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Ausbau der sozialen Rechte

Europäische Sozialunion: ÖGB-Präsident für konkrete Schritte

ÖGB-Präsident Katzian unterstützt Aktionsplan der EU-Kommission, fordert aber mehr Verbindlichkeit

Die EU-Kommission hat für Jahresbeginn 2021 einen Aktionsplan zur Verwirklichung der Ziele der Europäischen Säule sozialer Rechte (ESSR) angekündigt. Darunter versteht man die von der EU bereits vor drei Jahren gestartete Initiative, die 20 Prinzipien enthält und starke soziale Rechte in der gesamten EU gewährleisten soll.  Erst unlängst veröffentlichte die Kommission beispielsweise die Richtlinie für eine Europäischen Mindestlohn. Die Corona-Pandemie macht aber einmal mehr deutlich, dass es mehr Anstrengungen braucht, wie ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian am 13. November in einer Online-Diskussion mit EU-Sozialkommissar Nicholas Schmit, Sozialminister Rudolf Anschober und der Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, Christa Schweng, betont: „Wir Gewerkschaften haben den Schritt zur Sozialen Säule immer unterstützt und mitgetragen.“ Er habe aber auch in vielen Diskussionen mit dem ehemaligen Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der als Vater der Sozialen Säule gilt, klargemacht, dass zwar vieles festgeschrieben ist, „aber mit einem hohen Grad an Unverbindlichkeit“, so Katzian. Bisher ist die ESSR nur eine unverbindliche Sammlung von Leitlinien.   

Sozialgipfel im Mai 2021  

Portugal unterstütze die Umsetzung der ESSR und habe für die Zeit seiner Ratspräsidentschaft einen Sozialgipfel für Mai 2021 angesetzt. Laut ÖGB-Präsident Katzian ein positives Signal, auch der EU-Sozialkommissar schaue darauf, dass der Aktionsplan weitergetrieben werde: „Ziel des Gipfels soll eine politische Verpflichtung aller Stakeholder, der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments, der Sozialpartner, des EWSA und der NGOs sein, sich zu den politischen Zielen der Sozialen Säule und des Aktionsplanes zu bekennen“. Dafür brauche es Anstrengungen auf nationaler und auf europäischer Ebene, genauso wie konkrete Projekte.   

Mindeststandards für Arbeitslosengeld 

Neben mehr Engagement im Kampf gegen das Lohn- und Sozialdumping fordert Katzian erneut auch Mindeststandards für das Arbeitslosengeld. Eine Studie der Arbeitnehmergruppe im EWSA kommt zu einem eindeutigen Ergebnis:  

Höhere europäische Standards für Arbeitslosengeldbezüge von 75 Prozent des letzten Nettoeinkommens in alle EU-Ländern, ausbezahlt mindestens ein Jahr, würden positive verteilungs- und sozialpolitische Effekte bringen und einen wichtigen zusätzlichen Beitrag zur automatischen Stabilisierung der Wirtschaft leisten: „Damit könnten das Bruttoinlandsprodukt um etwa 0,7 Prozentpunkte erhöht und die Arbeitslosigkeit um etwa 0,3 Prozentpunkte gesenkt werden“, zitiert der ÖGB-Präsident aus der Studie.  

Mehr Mitbestimmung für Arbeitnehmer 

Außerdem braucht es nicht weniger, sondern mehr Einbindung der ArbeitnehmerInnen, stellt der ÖGB-Präsident klar. Die derzeitigen europäischen Regelungen (wie die Richtlinie über Information und Konsultation oder die EBR-Richtlinie) entsprechen nicht mehr den Anforderungen von Digitalisierung, Green Transition und industriellem Wandel. „Hier braucht es dringend einen neuen europäischen Rahmen“. Neben Nachschärfungen müsse vor allem sichergestellt werden, dass diese Instrumente auf nationaler Ebene nicht geschwächt werden, wie das in einigen EU-Staaten immer wieder versucht wird.   

Schmit: Sozialer Wandel nur mit Sozialpartnern möglich 

„Die Prinzipien des Aktionsplans müssen sich in der Politik wiederfinden“, unterstreicht auch Schmit: „Das machen wir jetzt, mit diesem Sozialplan.“ Die Idee sei nicht, alle Sozialsysteme zu vereinheitlichen, weil das aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen auch gar nicht möglich wäre. Das Ziel müsse aber die Gemeinsamkeit sein, unter Beibehaltung des nationalen Handlungsspielraums, so der EU-Sozialkommissar: „Dafür ist der Dialog mit den Sozialpartnern ganz wesentlich.“ Nur wenn ArbeitnehmerInnen und Gewerkschaften voll einbezogen werden, kann der ökonomische Wandel hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft auch sozial gerecht gestaltet werden.