Gewerkschaft vida Kärnten: Forderung nach Sonder - KV - Verhandlungen
Trotz Arbeit rutschen immer mehr Menschen in die Armutsfalle.
KV - Verhandlungen auf Herbst 2022 vorziehen
Der heiße Herbst nimmt Fahrt auf: Die Gewerkschaft vida fordert vom Sozialpartner Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) die rasche Aufnahme von Sonderkollektivvertragsverhandlungen für die Beschäftigten in allen für die vida relevanten Branchen. Neben den sowieso für Herbst anstehenden Verhandlungen, sollen KV - Verhandlungen, die erst 2023 terminisiert wären, bereits auf den kommenden Herbst vorgezogen werden. „So wie die Regierung gegensteuert, verpuffen die Entlastungsmaßnahmen gegen die Teuerung bei ganz vielen Menschen sehr schnell – Einmalzahlungen decken eben keine laufenden Kosten. Das Bestreiten des täglichen Lebens darf nicht zum Luxus werden“, stellt der stv. Landesvorsitzende Markus Petritsch dazu fest. „Die Löhne müssen daher jetzt steigen, denn die Beschäftigten müssen mit ihren Einkommen gut auskommen und leben können“, ergänzt Petritsch. Die vida hat heute Briefe mit entsprechenden Aufforderungen zu raschen teuerungsbedingten Sonder - KV - Verhandlungen an Wirtschaftskammerpräsident Mahrer und die für die Gewerkschaft als Verhandlungspartner maßgeblichen Fachverbände in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) verschickt.
Lassen uns mit Einmalzahlungen nicht abspeisen: Löhne müssen nachhaltig steigen
„Uns ist klar, die anstehenden Lohnrunden werden eine harte Auseinandersetzung. Aber es braucht jetzt steigende Löhne. Wir wollen als Gewerkschaft vida nicht länger warten. Lohnabschlüsse, die unter der rollierenden Inflation liegen, werden wir heuer nicht akzeptieren – die vida wird hierbei auch keine Arbeitskonflikte scheuen. Es braucht eine deutliche Reallohnerhöhung für alle“, bekräftigt Markus Petritsch. Die Gewerkschaften verhandeln im Herbst den Ausgleich für die zurückliegenden Monate, und da wurde überhaupt keine Teuerung ausgeglichen. Im Gegenteil, da gab es Kurzarbeit und nicht selten auch Kündigungen. Die staatlichen Maßnahmen gegen die Teuerung und die geplante Abschaffung der kalten Progression sind keine Argumente für niedrigere KV - Abschlüsse. Steuerfreie Prämienzahlungen sind nicht nachhaltig und daher kein Ersatz für KV - Erhöhungen. „Prämien sind nur zusätzlich ‚obendrauf‘ auf den KV - Abschluss willkommen. Mit Einmalzahlungen, die nicht nachhaltig wirken, lassen wir uns nicht abspeisen!“, so der stv. Landesvorsitzende entschlossen.
Kaufkraft stärken: 2.000 Euro KV-Mindestlohn gefordert
„Die Kaufkraft der Menschen muss jetzt gestärkt werden. Es müssen wieder wirtschaftliche Stabilität und Zuversicht im Land geschaffen werden“, betont Markus Petritsch. Daher fordert die vida auch die Verankerung von 2.000 Euro Bruttomindestlohn in den Kollektiverträgen für Branchen, die noch unter diesem Wert liegen: „Die Beschäftigten brauchen eine rasche, verlässliche und nachhaltige Lohnerhöhung. Es muss selbstverständlich sein, dass man von Vollzeitarbeit auch ohne Nebenjob leben kann: Wenn wir von 2.000 Euro brutto sprechen, dann entspricht das netto etwas mehr als 1.500 Euro“, macht Betriebsrat Bernd Böck klar. Zudem müssen auch die Lehrlingseinkommen flächendeckend und so rasch als möglich auf mindestens 1.000 Euro brutto im 1. Lehrjahr angehoben werden. Denn die rollierende Inflation der letzten 12 Monate (aktuell zwischen 6 und 7 Prozent) und die damit einhergehenden Kostenexplosionen bei Energie, Wohnen, Lebensmitteln und Mobilität werden auch für junge ArbeitnehmerInnen immer öfter zur finanziellen Überlebensfrage, verdeutlicht der langjährige Betriebsrat.
1.500 Euro netto im Monat für bescheidenes Leben benötigt
„Allein 1.060 Euro betragen die Mehrkosten im Jahr 2022 aufgrund der Teuerung. Und für ein bescheidenes Leben braucht in Österreich eine Person inflationsbereinigt zumindest 1.500 Euro Nettoeinkommen im Monat“, sagt Böck. Dieser Betrag entspricht dem sogenannten Referenzbudget, das in Österreich von der staatlich anerkannten Schuldnerberatung erstellt wird. Es zeigt die finanzielle Untergrenze dessen, was es braucht, um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können.
