Ein gutes Leben für alle
Wir wollen auch in Zukunft hoch hinaus
ÖGB-Arbeitsgespräch über die Zukunft in der Region Pinzgau
„Früher haben die Menschen mit viel Optimismus und Zuversicht in die Zukunft geblickt. Denn im Vergleich zu unseren Eltern und Großeltern ist es uns schon sehr gut gegangen. Es war möglich, sich durch Arbeit etwas aufzubauen. Die Lebens- und Arbeitsqualität hat sich laufend verbessert. Und diesen Weg wollten wir für unsere Kinder und Enkelkinder weitergehen.“, erinnert sich ÖGB-Regionalvorsitzender Walter Bacher und ergänzt: „Heute stehen wir vor großen Herausforderungen. Der Klimawandel, die Angriffe auf den Sozialstaat und Forderungen nach einer Erhöhung der Arbeitszeit oder einer Anhebung des Pensionsantrittsalters zeigen, dass wir auf herausfordernde Zeiten zusteuern. Sich durch Arbeit etwas aufzubauen, ist angesichts der massiven Teuerung in allen Bereichen, insbesondere aber bei Nahrungsmittel, Wohn- und Energiepreisen, kaum mehr möglich. Viele Junge schauen daher mit Sorge in die Zukunft. Das ist auch verständlich, wenn sie sich die Lebenserhaltungskosten schon in der Gegenwart kaum leisten können. Hinzu kommt, dass wir auch wieder einen Krieg erleben, mitten in Europa!“.
„Wir wollen, dass die Arbeitnehmer:innen wieder optimistisch in die Zukunft blicken können und mit ihnen gemeinsam konstruktive Wege beschreiten, um ein gutes Leben für alle zu erreichen."
Ein gutes Leben für alle bleibt aber das oberste Ziel der Salzburger Gewerkschafter und daher haben sich Vertreter:innen des ÖGB Pinzgau dazu entschlossen, ein Arbeitsgespräch über die Zukunft der Region zu führen. „Wir wollen, dass die Arbeitnehmer:innen wieder optimistisch in die Zukunft blicken können und mit ihnen gemeinsam konstruktive Wege beschreiten, um ein gutes Leben für alle zu erreichen. Dafür braucht es konstruktive Vorschläge und sachliche Analysen. Und welcher Ort wäre besser dafür geeignet als das Kitzsteinhorn“, informiert ÖGB-Landesgeschäftsführer Marvin Kropp.
Tourismus als wesentlicher Wirtschaftsfaktor in der Region
Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region, der direkt und indirekt auch viele Arbeitsplätze geschaffen hat. Schon jetzt ist im Pinzgau der Klimawandel deutlich spürbar. Milde Winter mit wenig Schnee schaden dem Wintertourismus. Große Hitzen und Unwetter in den heißen Sommermonaten fordern die Region zusätzlich. „Gerade im Tourismus braucht es ein Umdenken und da wünsche ich mir Qualität statt Quantität. Die Gletscherbahnen gehen hier schon mit gutem Beispiel voran. Das Unternehmen setzt auf Energieeffizienz, Umweltschutz und erneuerbare Energiequellen. Außerdem gibt es seit 2012 eine Kooperation zwischen der Gletscherbahnen Kaprun AG und dem Nationalpark Hohe Tauern. Daraus entstand beispielsweise das Angebot, Gästen im Sommer und Winter geführte Info-Touren mit Nationalpark-Rangern am Kitzsteinhorn anzubieten,“ berichtet Bacher.
Die World Tourism Organization (UNWTO) hat Zell am See-Kaprun 2022 zu einem der „Best Tourism Villages“ ernannt. Diese Auszeichnung erhalten nur Tourismusdestinationen, die als herausragendes Beispiel für ländlichen Tourismus und Nachhaltigkeit gelten. Tourismus muss in diesem Sinne aus wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Sicht die ländliche Entwicklung fördern und Arbeitsplätze schaffen. „Um einen nachhaltigen Tourismus zu fördern, braucht es auch Maßnahmen der Landespolitik, die in die Region investieren muss, um einen beständigen Tourismus zu fördern und neue Wege anzudenken“, fordert Bacher.
