Seit Anfang 2021
Teuerungskrise: Reichste mit größtem Vermögenszuwachs
Das durchschnittliche Nettovermögen der reichsten fünf Prozent stieg um 775.000 Euro.
Direkt auf die Covid-19-Pandemie folgte die Teuerungskrise. Seit Anfang 2021 wurden die Preise um mehr als ein Viertel erhöht, was für viele Haushalte eine enorme finanzielle Belastung bedeutete. Unsere Wirtschaft schrumpfte 2024 das zweite Jahr in Folge und bereits ohne das (aufgrund strenger EU-Fiskalregeln verpflichtende) Sparpaket der nächsten Bundesregierung sind die Aussichten für 2025 nicht rosig. Zudem stieg zuletzt auch die Zahl der Arbeitslosen stark an.
Gleichzeitig gibt es eine Gruppe, die trotz multipler Krisen massiv profitiert hat: jene der reichsten Haushalte in Österreich. Die obersten fünf Prozent konnten ihr Nettovermögen seit Beginn der Teuerungskrise im Durchschnitt um fast 775.000 Euro pro Haushalt erhöhen. Der durchschnittliche Anstieg des Nettovermögens eines Haushalts in der ärmeren Bevölkerungshälfte im selben Zeitraum betrug knapp 3.700 Euro, im Durchschnitt der gesamten Bevölkerung waren es rund 64.000 Euro.
Angesichts der notwendigen Einsparungsmaßnahmen, die eine zukünftige Bundesregierung aufgrund der strengen europäischen Fiskalregeln beschließen muss, ist klar: Die Einsparungen dürfen nicht zulasten des Sozialstaats gehen und nicht ausschließlich von den Beschäftigten und den Pensionistinnen und Pensionisten geschultert werden. Denn breite Schultern sind offensichtlich vor allem bei den reichsten Mitgliedern unserer Gesellschaft vorhanden – und diese können auch mehr tragen.
Vor allem Unternehmensvermögen beschert den Reichsten Vermögenszuwachs
Um zu verstehen, woher der enorme Zuwachs des durchschnittlichen Nettovermögens der reichsten Haushalte kommt, muss man einen Blick auf die aggregierten Komponenten des Vermögens werfen. Da detaillierte Daten für die reichsten fünf Prozent der Haushalte von der Europäischen Zentralbank leider nicht gesondert zur Verfügung gestellt werden, muss sich die Analyse auf die durchschnittlichen Vermögenswerte der reichsten zehn Prozent beschränken. Deren durchschnittliches Wachstum des Nettovermögens in diesem Zeitraum beträgt mit plus 445.000 Euro aber immer noch das Siebenfache der gesamten Bevölkerung.
Das gesamte Nettovermögen kann man grob in Finanzvermögen (zum Beispiel Spareinlagen, Wertpapiere), Immobilienvermögen und Unternehmensvermögen (zum Beispiel Anteile an GmbHs) unterteilen (wobei davon schlussendlich noch die Summe der ausstehenden Kredite abgezogen werden muss). Beim reichsten Zehntel der Haushalte spielt der Zuwachs an Finanzvermögen mit durchschnittlich plus 81.000 Euro seit Anfang 2021 nur eine untergeordnete Rolle (und trotzdem ist alleine ihr durchschnittlicher Zuwachs an Finanzvermögen höher als der durchschnittliche Zuwachs des gesamten Nettovermögens aller Haushalte).
Denn die Rekordgewinne der letzten Jahre, die zum Beispiel in Form von Dividendenauszahlungen an die Eigentümer:innen ausgeschüttet werden, verbleiben in der Regel nicht lange als Spareinlagen auf dem Bankkonto, sondern werden (re-)investiert. In Kombination mit den Milliarden an erhaltenen Corona-Förderungen – davon mindestens 1,4 Milliarden an Überförderung, also einer Subvention der Unternehmensgewinne auf Kosten der Steuerzahler:innen – stieg vor allem das Unternehmensvermögen des reichsten Zehntels stark an. Seit Anfang 2021 betrug der durchschnittliche Anstieg rund 226.000 Euro pro Haushalt und damit fast die Hälfte des gesamten Vermögenszuwachses. Aber auch das Immobilienvermögen des reichsten Zehntels, angetrieben unter anderem durch die starken Preissteigerungen bei den Wohnungs- und Häuserpreisen, legte im selben Zeitraum um durchschnittlich 153.000 Euro pro Haushalt zu.
