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Fotos: Hintergrund © alesmunt – stock.adobe.com, H. Schuberth © Elisabeth Mandl

Budget

So könnte das Budgetloch in Österreich gestopft werden

Dringende Reformen und Investitionen sind entscheidend, um die Budgetkrise zu bewältigen

Dieser Artikel ist unter dem Titel „Im Angesicht der Fakten“ am 17. Oktober 2024 in der Printausgabe der FURCHE erschienen.

Der Aufprall in der Realität ist schmerzhaft; den meisten, so scheint es, steht er noch bevor – viele weichen den harten Fakten nach wie vor aus: Das Budgetdefizit in Relation zur Wirtschaftsleistung überschreitet laut Prognose in diesem und nächstem Jahr die Maastricht-Grenze von drei Prozent – ein EU-Verfahren wegen eines übermäßigen Defizits ist kaum noch abzuwenden. Dazu kommt, dass seit diesem Jahr neue Fiskalregeln gelten, die Österreich vertraglich verpflichten, ab 2025 das Budget innerhalb von wenigen Jahren sukzessive zu konsolidieren. Allein für die nächsten zwei Jahre wird eine Konsolidierung von fünf bis sechs Milliarden Euro nötig sein; jedes weitere Jahr kommen dann zusätzliche Beträge hinzu.

Milliardenschwere Steuer- und Abgabensenkungsfantasien, wie in einigen Parteiprogrammen zu finden, werden sich dabei in Luft auflösen müssen. Dazu zählen etwa eine weitere Senkung der Körperschaftssteuer sowie die der sogenannten Lohnnebenkosten, die eigentlich Sozialstaatsbeiträge sind. Ihre Senkung würde unmittelbar die Unternehmensgewinne erhöhen und gravierende Leistungskürzungen mit sich bringen – weniger Pension, schlechtere Gesundheitsversorgung und weniger Arbeitslosengeld.

Steuergeschenke und die neuen EU-Fiskalregeln

Die budgetäre Misere wäre vermeidbar gewesen. Statt direkter Preiseingriffe, die die Inflation gesenkt hätten, entschied man sich für kostspielige Einmalzahlungen. Besonders bitter ist der Blick auf die Übergewinne der Energieunternehmen, die inmitten der Krise Milliardengewinne anhäuften – zulasten der Haushalte und der Unternehmen, die damit einen Nachteil im globalen Wettbewerb haben. Statt der vom Finanzminister groß angekündigten Budgeteinnahmen in Höhe von zwei bis vier Milliarden Euro aus einer Übergewinnsteuer blieben am Ende nur etwa 350 Millionen Euro an Steuereinnahmen übrig.

Gänzlich unberührt blieben die Banken, die in den Jahren 2022 und 2023 unglaubliche 24 Milliarden Euro an Gewinnen nach Steuern verbuchten, während die Bevölkerung unter steigenden Lebenshaltungs- und Kreditkosten litt. Schließlich haben die Banken den EZB-Zinsanstieg genützt, um die Kreditzinsen zu erhöhen, aber die Zinsen auf die Spareinlagen niedrig zu halten. Als Veredelung kam eine Körperschaftssteuersenkung hinzu, und das in Zeiten profitgetriebener Inflation – ein schwer verständlicher Schritt. Diese Steuergeschenke und überbordende Coronahilfen für Unternehmen haben tiefe Spuren im Budget hinterlassen. Die nunmehr zwei Jahre dauernde Rezession, auf die die Bundesregierung überwiegend mit lähmender Untätigkeit reagierte, tat ihr Übriges; die einbrechende Wirtschaftsleistung hat zusätzlich die Schulden- und Defizitquoten ansteigen lassen.

Die neuen EU-Fiskalregeln, die auf Intervention Österreichs noch verschärft wurden, kommen zur Unzeit. Sie sind unnötig restriktiv und erkennen nicht an, dass Zukunftsinvestitionen, von denen künftige Generationen profitieren, durchaus schuldenfinanziert sein sollten – ein fundamentales Prinzip der modernen Finanzwissenschaften. Die Fiskalregeln stehen auch in eklatantem Widerspruch zu den Empfehlungen des unlängst veröffentlichten Draghi-Berichts, der nur mit einer großen Investitionsoffensive die Wettbewerbsfähigkeit Europas gesichert sieht.

