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Antidiskriminierung

MigrantInnen in der Gewerkschaft

Der erfolgreiche Kampf für das „Ausländer-Wahlrecht“

Es war Anfang Juni, da wurde Walter Haberl schon am frühen Morgen der Tag vermiest. Der langjährige Landessekretär des ÖGB Oberösterreich setzt sich schon seit Mitte der 80er-Jahre dafür ein, dass MigrantInnen, egal ob sie die österreichische Staatsbürgerschaft haben oder nicht, für den Betriebsrat kandidieren dürfen. Und dann muss er in einer Tageszeitung lesen, dass es in der Gewerkschaft, konkret im ÖGB Oberösterreich, keine MigrantInnen als BetriebsrätInnen gibt.

Gewerkschafter Walter Haberl setzt sich seit 40 Jahren für die Mitbestimmung von MigrantInnen ein. Mit Erfolg.

Aushängeschild, aber kein Schild umgehängt

Haberl und viele seiner MitstreiterInnen, nicht nur in Oberösterreich, waren und sind seit beinahe vier Jahrzehnten durchaus erfolgreich. Immer mehr MigrantInnen organisierten sich innerhalb der Gewerkschaften, 2006 wurde dann das ÖGB Kompetenzforum Migration gegründet. Unzählige Menschen, die nicht in Österreich geboren wurden, sind inzwischen BetriebsrätInnen oder PersonalvertreterInnen.

Haberl: „Sie haben nur kein Schild umgehängt, dass sie MigrantInnen sind.“ Dabei musste die Möglichkeit, dass auch ausländische MitbürgerInnen gewählt werden dürfen, erst juristisch erkämpft werden.

Der lange Marsch durch die Instanzen

Im Jahre 1991 forderte der ÖGB-Bundeskongress das passive Wahlrecht für AusländerInnen. Bereits im Jahr davor riss Mümtaz Karakurt, beschäftigt beim „Verein zur Unterstützung von Ausländern“, die Geduld. Er kandidierte zum Betriebsrat, in der Hoffnung, dass dagegen geklagt wird, da er damals noch türkischer Staatsbürger war. Es dauerte nicht lange, bis er erkannte, was das Sprichwort „Wo kein Kläger, da kein Richter“ in der Praxis bedeutet, denn die erwünschte Klage blieb aus.

Mümtaz Karakurt und Vladimir Polak schmiedeten einen Plan – knapp zehn Jahre später ging er auf.

Während Haberl und viele andere GewerkschafterInnen auf politischer Ebene kämpften, schmiedete Karakurt gemeinsam mit seinem Freund Vladimir Polak einen Plan, um den juristischen Weg dennoch einzuleiten.

Vom Freund angeklagt

Wie mit Karakurt vereinbart, kandidierte der österreichische Staatsbürger Polak bei der Betriebsratswahl 1994 gegen seinen Freund. Weil er – wie zu erwarten war – nicht zum Betriebsrat gewählt wurde, Karakurt allerdings schon, obwohl dieser als „Ausländer“ gar kein Recht dazu hatte, klagte Polak. Österreichs Gerichtsbarkeit arbeitete daraufhin im Eiltempo: Bereits kurz vor Weihnachten 1995 entschied der Oberste Gerichtshof in letzter Instanz gegen Karakurt. Selbst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sprach sich 1999 gegen ihn aus.

Immer weiter rauf

Aber der streitbare Gewerkschafter mit Leib und Seele gab nicht auf. Freunde in Vorarlberg kandidierten auf einer sogenannten gemischten Liste (In- und Ausländer) zur AK-Wahl und wurden nach der Rechtslage folgerichtig nicht zugelassen. Sie reichten Beschwerde bei der EU-Kommission ein und diese leitete ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Er selbst wandte sich an das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen.

Die Ernte wird eingebracht

Ab 2002 ging es dann Schlag auf Schlag. Zuerst gab das UN-Menschrechtskomitee Karakurt recht, einige Monate später verurteilte der Europäische Gerichtshof Österreich. 2003 hob der österreichische Verfassungsgerichtshof folgerichtig die AK-Wahl von 1999 auf. Und ausgerechnet die damalige schwarz-blaue Regierung musste das passive Wahlrecht für „Ausländer“ zur Belegschaftsvertretung auf den Weg bringen.

Es bleibt noch viel zu tun

Karakurt ist inzwischen Geschäftsführer von migrare, so heißt der Verein, in dem er seine „illegale“ Karriere als Betriebsrat begonnen hatte heute. Für Haberl und Karakurt ist eines klar: Es wurde viel erreicht, manche Umwege mussten dafür gegangen, manche Widerstände gebrochen werden.

Vor allem ein Problem gibt es heute aber noch immer: In einigen Ländern, aus denen aktuell viele Menschen nach Österreich kommen, hat Gewerkschaft eine andere Bedeutung oder ist überhaupt kein Begriff – ganz zu schweigen von innerbetrieblicher Mitbestimmung.

Neue Aufgaben und Herausforderungen

Diese ist inzwischen eine der vielen Aufgaben von Emira Malic. Seit März dieses Jahres verstärkt sie das Team des Regionalsekretariats der GPA-djp Linz und ist speziell für die Arbeit mit jungen GewerkschafterInnen zuständig. Den Kampf um das passive Wahlrecht kennt sie nur aus Erzählungen und ist beeindruckt vom tollen Engagement.

Gewerkschafterin Emira Malic hatte es in ihrem Leben nicht leicht. Aufgeben war für sie aber keine Option (Angst offenbar auch nicht).

Eigene Erfahrungen

Malic weiß aus eigener Erfahrung, wie es MigrantInnen gehen kann. 1992 flohen ihre Eltern mit ihr vor dem Krieg in Bosnien. Nach dem Pflichtschulabschluss machte sie noch die Handelsschule und wollte eigentlich ihren Kindheitstraum erfüllen: in einer Bank arbeiten. Doch im Jahr 2002 waren „Ausländer“ bei Banken nicht erwünscht und die Staatsbürgerschaft für Malic außer Reichweite: „Meine Eltern und ich erfüllten zwar alle Voraussetzungen zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft, aber es war kein Geld da, um die hohen Gebühren zu bezahlen.“

„Nur eine von tausenden“

Statt als Bankbeamtin, wie es damals noch hieß, zu arbeiten, schlichtete sie bei Billa Regale ein. Sie stieg aber schnell auf, war dann für die Lehrlingsausbildung zuständig. „So nebenbei“ machte sie die Ausbildung zur Sozialpädagogin. Sie betreute dann unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und engagierte sich in einem Jugendzentrum des ÖGB Oberösterreich. Wenn sie heute zurückblickt, ist sie zwar stolz auf sich, betont aber auch das Engagement der anderen: „Ich habe mich nie unterkriegen lassen und werde es nie. Ich bin aber nur eine von zigtausenden GewerkschafterInnen, die sich tagtäglich für die Menschen engagieren – unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht oder sonst was.“