Die ärmere Hälfte der Bevölkerung verzeichnete im selben Zeitraum einen durchschnittlichen Anstieg des Nettovermögens pro Haushalt um gerade einmal 3.700 Euro, vor allem aufgrund des etwas höheren Finanzvermögens, bei dem es einen durchschnittlichen Zuwachs von 1.800 Euro pro Haushalt gab.
Die Teuerungsstrategie der ärmeren Hälfte der Bevölkerung lautet Angstsparen
Da die einzelnen Vermögensschichten in absoluten Eurowerten sprichwörtlich Welten trennen, lassen sich die Beiträge zum prozentuellen Anstieg des Vermögens besser vergleichen. Während insgesamt das durchschnittliche Nettovermögen der Haushalte in der ärmeren Hälfte der Bevölkerung seit Anfang 2021 nur um 13 Prozent stieg, wurde das reichste Zehntel im Durchschnitt um fast 18 Prozent reicher. Das Nettovermögen der oberen 40 Prozent (sechstes bis neuntes Zehntel) legte im Durchschnitt um 12,5 Prozent zu, jenes der gesamten Bevölkerung (das aufgrund des hohen Vermögensanteils des reichsten Zehntels von zuletzt 65,4 Prozent stark von Veränderungen dieser Gruppe beeinflusst wird) stieg um 16,5 Prozent.
Analysiert man die Beiträge der detaillierten Vermögenskomponenten zum Anstieg des Nettovermögens, werden die Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen noch deutlicher. Der Anstieg des durchschnittlichen Nettovermögens der ärmeren Hälfte der Bevölkerung ist beinahe zur Gänze auf einen Anstieg des Sparvermögens zurückzuführen, ein weiterer, kleinerer Teil lässt sich durch das Immobilienvermögen erklären (und hier vor allem durch einen Rückgang der Immobilienkredite, also durch geringeres „negatives Vermögen“). Eine mögliche Erklärung für den Anstieg des Sparvermögens ist, dass die ärmere Hälfte der Bevölkerung immer stärker zum sogenannten „Angstsparen“ tendiert. Das bedeutet, dass aufgrund der negativen Erfahrungen mit dem Teuerungsschock – wenn möglich – nun verstärkt eine Art Notgroschen zur Seite gelegt wird, um beispielsweise bei einer erneuten temporären Verdreifachung der Gaspreise im Winter nicht frieren zu müssen.
Bei den oberen 40 Prozent war der Anstieg des durchschnittlichen Nettovermögens mit 12,5 Prozent seit Anfang 2021 am geringsten – es ging seit Mitte 2022 sogar leicht zurück. Grund dafür ist, dass das Immobilienvermögen – das mit über 80 Prozent des Nettovermögens die mit Abstand wichtigste Vermögenskomponente dieser Gruppe ist – bis Mitte 2022 stark anstieg und danach leicht zurückging. Zuletzt gab es aber auch bei den oberen 40 Prozent einen leichten Anstieg der Spareinlagen.
Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung hatten seit Anfang 2021 mit fast 18 Prozent den stärksten durchschnittlichen Anstieg des Nettovermögens. Zunächst war auch hier der Beitrag des Immobilienvermögens am größten, wurde aber Mitte 2022 vom stark steigenden Unternehmensvermögen abgelöst, das zuletzt mehr als die Hälfte des Anstiegs des durchschnittlichen Nettovermögens ausmachte. Das reichste Zehntel ist auch die einzige Gruppe, bei der der Anstieg des Wertpapiervermögens (mit rund 20 Prozent des gesamten Anstiegs) einen nennenswerten Beitrag leistet.
