"Die 14 Länder des Donauraums weisen große wirtschaftliche Unterschiede auf", sagte Sozialministerin Brigitte Zarfl.
Europabüro und EU
Solidarität über die Grenzen hinweg!
Die Digitalisierung zerstört gute Jobs und untergräbt die Finanzbasis der sozialen Sicherheit – in Europa wie in den USA
Der Graben zwischen den reichen und den armen Regionen Europas ist immer noch tief. „Technologische Veränderung kennt keine Grenzen. Digitalisierung betrifft alle Aspekte des Arbeitslebens.“ Deshalb brauchen wir eine starke Gewerkschaftsbewegung in unserer gesamten, gemeinsamen Region. „Solidarität über die Grenzen hinweg!“, forderte ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schumann bei der Eröffnung von „Decent Work 4.0“, der Abschlusskonferenz des ÖGB-Donauraum-Projekts danube@work.
Je besser die Ausbildung, desto schwerer kann ein Job automatisiert werden
„Die 14 Länder des Donauraums weisen große wirtschaftliche Unterschiede auf. Einige haben noch einen langen Weg vor sich“, bis das Einkommensniveau an die Spitze aufschließe. Diesen Prozess gelte es zu unterstützen, sagte Sozialministerin Brigitte Zarfl. Die Digitalisierung sei zwar kein neues Phänomen, wie stark sie sich auswirke, darüber gebe es aber unterschiedliche Ansichten. Auf der einen Seite gebe es Befürchtungen, die ganze 47 Prozent der Arbeitsplätze in Gefahr sehen, auf der anderen Seite gebe es aber auch Studien, die mehr Parameter berücksichtigen würden, und die in Österreich nur für 9 Prozent ein hohes Risiko sehen würden. Klar sei aber: „Je höher das Ausbildungsniveau, desto weniger kann automatisiert werden.“ Entsprechend müsse man auf Bildung setzen – konkret aber auf die richtigen digitalen Skills.
Unsichere Beschäftigung untergräbt Sozialstaat-Finanzierung
Julia Bock-Schappelwein vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo): “Digitalisierung ist nicht der einzige Faktor, der sich auf die Zukunft der Arbeit auswirkt.“ Strukturwandel, Globalisierung usw. spielen ebenfalls eine Rolle. Die Hauptfrage sei: „Wie können wir die Menschen für die sich verändernde Gesellschaft vorbereiten, vor allem junge Menschen?“ Gefragt seien neue Skills, etwa die Kombination aus fachlichen Berufskenntnissen und IT-Kenntnissen.
Zu beachten gelte es auch die Auswirkungen der Digitalisierung auf die sozialen Sicherungssysteme. „Unsichere Beschäftigung und unsichere Bezahlung haben auch Auswirkungen auf die finanzielle Basis des Sozialsystems“, so Bock-Schappelwein. Man müsse auch immer fragen, wie inklusiv Digitalisierung sei – und wie man dem „digital divide“ entgegenwirken könne.
Schlechte Lagerhaus- und Zustell-Jobs statt guter Handelsarbeitsplätze
Aber nicht nur der Donauraum war Thema, auch von der anderen Seite des Atlantiks wurde bei der Konferenz berichtet. Stuart Appelbaum, Präsident der US-Handelsgewerkschaft RWDSU, fasste die Auswirkungen der Digitalisierung auf die guten Jobs im Handel so zusammen: „Sie werden immer weniger.“ Oft wüssten die Beschäftigten „weder wann noch wie lange sie arbeiten müssen – aber sie müssen jederzeit zur Verfügung stehen.“ Außerdem würden die Kunden immer mehr auf Online-Shopping umsteigen – die Folge: „Weniger Jobs im Handel, mehr in Lagerhäusern und in der Zustellung.“
Absurde Scheinselbstständigkeit – ein System, von dem nur Reiche profitieren
Dort gelte ähnliches wie im Transport: „Ein Uber-Fahrer wird nicht als Angestellter betrachtet, sondern als unabhängiger Kleinunternehmer – es ist absurd“, sagte Appelbaum. In Folge dessen gehe es mit den Arbeitsstandards bergab. Auch hätten immer mehr Menschen keine Krankenversicherung mehr, denn die hänge im US-System vom Arbeitsplatz ab. Insgesamt sei es ein System, dessen Gewinner nur die Reichen seien. Es brauche wieder politische Spitzenrepräsentanten, die die Bedürfnisse der arbeitenden Menschen verstehen würden, und die unabhängig von den Konzernen agieren würden.
„Selbstständige“, die schärfer kontrolliert werden als Angestellte
„Moderne Business-Modelle dürfen keine Entschuldigung dafür sein, sich nicht an das Recht zu halten“, sagte Martin Risak von der Universität Wien ein. „Menschen sind immer mehr in ständigem Wettbewerb miteinander.“ Die Fahrer seien keine Angestellten mehr, sondern Selbstständige, würden aber deutlich schärfer permanent kontrolliert als ArbeitnehmerInnen – durch digitale Technologie, durch ständige Bewertung durch die Kunden. Er schlägt zwei Optionen vor: Man könnte das Konzept des Arbeitnehmers neu definieren, inklusive Organisierung und Kollektivvertragsverhandlungen. Und man könnte Arbeitsrechte für angreifbare Selbstständige öffnen.