Hilferuf aus Tirols Spitälern, Pflege- und Gesundheitseinrichtungen
Beschäftigte aus rund 20 Einrichtungen schlagen erneut Alarm
Erneut forderten heute in ganz Tirol Beschäftigte in Spitälern, Pflege- und Gesundheitseinrichtungen bei insgesamt rund 20 Kundgebungen dringend notwendige Verbesserungen ein. „Die Pflege ist am absoluten Limit – und das schon längst! Wir tun seit Jahren unser Möglichstes, aber irgendwann können auch wir nicht mehr“, bringt Birgit Seidl, Zentralbetriebsratsvorsitzende der Tirol Kliniken, die Situation auf den Punkt. Unter dem Motto „Wir mit der Pflege“ fordern ÖGB Tirol, die Gewerkschaften Öffentlicher Dienst (GÖD), Gewerkschaft GPA, vida und younion_Die Daseinsgewerkschaft sowie zahlreiche BetriebsrätInnen und Beschäftigte von der Politik ein ganzes Maßnahmenpaket für den Pflegebereich.
Meine KollegInnen sind am absoluten Limit!
„Meine KollegInnen sind am absoluten Limit! Trotz enormem Personalmangel haben wir in allen Wellen die Pandemie gemeistert. Heute Nachtdienst morgen Tagdienst auf einer fremden Station - das ist gelebte Flexibilität. Dazu kommen Überstunden ohne Ende, keine Ressourcen für Zeitausgleich, kein Personal - ein Teufelskreis, aus dem wir nur mit einer Pflegereform kommen, auf die wir schon viel zu lange warten! Gefahrenanzeige – die Pflege kann nicht mehr, die Patientenversorgung ist in Gefahr!“, verweist Seidl auf die Dringlichkeit des Anliegens. Sie betont weiter: „Kurz zusammengefasst: Wir brauchen bessere Arbeitsbedingungen und mehr Personal, damit wir eine gute Versorgung der PatientInnen auch weiterhin sicherstellen können. Natürlich tun wir unser Bestes, um uns gut um die Menschen zu kümmern, aber die enorme Personalknappheit und der ständige Druck erschweren uns dieses Anliegen sehr.“ Daher könne es für den neuen Gesundheitsminister Johannes Rauch keine Schonfrist geben. „Es geht nicht mehr, wir können schlichtweg nicht mehr. Wir brauchen dringend die schon lange versprochene Pflegereform. Ich weiß nicht, wie lange das noch gut geht“, so die Zentralbetriebsratsvorsitzende.
Die bisherigen Maßnahmen sind wie ein Pflaster, das auf eine riesige Platzwunde geklebt wird.
3-M-Regel in der Pflege
Um der hohen Drop-Out-Quote entgegenzutreten, brauche es ebenfalls zahlreiche Maßnahmen, so Tirols ÖGB-Vorsitzender Philip Wohlgemuth: „Das Personal hat die Belastungsgrenze längst überschritten. Die bisher in die Wege geleiteten Maßnahmen reichen bei weitem nicht aus und sind wie ein Pflaster, das auf eine riesige Platzwunde geklebt wird. Einerseits müssen wir natürlich neues Personal für den Pflegeberuf gewinnen, wir müssen dann aber alles daransetzen, sie auch in der Branche zu halten. Die Belastungen sind wirklich extrem, daher muss für die Pflege endlich die 3-M-Regel gelten: mehr Personal, mehr Geld, mehr Freizeit. Nach wie vor fehlt echte Wertschätzung für die Beschäftigten, wie man anhand der Auszahlungsmodalitäten für den versprochenen Pflege-Bonus sieht: Nach wie vor warten zahlreiche MitarbeiterInnen auf die Auszahlung.“ Wohlgemuth bemängelt zudem das bürokratische Procedere bei der Auszahlung sowie den gewählten Zeitraum von Anfang Oktober 2021 bis Ende April 2022. „Gerade dieser Punkt stößt bei MitarbeiterInnen auf massive Kritik, denn vor allem in den Pflegeheimen herrschte primär zu Beginn der Pandemie ein massives Aufkommen an Corona-Erkrankungen unter den PatientInnen und somit erhöhte Ansteckungsgefahr bei den Beschäftigten. Dieser Zeitraum, in dem die MitarbeiterInnen ebenfalls unter extremsten Bedingungen gearbeitet haben, wird nicht abgegolten. Was den Beschäftigten ebenfalls sauer aufstößt: Gerade jene Beschäftigten, denen es mittels massivster Sicherheitsvorkehrungen gelungen ist, ihre PatientInnen vor einer Ansteckung zu schützen, schauen jetzt durch die Finger, da der Corona-Bonus ja nur an jene ausbezahlt wird, die unmittelbar mit an Corona Erkrankten in Berührung gekommen sind.“
Faire Bezahlung für wertvolle Arbeit ist man den Beschäftigten schuldig.