Außerdem muss man stets im Auge behalten, dass ein Einbruch im Tourismus auch zu einem starken Verlust an Arbeitsplätzen führt, weshalb wir jetzt Investitionen brauchen, um dies zu verhindern. Hier ist auch die Entwicklung im Bereich der Digitalisierung zu bedenken, v.a. mit dem Aufkommen neuer Technologien im Bereich der künstlichen Intelligenz, die – wie viele Studien zeigen – auch zu einem Wegfall zahlreicher Jobs führen wird. „Es braucht also auch Investitionen in den Arbeitsmarkt und in Fachkräfte-Ausbildungen und -Umschulungen“, ist Bacher überzeugt und ergänzt: „Und wir müssen schauen, wie wir unseren Sozialstaat langfristig absichern können!“
Finger weg von unserem Sozialstaat
Der Sozialstaat ist das zweite Thema, das bei dem Arbeitsgespräch für viel Diskussion sorgt. Denn immer öfter werden Forderungen laut, die nur als Angriff auf den Sozialstaat zu interpretieren sind, so wie jene nach einer Senkung der Lohnnebenkosten, die alle Teilnehmer:innen vehement ablehnen. „Die Lohnnebenkosten sind ja nichts anderes als die Beiträge der Unternehmen zum Sozialstaat. Damit werden wichtige Leistungen mitfinanziert, wie die Familienbeihilfe, die Schülerfreifahrt, die Wohnbauförderung, u.v.m. Wenn diese gesenkt werden, dann führt das entweder dazu, dass die Leistungen gekürzt werden oder das Geld von jemand anderem eingezahlt werden muss. Und schon jetzt tragen Arbeitnehmer:innen die Hauptlast durch die Steuern und Abgaben, die sie zahlen.“, sind sich alle Teilnehmer:innen einig. „Daher starteten wir im April mit unserer Informationsoffensive unter dem Motto `Lohnnebenkosten sind Arbeitgebersozialbeiträge‘ und touren seitdem durchs ganze Bundesland, um möglichst viele Salzburgerinnen und Salzburger darüber zu informieren, welch schwerwiegende Folgen eine Senkung der Lohnnebenkosten insbesondere für Arbeitnehmer:innen hätte“, berichtet ÖGB-Landesgeschäftsführer Marvin Kropp.
Und man hat bereits in den letzten Jahren bei den vorgenommenen Senkungen der Lohnnebenkosten gesehen, welche Auswirkungen das hat, wie Kropp berichten kann. „Gerade jetzt zeigt sich, dass z.B. die Senkung der Arbeitgeberbeiträge zum Insolvenz-Entgeltfonds gravierende Folgen hat. 2007 lag dieser Beitrag noch bei 0,7 Prozent, 2016 nur mehr bei 0,35 Prozent. Seitdem wurde der Beitrag auf 0,1 Prozent gekürzt. Allein die letzte Senkung um 0,2 Prozentpunkte bedeutet einen Verlust von 230 Millionen Euro pro Jahr“, informiert Kropp und kritisiert weiter: „Jetzt schließt das Arbeitsministerium zwei weitere Servicestellen des Insolvenz-Entgelt-Fonds – eine davon in Salzburg. Schon letztes Jahr wurden drei Stellen in Österreich geschlossen. Menschen, die ihren Job verlieren, weil die Firma Pleite geht, haben jetzt keinen Ansprechpartner mehr vor Ort, der ihnen hilft und müssen auch noch weite Wege auf sich nehmen, um zu ihrem Geld zu kommen!“
„Anstatt Forderungen nach Einzelmaßnahmen aufzustellen, die unseren Sozialstaat weiter beschneiden, sollten wir darüber reden, wie wir unseren Sozialstaat langfristig finanzieren können.“, ergänzt Bacher, der in diesem Rahmen die Einführung einer Maschinen- bzw. Digitalsteuer ins Spiel bringt, die von der Gewerkschaft schon seit Jahrzehnten gefordert wird.
