Überbetriebliche Lehrausbildung zukunftsfit gestalten
Gassler: „1,50 Euro Stundenlohn ist ein Witz!“
Über 6.200 Jugendliche absolvieren derzeit eine überbetriebliche Lehrausbildung (ÜBA) in Österreich, 435 Plätze stellt das AMS im Jahr 2023 in Tirol zur Verfügung. Grundsätzlich sind Jugendliche in den ÜBAs Lehrlingen in Betrieben gleichgestellt, jedoch ziehen sie finanziell den Kürzeren: Sie erhalten kein Lehrlingseinkommen, sondern nur eine Ausbildungsentschädigung von derzeit 361,50 Euro im 1. und 2. Lehrjahr sowie 834,90 im 3. und 4. Lehrjahr Das Land Tirol hatte kürzlich einen anteiligen Finanzierungsbeitrag für die überbetriebliche Lehrausbildung in Höhe von 1,4 Millionen Euro angekündigt. „Diese Initiative ist wichtig und richtig. Ein Teil des Geldes muss allerdings künftig in die finanzielle Absicherung der Jugendlichen fließen“, weist Bianca Gassler, Vorsitzende der Tiroler Gewerkschaftsjugend, auf die oftmals prekäre Situation der Jugendlichen hin.
„Wir haben mit der dualen Lehrausbildung eines der besten Systeme weltweit und eine erstklassige Fachkräfte-Schmiede. Trotzdem sind Anpassungen notwendig, wie beispielsweise die längst überfällige Gleichstellung von Lehrlingen in ÜBAs gegenüber jenen in Unternehmen“, bekräftigt auch Tirols ÖGB-Vorsitzender Philip Wohlgemuth die Notwendigkeit von Verbesserungen.
500 Euro im 1. und 2. Lehrjahr
Gassler sieht die Angleichung der Ausbildungsentschädigung als dringendste Maßnahme: „Die finanzielle Abgeltung muss endlich passen. Der derzeitige Stundenlohn von 1,50 Euro ist einfach ein Witz! Die Einkommen der Lehrlinge in den ÜBAs müssen endlich erhöht werden, und zwar auf 500,91 Euro brutto monatlich.“ Dieser Wert entspricht der ASVG-Geringfügigkeitsgrenze 2023. Darüber hinaus will die Gewerkschaftsjugend im Sinne der Gleichberechtigung ein 13. und 14. Lehrlingseinkommen verankert wissen. „Gerade junge Menschen haben wenig Geld zur Verfügung, vor allem in Tirol ist die Situation für viele angesichts der überdurchschnittlich hohen Lebenserhaltungskosten äußerst prekär!“
Ungleichbehandlung beenden
„Die Überbetriebliche Ausbildung muss einen höheren Standard in der Gesellschaft gewinnen, da sie sicherstellt, dass jeder junge Mensch die Chance auf eine adäquate Ausbildung und damit auch auf eine Perspektive für die Zukunft bekommt. Außerdem ist es wichtig, Lehrlingen in den Überbetrieblichen Ausbildungsstätten die ihnen gebührende Wertschätzung in Form einer anständigen Bezahlung entgegenzubringen, da sie dieselbe Arbeit leisten wie jeder andere Lehrling auch. Sie dürfen nicht einfach als billige Hilfskräfte abgestempelt werden!“. Auch die Ausbildung der FachtrainerInnen steht im Fokus der Gewerkschaftsjugend. „Nur wer gut ausgebildet ist, kann Fachwissen auf höchstem Niveau vermitteln. Daher fordern wir eine entsprechende Qualifizierung der FachtrainerInnen und Aufstockung des fehlenden Personals sowie eine gewissenhafte BetriebskontakterInnenausbildung“, so Gassler.
Verbesserungsbedarf in Bezug auf die Praktikumsbetriebe sieht Tirols Jugendsekretärin Sandra Hofer: „Wir fordern eine Auswahl der Betriebe nach den definierten Kriterien Social Responsibility – also wertschätzende Unternehmenskultur, Gleichbehandlung und keine Diskriminierung - und Nachhaltigkeit. Es sollte zudem eine realistische Chance auf eine Übernahme bestehen. Darüber hinaus sollten regelmäßige Kontrollen der Praktikumsbetriebe und eine Aufwertung der Qualitätssicherungsgespräche etabliert werden.“
Die Gewerkschaftsjugend hat sich bereits im Dezember 2022 in einem offenen Brief an Arbeitsminister Kocher gewandt und Vorschläge für mehr Fairness übermittelt. Auch der Landesvorstand des ÖGB Tirol hat sich geschlossen für mehr Fairness in der überbetrieblichen Lehrausbildung ausgesprochen.