Das lange Warten auf die Umsetzung des Pflegepaktums
Einmal mehr wird zudem die längst überfällige Umsetzung des Tiroler Pflegepaktums gefordert, dazu Verena Steinlechner-Graziadei, Vorsitzende der younion_Die Daseinsgewerkschaft: „Im Pflegepaktum wurde bereits 2015 eine einheitliche Bezahlung unabhängig von der Anstellungsform vereinbart. Trotz vieler Bemühungen wurde diese Forderung erst teilweise umgesetzt. Es muss endlich gleiches Geld für gleiche Arbeit heißen! Es ist doch für niemanden nachvollziehbar, warum man für die gleiche Tätigkeit je nach Träger der Einrichtung unterschiedlich bezahlt wird. In der Pflegebranche arbeiten überwiegend Frauen. Sie sind nach wie vor in vielen Lebensbereichen, mittlerweile auch verstärkt durch die Corona-Krise, benachteiligt. Es ist unsere Aufgabe, dem speziell in der Pflegebranche entgegen zu wirken und einen gerechteres Arbeitsumfeld zu schaffen!.“ Kritik übt sie auch an der vereinbarten freiwilligen Zulage in Höhe von 205 Euro: „Obwohl das Signal an die Beschäftigten gut gemeint war, hat man damit leider in der Realität Chaos verursacht. Man ist es den Beschäftigten schuldig, sie für ihre wertvolle Arbeit fair und gleich zu bezahlen“.
Die Qualität muss auch in der Ausbildung passen!
Keine Almosen in der Ausbildung
Eine faire Bezahlung bereits während der Ausbildung fordert auch Margit Luxner, Vorsitzende des Bereichs Gesundheit und Soziales in der Gewerkschaft GPA und selbst Betriebsratsvorsitzende: „Wenn wir wollen, dass junge Menschen im Pflegebereich arbeiten, dann muss die Qualität der Ausbildung passen. Dazu gehört auch eine angemessene Bezahlung.“ Ende November 2021 veröffentlichte die Landesregierung „Sofortmaßnahmen zur Stärkung des Pflegebereiches“, in welchen unter anderem ein Pflegestipendium für die Auszubildenen angekündigt wurde. „Fast vier Monate später warten die Auszubildenden immer noch auf eine Richtlinie für dieses Stipendium. Zudem sind die angekündigten 470 Euro eher Almosen als eine tatsächliche Verbesserung der Ausbildungsbedingungen. Wir erwarten uns eine klare Regelung von Seiten der Landesregierung. Von Taschengeld, Stipendien und Almosen halten wir nichts. Eine faire Bezahlung von monatlich 1820 Euro für die PraktikantInnen im Pflege- und Gesundheitsbereich muss dringend her. Ansonsten gibt es für die künftigen ArbeitnehmerInnen im Pflegebereich keine vernünftige Perspektive für diesen schönen Beruf“, zeigt Luxner auf.
Große Kundgebung im Mai
Der Termin für die nächste große Aktion steht bereits fest: Am „Tag der Pflege“ am 12. Mai ruft die Gewerkschaft gemeinsam mit der Offensive Gesundheit zu einer großen Kundgebung auf. „Dann werden wir in Innsbruck ein unübersehbares Zeichen setzen“, kündigt Wohlgemuth an.