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Faire Arbeit 4.0 – Fortschritt muss allen zugutekommen!

ÖGB-Bundesvorstand legt Forderungsprogramm vor

„Der technische und gesellschaftspolitische Fortschritt muss der gesamten Gesellschaft zugutekommen – und nicht nur den ‚Herrschern über die Daten‘, sagte ÖGB-Präsident Erich Foglar anlässlich des heute vom ÖGB-Bundesvorstand beschlossenen Leitantrags an den ÖGB-Bundeskongress. Letzterer wird unter dem Motto „Faire Arbeit 4.0 – vernetzt denken, solidarisch handeln.“ vom 12. bis 14. Juni im Wiener ACV stattfinden. „Es ist wichtig, die Veränderungen der Arbeitswelt rechtzeitig zu erkennen und mitzugestalten“, sagt Foglar: „Alle, die von einem Arbeitgeber wirtschaftlich abhängig sind, sollen auch von Arbeitsrecht und Kollektivverträgen geschützt sein. Der Umgehung des Arbeitsrechts und der Scheinselbständigkeit sagen wir mit unserem Forderungsprogramm den Kampf an.“ Das ist nicht nur für die betroffenen ArbeitnehmerInnen wesentlich, sondern auch für die Finanzierung einer funktionierenden Gesellschaft, denn die Einnahmen des Staates beruhen zu 60 Prozent auf Arbeit: „Ohne geregeltes Arbeitsverhältnis fehlt die Basis für die Finanzierung des Sozialstaats“, warnt Foglar, „und die Verteilung ist die Kernfrage.“ Konkret geht es im Leitantrag, der beim Kongress als Grundsatzprogramm für die kommenden fünf Jahre beschlossen werden soll, um Folgendes:

Der technologische Fortschritt muss der Gesellschaft dienen

Technologischer Fortschritt ist kein Wert an sich, er muss dem gesellschaftlichen Fortschritt dienen. Ziel muss die Verbesserung des Alltags aller Menschen und die Erleichterung der Arbeitswelt aller ArbeitnehmerInnen sein. Durch die Möglichkeiten der Digitalisierung entstehen innovative Geschäftsideen. In einigen Fällen wird aber der technologische Fortschritt missbraucht. Unter dem Deckmantel der Digitalisierung wird Gewinnmaximierung auf Kosten geltender Standards betrieben. Sie basieren auf der bewussten Umgehung arbeitsrechtlicher und/oder steuerrechtlicher Regeln. Darunter leidet die Qualität der Arbeitsplätze, es kommt zu Prekarisierung, Scheinselbständigkeit und Abwälzung des Unternehmerrisikos auf wirtschaftlich Abhängige. Was ArbeitnhemerInnen brauchen:

GUTE ARBEIT

Die Definition des Arbeitsvertrags geht auf den Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. Der geltende ArbeitnehmerInnenbegriff orientiert sich am klassischen Industriebetrieb, er kann aber die Gestaltungsfragen der geänderten Arbeitswelt nicht mehr angemessen beantworten. Technologische Möglichkeiten werden bewusst genutzt, um arbeits-, sozial- und steuerrechtliche Lücken auszunutzen. Da das Arbeitsrecht die Unterlegenheit des Arbeitnehmers/der ArbeitnehmerIn gegenüber dem Arbeitgeber durch die Gewährleistung von rechtlichen Mindeststandards ausgleichen soll, muss der Gesetzgeber in vielen Bereichen tätig werden.

  • Alle Menschen, die ihre Arbeitskraft in wirtschaftlicher Abhängigkeit zu einem oder wenigen Auftraggebern verkaufen, sollen in den Schutz arbeits- und sozialrechtlicher Schutzbestimmungen fallen.
  • Verstärkter Kampf gegen Flucht aus dem Arbeitsrecht.
  • Arbeitszeit: Zeitautonomie, Planbarkeit, Arbeitszeitverkürzung.
  • Bessere Absicherung z. B. bei mobiler Arbeit, gesetzliche Regelungen bei Nutzung neuer Technologien, z. B. Virtual-Reality-Brillen.

GUTE EINKOMMEN

Kollektivverträge sind die Grundlage für einheitliche Arbeitsbedingungen und gute Entlohnung. Materieller Wohlstand ist nach wie vor ein ganz zentrales Ziel der Wirtschaftspolitik, aber er gilt nicht mehr als das einzige Ziel des Wirtschaftens. Einkommen und Wohlstand sollen auch dann gesichert sein, wenn widrige Umstände Menschen daran hindern, für sich selbst zu sorgen.

  • Kollektivvertrag für alle. Kollektivverträge als Grundlage einheitlicher Arbeitsbedingungen aller Dienstverhältnisse.
  • Kollektivvertraglicher Mindestlohn von 1.700 Euro.
  • Gleicher Lohn, gleiche Chancen für Frauen und Männer.