Ein Blick über den Atlantik

Während die USA wieder einmal gestärkt aus einer Krise hervorgehen, zwängt sich Europa selbst in ein starres Korsett, das seine wirtschaftliche Stärke bremst und den Weg zu einer nachhaltigen Erholung blockiert. Europa droht sogar in eine Rezession zu schlittern – schließlich müssen allein nächstes Jahr in der EU insgesamt hundert Milliarden Euro eingespart werden. Es besteht die Gefahr einer Abwärtsspirale, in der Ausgabenkürzungen die Wirtschaft so stark belasten, dass die Staatsverschuldung im Verhältnis zur schrumpfenden Wirtschaftsleistung nicht sinkt, sondern sogar steigt – ein düsteres Szenario, das wir vor einem Jahrzehnt in einigen Krisenländern Europas beobachten mussten.

Österreich steht vor einer Herkulesaufgabe. Dringend erforderlich ist zunächst ein sofortiges Konjunkturpaket – kein klassisches mit generellen Steuersenkungen und Ausgabenerhöhungen, sondern eines, das gezielt die Bauwirtschaft, die Industrie und den Konsum stützt und neue Impulse setzt. Ein starkes Signal für die Bauwirtschaft wäre etwa eine jährliche zweckgebundene Wohnbaumilliarde. Diese Mittel sollten ausschließlich in den geförderten Wohnbau fließen, um leistbaren Wohnraum zu schaffen. Eine Erholung der Bauwirtschaft würde auch die Industriekonjunktur unterstützen, ebenso wie leistbare und wettbewerbsfähige Energiepreise. Auch müssen die Finanzen der Gemeinden, die das Gros der Daseinsvorsorge bereitstellen, sofort gestärkt werden. Um den Konsum zu beleben, könnten etwa die drastischen Mietsteigerungen rückwirkend rückgängig gemacht werden. Das würde Haushalte spürbar entlasten und den Staat keinen Cent kosten.

Zu glauben, man könnte die bevorstehende Mammutaufgabe bewältigen ohne vermögensbezogene Steuern und solidarische Beiträge jener, die es sich leisten können, ist reine Illusion.

Gleichzeitig muss ein mittelfristiges Standortpaket die Weichen für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit stellen: Stärkung der industriellen Basis durch aktive Industriepolitik, Planungssicherheit bei den Energiepreisen, Unterstützung der Industrie bei der Dekarbonisierung, Ausbau der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur, Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene, Qualifizierungsoffensive und Fachkräftestrategie, Ausbau der Pflege, Ausbau der Kinderbildungseinrichtungen, Stärkung der Gemeindeinvestitionen, bodenpolitische Maßnahmen, um leistbares Wohnen zu sichern, und vieles mehr.

Die größte Herausforderung wird jedoch darin bestehen, das Budget in einer Phase zu konsolidieren, in der weitreichende Investitionen in Konjunktur- und Standortinitiativen unverzichtbar sind – ein Balanceakt, bei dem jeder Fehler das Potenzial für eine wirtschaftliche Erholung zunichtemachen könnte.

Ob die Lösung dieses gordischen Knotens gelingt, hängt vom Verantwortungsbewusstsein der entscheidenden Akteure ab: Steht das gemeinsame Ganze im Vordergrund – oder hält man an althergebrachten Paradigmen fest? In herausfordernden Zeiten, wie während der Finanzkrise oder der Pandemie, haben die Sozialpartner jedenfalls bewiesen, dass sie als Stütze der Stabilität agieren.

Der Vergleich mit anderen EU-Ländern

Klar ist, dass auch auf der Einnahmenseite des Budgets angesetzt werden muss, will man negative Wirkungen einer rein ausgabenseitigen Konsolidierung vermeiden. Österreich könnte sich ein Beispiel an jenen EU-Ländern nehmen, die nach der Finanzkrise ihre Budgets auch durch höhere Einnahmen aus Erbschafts- und Vermögenssteuern saniert haben. Zu diesen Ländern zählen Spanien, Griechenland, Frankreich und Italien. Bereits seit Langem fordern sowohl die OECD als auch die EU-Kommission, dass Österreich den derzeit äußerst niedrigen Anteil der vermögensbezogenen Steuern am Steuer- und Abgabenaufkommen – nur 1,5 Prozent – endlich anhebt. Zum Vergleich: Der OECD-Durchschnitt liegt bei 5,6 Prozent. Länder wie Belgien und Frankreich haben in den letzten Jahrzehnten ihre Haushalte konsolidiert, indem sie zeitweise die Körperschaftssteuern erhöhten.

Zu glauben, man könnte die bevorstehende Mammutaufgabe bewältigen ohne vermögensbezogene Steuern und solidarische Beiträge jener, die es sich leisten können, ist reine Illusion. Das wird vermutlich die Europäische Kommission ähnlich sehen.

 

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