Menschen vor Abrutschen in die Armut schützen
Die vida ist für Kollektivverträge zuständig, da verdient man im Monat für Vollzeitarbeit in vielen Berufen noch keine 1.500 Euro netto als Basislohn. Konkret betrifft dies u.a. Reinigungskräfte (1.360 Euro netto im Monat), FriseurInnen (1.290 Euro netto im Monat), Arbeitskräfte im Hotel- und Gastgewerbe (1.325 Euro netto im Monat), in der Bewachung (1.373 Euro netto im Monat), in privaten Gesundheitseinrichtungen (1.407 Euro netto im Monat) genauso wie auch in der Pflege (1.383 Euro netto im Monat). Und: In der Reinigung verdienen gar 99 Prozent der Beschäftigten unter 2.000 Euro brutto. „Das macht deutlich, dass 2.000 Euro brutto im Monat keine unverschämte Forderung sind, sondern bitter benötigt werden, um im Jahr 2022 sich in Österreich das Leben gerade noch leisten zu können und um nicht unter die aktuelle Armutsgrenze von knapp 1.400 Euro netto im Monat zu rutschen“, so Bernd Böck.
Menschen müssen ihre laufenden Kosten decken können
Die Teuerung trifft jeden. Wir alle haben unsere Ausgaben auf unser Einkommen ausgelegt. Bei gleichbleibendem Einkommen konnte man sich im letzten halben Jahr immer weniger damit leisten. Viele Betroffene können die Teuerung bei Produkten und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs, bei laufenden Zahlungsverpflichtungen für Mieten und Energie sowie für Mobilitätskosten nicht mehr stemmen.
Einmalaktionen verpuffen schnell und können mit Teuerung nicht mithalten
„Dem entstandenen Kaufkraftverlust und Konsumverzicht tragen die bisher angekündigten Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung (überwiegend Einmal- und Gutscheinaktionen) in keiner Weise Rechnung. Damit lassen sich keine laufenden Kosten decken. Man denke nur an Betroffene, die auch noch laufende Kredite begleichen müssen“, kritisiert Petritsch. Denn es sind ja nicht nur die Kosten für Strom rapide angestiegen. Auch die Kosten für Gas, Heizöl, Lebensmittel, Treibstoffe oder Baustoffe befinden sich in schwindelerregenden Höhen. Ein Zehntel der Haushalte gibt bereits fast die Hälfte seines Budgets für Wohnen aus und hat demnach auch entsprechend weniger für Mobilität, Lebensmittel und Heizen zur Verfügung. „Viele Menschen stehen schon vor dem Abgrund. Wir müssen daher jetzt vor dem Absturz bewahren und ihre Existenzen sichern“, bekräftigt der stv. Landesvorsitzende.
Armut trotz Beschäftigung
Die Küchengehilfin Nicole Frank erzählte, wie schwierig es auch für sie persönlich schon ist, trotz Arbeit und Einkommen das tägliche Leben finanziell zu meistern. "Ich bin auf mein Auto angewiesen, um zur Arbeit zu kommen. Vor kurzem wurde die Batterie beim Auto kaputt und ich musste eine neue kaufen. Dieser Kauf belastete meine Haushaltskasse so sehr, dass ich mir in diesem Monat keine anderen notwendigen Ausgaben mehr leisten konnte. Ohne Familie und Freunde, würde ich derzeit trotz monatlichem Einkommen nicht über die Runden kommen", schildert Nicole Frank die dramatische Situation.
Beschäftigte entlasten - vida - Forderungen an die Bundesregierung:
- Öffentliche Mobilität ausbauen und erschwinglicher machen
- Umsatzsteuer auf alle Öffi-Tickets abschaffen
- Armutsbekämpfung durch Sondersteuer auf Übergewinne von Energieunternehmen - bis zu 2,2 Mrd. Entlastungsvolumen
- Preiskommission „mit Biss“, die zur Senkung der Lebensmittelpreise auch in die Preisgestaltung eingreifen kann und nicht nur beobachtet
- Senkung der Steuern auf Treibstoffe auf Zeit
- Neben dem Energiepreisdeckel für Strom, der von der Bundesregierung eingeführt wird, braucht es auch u.a. einen für Gas - und Ölrechnungen. Es geht auch um Warmwasser und Heizung und nicht nur um die Stromversorgung
- Miet - Preisspirale bremsen durch Rücknahme der aktuellen Mietsteigerungen und Einführung einer gesetzliche Mietobergrenze
- Erhöhung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld von 55 auf 70 Prozent
Foto v.l.n.r.: Betriebsratsvorsitzender der Firma Dussmann Bernd Böck, Stv. vida Landesvorsitzender Markus Petritsch und Nicole Frank.