DEMOKRATIE UND MITBESTIMMUNG

Der ÖGB will eine pluralistische Gesellschaft, in der die ArbeitnehmerInnen einen besonderen Stellenwert haben, in der Friede, Demokratie, soziale Gerechtigkeit sowie Chancengerechtigkeit und Gleichbehandlung der Geschlechter herrschen. Der ÖGB kämpft für eine Gesellschaft, in der Faschismus und Rassismus keinen Platz haben.

  • Kein Ausschluss aus der Demokratie – Teilhabe auch für Menschen ohne Internetzugang und -kenntnisse.
  • Wer von Industrie 4.0 spricht, muss auch von Mitbestimmung 4.0 sprechen.
  • Betriebliche Mitbestimmung stärken – Betriebsbegriff an die Herausforderungen der digitalen Wirtschaft anpassen.
  • Verbesserungen für Betriebsräte.
  • Bessere Durchsetzbarkeit der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats.

WIRTSCHAFT ANKURBELN, ARBEIT SCHAFFEN UND VERTEILEN

Digitalisierung und der damit verbundene steigende Bedarf an IT-Berufen eröffnen gute Beschäftigungschancen für Frauen, ihr Beschäftigtenanteil liegt aber erst bei 10 Prozent. Das bisherige Aus- und Weiterbildungssystem erzeugt und verfestigt Ungleichheiten und ist daher ungerecht und ineffizient, weil Chancen verbaut und (Human-)Ressourcen vergeudet werden.
Tendenziell geht der strukturelle Wandel zu Lasten von Menschen mit geringqualifizierten Berufen. Je mehr Routinetätigkeiten, desto höher die Gefahr, dass diese Tätigkeiten ersetzt werden. Von dieser Entwicklung sind aber nicht nur manuelle Routinetätigkeiten betroffen, sondern auch kognitive Routinetätigkeiten. Es müssen aktiv Maßnahmen gesetzt werden, um Menschen in Beschäftigung zu halten.

  • Bildungsoffensive 4.0 – digitale Kompetenzen müssen zu einem integralen Bestandteil der Basisbildung und spezifischen Berufsaus- und -weiterbildung gemacht werden.
  • Damit Frauen, ebenso wie Männer, vom zunehmenden Einsatz digitaler Technologien in der Arbeitswelt profitieren können, müssen frauendominierte Branchen ins Blickfeld der Analyse rücken.
  • In Branchen, in denen Frauen nach wie vor unterrepräsentiert sind, wie z. B. in den MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik), müssen Mädchen und Frauen auf allen Ausbildungsebenen stärker gefördert und bessere Jobchancen für Frauen in diesen Berufen geschaffen werden.

SOZIALE ABSICHERUNG - WOHLFAHRTSSTAAT NACHHALTIG SICHERN UND FINANZIEREN

Der Sozialstaat hat vielfältige gesellschaftspolitische Funktionen: Er schützt die Bevölkerung vor den finanziellen Folgen sozialer Risiken (Krankheit, Invalidität, Alter) und gleicht soziale Benachteiligungen aus. Die Sozialversicherung ist ein wesentliches Kernelement des österreichischen Wohlfahrtstaats. Im Sinne einer zukünftigen Versorgung darf es daher keine unüberlegten Eingriffe in das System geben, die zu Lasten der Versicherten gehen.
Der soziale Wandel (z. B. Individualisierung) und der technische Fortschritt bringen zunehmend „flexible“ und unsichere Erwerbsformen mit sich, denen voller Sozialschutz fehlt. Die Bekämpfung von Armut ist daher eine der wichtigsten Aufgaben des Sozialstaates.
Behauptungen, dass der Sozialstaat in Zukunft nicht mehr finanzierbar ist, entbehren jeder Grundlage. Wenn auf politischer Ebene Bereitschaft besteht, den Sozialstaat nachhaltig zu erhalten, ist auch seine Finanzierung sichergestellt.

  • Soziales Fortschrittsprotokoll für die EU: Vorrang der sozialen Grundrechte vor den wirtschaftlichen Freiheiten.
  • Faire Mobilität sicherstellen – für Unternehmen und ArbeitnehmerInnen. Mit einem umfassenden ArbeitnehmerInnenschutzpaket die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping effektiv vorantreiben.
  • Steuerstrukturreform.
  • Steuergestaltung beschränken, Steuerbetrug bekämpfen.
  • Gewinne sind dort zu besteuern, wo die wirtschaftlichen Aktivitäten stattfinden und Werte geschaffen werden.
  • Umbasierung des FLAF in Richtung Wertschöpfungsabgabe.