen.

Die Reihe der Begrüßungsreden wurde von Tea Jarc, der Bundessekretärin des EGB, abgerundet. In ihrer derzeitigen Funktion deckt sie verschiedene Bereiche ab, die für CETUN von besonderer Bedeutung sind, wie die Stärkung von Kollektivvertragsverhandlungen, Jugend, Kohäsionspolitik sowie unter anderem den Erweiterungsprozess. Zuvor hat Tea CETUN bereits in ihrer früheren Funktion beim Bund der Unabhängigen Gewerkschaften Sloweniens (ZSSS) unterstützt.

Nachdem die Teilnehmer die Pause genutzt hatten, um sich auszutauschen, war es Zeit für die Ansprache des ÖGB-Präsidenten und die Podiumsdiskussion mit dem Titel "It's Time for Social Integration - How to Build up Social Dialogue in the Western Balkans".

Das Versprechen der EU ist eng mit einer hohen KV-Abdeckung und einer starken Arbeitnehmer:innenvertretung verbunden

Wolfgang Katzian, Präsident des ÖGB, betonte in seiner Ansprache, dass die überregionale gewerkschaftliche Zusammenarbeit wichtiger denn je sei. Mit einem offenen Arbeitsmarkt und grenzüberschreitend agierenden Unternehmen stehen Arbeitnehmer:innen und Gewerkschaften vor neuen Herausforderungen, die nur durch internationale gewerkschaftliche Zusammenarbeit wirksam bewältigt werden können. In den Ländern des Westbalkans muss die Ausweitung des sozialen Dialogs ein integraler Bestandteil des Beitrittsprozesses werden. Auf nationaler Ebene müssen die Gewerkschaften in jeden Schritt einbezogen werden. Gemeinsam mit den Kollegen vor Ort muss sichergestellt werden, dass die Erweiterung den Arbeitnehmer:innen zugutekommt. Eine hohe KV-Abdeckung und eine starke Arbeitnehmer:innenvertretung sind Voraussetzungen für höhere Löhne und bessere soziale Bedingungen. Sie sind die Eckpfeiler der mit dem EU-Beitritt verbundenen Hoffnungen auf Wohlstand sowie bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen.

Ein wirksamer sozialer Dialog muss ein zentrales Anliegen der EU-Erweiterungspolitik sein

Die anschließende hochkarätige Podiumsdiskussion wurde von Thomas Mayer vom Standard moderiert. Čedanka Andric, Vorsitzende der Vereinigten Branchengewerkschaften "Unabhängigkeit" (UGS Nezavisnost) aus Serbien, diskutierte mit Oliver Röpke, Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA), und Nicolas Schmit, EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte. In ergänzenden Statements beleuchteten die Diskussionsteilnehmer:innen das Thema aus ihrer jeweiligen Perspektive, um ein möglichst vollständiges Bild eines komplexen Themas zu vermitteln.

Für Nicolas Schmit ist das Thema Erweiterung unter der derzeitigen Kommission wieder in den Mittelpunkt gerückt. Eine mit 6 Milliarden Euro ausgestattete Reform- und Wachstumsfazilität für die westlichen Balkanländer wird eingerichtet. Vor einem Vollbeitritt sind Investitionen und ein sinnvoller Dialog mit der Zivilgesellschaft von entscheidender Bedeutung. Frühere Erweiterungen waren mitunter nicht in der Lage, alle hohen Erwartungen der Bevölkerung in den neuen EU-Mitgliedstaaten zu erfüllen. In Zukunft muss die soziale Dimension während des Prozesses stärker berücksichtigt werden. Die sozialen Rechte müssen sowohl in den Beitrittsländern als auch in den bestehenden Mitgliedsstaaten geachtet werden. Der Sozialstaat und seine Institutionen müssen geschützt werden und dürfen nicht durch erneute Sparmaßnahmen untergraben werden.

Čedanka Andric wies darauf hin, dass die Region des westlichen Balkans lange Zeit vernachlässigt wurde. Der Beitrittsprozess wurde in erster Linie als eine technische und administrative Aufgabe betrachtet. Ein ganzheitlicherer Ansatz, der umfassendere institutionelle und gesellschaftliche Faktoren berücksichtigt, wäre jedoch erfolgreicher. Große Anstrengungen sind noch erforderlich, um die Arbeits- und Sozialrechte zu stärken, die im Wachstumsplan leider nicht ausreichend erwähnt werden. Die Fortschritte im sozialen Dialog sollten anhand der tatsächlichen Ergebnisse beurteilt werden. Eine KV-Abdeckung von 80 %, wie sie in der Mindestlohnrichtlinie vorgesehen ist, muss als Ziel hervorgehoben werden. Die Gewerkschaften in der Region würden eine stärkere Einbindung in den Beitrittsprozess begrüßen. Um die Bevölkerung in den Beitrittsländern, die in der Regel auch unter akutem Arbeitskräftemangel leiden, für den EU-Beitritt zu gewinnen, muss die Verbesserung des Lebensstandards Priorität haben.

Oliver Röpke warnte in Hinblick auf die Erweiterung vor einer "Alles-oder-Nichts-Politik". Der EWSA ist selbst ein aktiver Teilnehmer an diesem Prozess. Er ist eine ideale Plattform für die frühzeitige Einbindung der Organisationen der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner aus den Beitrittsländern. Die Kolleg:innen aus den Beitrittsländern sind bereits heute aktiv an manchen Aspekten der Arbeit des EWSA beteiligt. Insgesamt ist ein größerer Handlungsspielraum für die Zivilgesellschaft und die Sozialpartner erforderlich, damit frühzeitig Strukturen aufgebaut werden können. Soziale Kriterien sollten ein zentraler Bestandteil der Beitrittsverhandlungen sein.

 

 

Julie de Bellaing
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