Vor allem im reichsten Zehntel herrscht große Ungleichheit
Die für die Analyse verwendeten Daten von der Oesterreichischen Nationalbank und der Europäischen Zentralbank haben, wie bereits erwähnt, den Nachteil, dass die Informationen zu detaillierten Komponenten des Nettovermögens (für die Öffentlichkeit) nur für das reichste Zehntel vorhanden sind und nicht beispielsweise für das reichste Prozent. Man muss daher immer im Hinterkopf haben, dass die Ergebnisse nicht pauschal für die gesamten rund 430.000 Haushalte des reichsten Zehntels gelten, sondern diese auch hier wiederum stark von den reichsten Haushalten im reichsten Zehntel, also vor allem vom reichsten Prozent der österreichischen Haushalte, beeinflusst werden. Unternehmensvermögen beispielsweise ist stark im reichsten Prozent der Haushalte konzentriert.
Ein Indiz dafür, wie ungleich die Verteilung des Nettovermögens ist, liefert der Vergleich des Anteils der reichsten zehn Prozent und der reichsten fünf Prozent der Haushalte am gesamten Nettovermögen. Die reichsten zehn Prozent (rund 430.000 Haushalte) besitzen laut letztverfügbaren Daten (2. Quartal 2024) 65,4 Prozent des gesamten österreichischen Nettovermögens. Die reichere Hälfte dieser Haushalte, also die reichsten fünf Prozent (rund 215.000 Haushalte), besitzen davon rund 84 Prozent. Der Anteil der reichsten fünf Prozent am gesamten Nettovermögen stieg in den letzten Jahren auch stark an. 2011 lag der Wert noch bei knapp unter 51 Prozent, zwischendurch stabilisierte er sich bei rund 53,5 Prozent und stieg seit 2022 steil auf 55 Prozent an. Pro Prozentpunkt erhöht sich das Nettovermögen dabei um 19,4 Milliarden Euro.
Die Vermögenskonzentration an der Spitze der Verteilung ist übrigens außergewöhnlich – in keinem anderen Land der Eurozone ist Vermögen so ungleich verteilt wie in Österreich. Im Durchschnitt der Euroländer beträgt der Anteil der reichsten fünf Prozent am Nettovermögen 44,2 Prozent, am niedrigsten ist er in Zypern mit 29,4 Prozent.
Gerade die breitesten Schultern müssen einen fairen Steuerbeitrag leisten
Die österreichischen Steuern und Abgaben werden zum überwiegenden Teil von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie von Pensionistinnen und Pensionisten geleistet – sie schultern durch ihre Steuern auf Einkommen und Konsum acht von zehn Steuereuros. Für ein gerechteres Steuersystem wäre es notwendig, den Beitrag aus vermögensbezogenen Steuern zumindest auf das durchschnittliche Niveau der Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) anzuheben. Derzeit liegt das Aufkommen aus vermögensbezogenen Steuern in Österreich bei nur 1,4 Prozent des gesamten Steueraufkommens – im OECD-Durchschnitt sind es 5,6 Prozent. Selbst der Internationale Währungsfonds (IWF) empfiehlt Österreich, einen stärkeren Beitrag durch vermögensbezogene Steuern zu lukrieren. Denn auch die reichsten Mitglieder unserer Gesellschaft müssen sich an der Finanzierung der Krisenkosten beteiligen. Zudem werden in den nächsten Jahren dringend Mittel für Investitionen und Maßnahmen benötigt, um Wohnen wieder leistbar zu machen, erneuerbare Energieformen auszubauen, den Pflegesektor attraktiv und zukunftsfit zu machen oder das öffentliche Verkehrsnetz zu verbessern – all das hat der ÖGB im 10-Punkte-Plan für Österreich präsentiert.