Ausbau des öffentlichen Verkehrs und Investitionen in die Infrastruktur
Für die Region Pinzgau ist es auch besonders wichtig, dass der öffentliche Verkehr ausgebaut wird. Denn im Pinzgau geht es ohne Auto einfach nicht. „Im Pinzgau reicht es auch nicht, wenn eine Familie ein Auto hat, es braucht meist zwei. Das ist natürlich auch nicht billig“, stellt Walter Bacher fest und fordert: „Wenn man die Wartezeiten mitrechnet, dann ist man schneller mit dem Zug von Salzburg aus in Wien als in Zell am See“, so Bacher, der daher fordert: „Wir brauchen dringend ein öffentliches Verkehrsnetz, das über die ganze Region ausgebaut wird, so dass ein Verzicht aufs Auto möglich wird. Damit wird der Pinzgau auch als Wirtschaftsstandort aufgewertet.“
Auch für den Klimaschutz ist eine Umsetzung dieser Forderung zentral. Denn immer noch machen die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen den größten Teil der Emissionen aus. „Wir spüren mittlerweile die Auswirkungen des Klimawandels in der Region sehr deutlich. Wetterextreme und Katastrophen, wie Murenabgänge oder Überschwemmungen, sind keine Seltenheit mehr. Oftmals führen diese Katastrophen dazu, dass Menschen plötzlich viel Geld für Sanierungen ausgeben müssen und nicht wissen, wie sie das noch bezahlen können, denn ihr gesamtes Erspartes steckt bereits im mühsam aufgebauten Eigenheim“, erzählt Bacher und ergänzt: „Es braucht daher Unterstützung und Umweltschutzmaßnahmen. Dazu zählen auch Mittel für Umbau-Maßnahmen zum Klimaschutz, wie Finanzierungshilfen für Heizungsaustausch, und dergleichen.“
Aufräumarbeiten erledigen die Ehrenamtlichen
Wenn es zu Naturkatastrophen kommt, dann sind es die Ehrenamtlichen, die danach aufräumen. „In Österreich sind 98 Prozent der Feuerwehren und damit der Feuerwehrleute ehrenamtlich im Einsatz. Es ist für Angestellte und Arbeitende gesetzlich geregelt, dass sie bei einem sogenannten Großschadensereignis als Mitglieder von Hilfs-, Rettungs-, oder Katastrophenschutzorganisationen für die Zeit ihrer Hilfe unter Fortzahlung des Entgelts von der Dienstleistung freigestellt werden. Allerdings muss diese Freistellung mit dem Arbeitgeber vereinbart werden. „Wir begrüßen es sehr, dass viele Unternehmer bereits jetzt Verständnis zeigen und ihren Mitarbeiter:innen die Freistellung genehmigen. Wir hoffen, dass sich hier noch viele anschließen. Erfreulich ist auch, dass die Regierung die Mittel für die freiwilligen Feuerwehren von 90 auf 140 Millionen aufgestockt hat. Aber wir können uns nicht nur darauf verlassen, dass alles auf freiwilliger Basis erledigt wird, wenn die Anzahl der Naturkatastrophen weiter steigt. Es wird vielleicht auch mehr Hauptamtliche in diesen Bereichen benötigen, was wiederum Arbeitsplätze in der Region fördern würde.“, gibt Bacher zu denken.
Wie soll es nun weitergehen?
Viele Themen und Forderungen wurden bei dem Arbeitsgespräch am Kitzsteinhorn diskutiert und überlegt. Nun stellt sich die Frage, was mit diesen Forderungen passiert. „Wir haben nächste Woche Regionalvorstandssitzung. Da werde ich vom heutigen Treffen berichten und mit den Kolleg:innen besprechen, wie wir weiter vorgehen sollen. Das ist auch eine gute Möglichkeit, neue Ideen und Perspektiven einzubinden. Die Funktionär:innen sollen dann auch in den Betrieben mit ihren Kolleg:innen sprechen und so werden immer mehr Perspektiven und Ideen mit eingebracht und wir starten damit zugleich eine Mobilisierung, um mit geballter Kraft für unsere Region zu arbeiten“, informiert Bacher.
„Und ich werde diese Themen mit in die Sitzungen nach Wien nehmen und auch im Landesvorstand zum Thema machen. Es gibt auch andere Regionen, die mit ähnlichen Ausgangslagen konfrontiert sind und hier kann man gute Verbindungen knüpfen“, ergänzt Kropp. Außerdem sind sich Kropp und Bacher einig: „Wir wollen natürlich auch das Gespräch mit den zuständigen Politiker:innen auf Landesebene suchen. Denn wir wollen ja konstruktive Gespräche führen, um ein gutes Leben für alle Pinzgauerinnen und Pinzgauer anzustreben und ihnen einen optimistischen Blick in die Zukunft ermöglichen.