Klima
Klimawandel: Wenn sich die Industrie aus der Verantwortung stiehlt
oegb.at hat mit dem Soziologen Simon Schaupp über den Zusammenhang von Arbeitswelt und Klimawandel gesprochen
Dass es gerade der Mineralölkonzern BP war, der den „Ökologischen Fußabdruck” weltweit bekannt machte, sei kein Zufall, betont Simon Schaupp in seinem neuen Buch „Stoffwechselpolitik”. Es handle sich dabei um einen – durchaus erfolgreichen – Versuch, den Konsument:innen die Schuld am Klimawandel zuzuschieben und die Konzerne aus der Verantwortung zu nehmen. Um der Klimakrise etwas entgegensetzen zu können, müssten wir aber genau die Produktion ins Visier nehmen – und nicht nur die Konsument:innen.
Wer ist vorwiegend Verursacher des Klimawandels?
Schaupp: Jedenfalls nicht die Konsument:innen allein. Zu glauben, dass jede CO2-Emission auf einen individuellen Konsumakt zurückgeführt werden kann, ist eine sachlich falsche Theorie. Und sie verschleiert den Hauptteil, der politisch relevant ist für die Umweltpolitik, nämlich die Produktion. Das wird ausgeblendet. Und das ist kein Zufall, sondern ein Projekt der fossilen Industrie, allen voran British Petroleum (BP), die diesen CO2-Fußabdruck unterstützten, weil das Konzept die gesamte Produktionsseite aus der Verantwortung nimmt und die politische Diskussion weg von der Regulierung und hin zu „die Konsument:innen tragen Selbstverantwortung” lenkt.
Was steckt dahinter?
Klassische neoliberale Umweltpolitik, die den Konsument:innen die Schuld in die Schuhe schiebt. Nach dem Motto: Wenn ihr weniger konsumiert, dann schaffen wir das mit dem Klima. Dabei werden umweltschädliche Praktiken nicht durch nachhaltige Praktiken ersetzt, sondern sie werden so verknappt, dass sie nur noch die Reichen machen können. Das ist hochproblematisch, weil es dann darauf hinausläuft, die ökologischen Kosten denjenigen aufzubürden, die sowieso schon am wenigsten haben. Ein prominentes Beispiel ist die Ökosteuer auf Benzin in Frankreich: Es hat genau diejenigen getroffen, die am wenigsten hatten, während die Reichen nichts dazu beigetragen haben. Entsprechend hat das Vorhaben dann die Gelbwestenproteste hervorgerufen.
Was können Arbeitnehmer:innen beitragen, um das Klima zu schützen?
Wir haben Einfluss auf unsere Arbeit, beispielsweise indem wir sie niederlegen, sprich streiken. Eine Arbeitszeitverkürzung ist eine Forderung, die alle verstehen. Wenn Arbeitnehmer:innen viel arbeiten müssen, werden sie dadurch auch anfälliger für Stress und Krankheiten. Um das auszugleichen, verfallen Menschen in einen so genannten Defensivkonsum, wie beispielsweise Wellness-Pakete. Oder, wenn man keine Zeit hat zu kochen, schiebt man sich eine Tiefkühlpizza in den Ofen, was auch ungesund ist. All das ist auch klimaschädlich. Lösen könnte man das mit der 4-Tage-Woche und man würde sich daneben auch die Arbeitswege und den Transport sparen.
Kann das Homeoffice oder Hitzefrei dabei helfen, umweltschonender zu werden?
Das wird zwar als Hoffnungsträger gesehen, aber wir sehen keinen großen Rückgang der Pendeldistanzen. Viele Arbeitnehmer:innen kombinieren das Pendeln und zuhause bleiben. Durch das Homeoffice kann die Arbeit auch intensiviert werden und dadurch steigt die Belastung. Insgesamt ist der ökologische Effekt von Arbeitszeitverkürzung weit größer als der von Homeoffice.
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Wie kann man Arbeitnehmer:innen für das Thema Klimapolitik gewinnen?
Eine konkrete politische Forderung kann viel mehr helfen als abstrakte Zahlen über das Klima. Erreichen kann man Arbeitnehmer:innen insofern gut, weil sie zusammen mit Menschen, die wenig Geld zur Verfügung haben, selbst dem größten Risiko ausgesetzt sind: etwa bei krebserregenden Materialien. Ein gutes Beispiel sind Bauarbeiter:innen, die selbst am stärksten vom Klimawandel betroffen sind und daher oft ein „verkörpertes Umweltbewusstsein” entwickeln.
In einem Gespräch haben Sie gesagt, Gewerkschaften könnten hierbei als transformative Akteure handeln.
Damit meine ich, wenn das allgemeine Menschheitsinteresse stärker in den Vordergrund rückt, und nicht nur der Kampf für das eigene Klientel und man zum Beispiel bei der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung auch klar macht, dass es gut ist für den Planeten, dann könnten beispielsweise Tarifverhandlungen mehr gesellschaftliche Legitimität gewinnen.
Just Transition, also gerechter Wandel für alle – wie bewerten Sie dieses Konzept?
Das ist sehr kompatibel mit meiner Perspektive: Neben einer Arbeitszeitverkürzung brauchen wir auch eine Umverteilung von Arbeit – hin zu jenen Branchen, die in der ökologischen Krise wichtiger werden. Zum Beispiel nachhaltige Landwirtschaft, aber auch verschiedene Tätigkeiten im Gesundheits- und Sozialbereich. Es sind massive Investitionen erforderlich, um privaten Überkonsum durch öffentlichen Luxus zu ersetzen, also etwa zuverlässiger und möglichst günstiger öffentlicher Verkehr, grüne Parks und schöne Schwimmbäder. Wenn Bedürfnisse wie Erholung und Mobilität nicht mehr nur privat, sondern vor allem mit hervorragend ausgebauten öffentlichen Infrastrukturen befriedigt werden, schont das den Ressourcenverbrauch enorm.