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Gendermedizin bzw. die stärkere Berücksichtigung geschlechtssensibler Unterschiede wäre einer der Bausteine, um für mehr gesundheitliche Chancengleichheit zu sorgen.. Flamingo Images – stock.adobe.com

Frauengesundheit

Gendermedizin rettet Leben

Frauen sind anders krank als Männer: Dieser Faktor wird in der Gesundheitsbehandlung noch immer nicht ausreichend berücksichtigt und hat lebensbedrohliche Folgen

Frauen leben zwar länger als Männer, dafür aber um 25 Prozent an Lebensjahren länger in schlechter Gesundheit. Die häufigste Todesursache von Frauen ist mit 32 Prozent der Herzinfarkt, obwohl diese nach wie vor als typisch männlich gelten. „Gründe dafür sind jahrelange Mehrfachbelastung durch Care-Arbeit und Erwerbsarbeit verbunden mit hohem Stress. Außerdem werden Diagnosen oft verspätet gestellt, denn Frauen weisen häufig andere Symptome als Männer auf“, erklärt ÖGB-Gesundheitsexpertin Claudia Neumayer-Stickler.  Auf Platz 2 folgen mit 21 Prozent Krebserkrankungen.

Laut Österreichischem Frauengesundheitsbericht 2022 hat sich die Zahl der Patientinnen mit Schwangerschaftsdiabetes seit 2010 verdoppelt – eine drastische Zunahme, die bei zumindest 30 Prozent durch Adipositas bedingt ist. Die Verbreitung von Adipositas ist außerdem mitverantwortlich, dass bei Frauen auch Typ-2-Diabetes in jüngerem Lebensalter zunimmt und dass sie von Herz-Kreislauf-Komplikationen überproportional betroffen sind. Das gilt auch für Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems und der Psyche: Arthrose, Osteoporose und rheumatoide Arthritis kommen bei Frauen im Vergleich zu Männern besonders häufig vor; das Risiko, im Lauf des Lebens an einer Depression zu erkranken, ist bei Frauen zwei- bis dreimal so hoch wie bei Männern.

Mit Hilfe von Gendermedizin, die den Faktor Geschlecht berücksichtigt, könnte erfolgreich gegengesteuert und sogar Leben gerettet werden. „Gleichzeitig wäre Gendermedizin bzw. die stärkere Berücksichtigung geschlechtssensibler Unterschiede einer der Bausteine, um für mehr gesundheitliche Chancengleichheit zu sorgen“, betont die ÖGB-Gesundheitsexpertin.  

Frauen sind anders krank als Männer 

Wie die medizinische Uni Wien betont, leiden Frauen auch stärker unter Autoimmunerkrankungen, die Symptome eines Herzinfarktes unterscheiden sich von jenen der Männer, Medikamentenentwicklung und -dosierung sind bzw. waren lange Zeit nur auf den männlichen Körper ausgerichtet, obwohl sie im weiblichen Körper oft anders wirken. Es kommt zu Falschdiagnosen und verspäteter Behandlung, weil auch Ärzte und Ärztinnen nicht darauf geschult und sensibilisiert sind. Dadurch kommt es viel zu oft zu einem verfrühten Tod. Eine Studie aus Dänemark über einen Zeitraum von 21 Jahren zeigte, dass Frauen im Fall von mehr als 700 Krankheiten später eine Diagnose erhalten als Männer. Bei Diabetes z. B. beträgt die Verzögerung viereinhalb Jahre. 

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„Diese Nachteile und Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung für Frauen zeigt auch der Frauengesundheitsbericht 2022 ganz klar auf“, ergänzt ÖGB-Frauenvorsitzende und Vizepräsidentin Korinna Schumann. „Die Politik ist hier gefordert, geeignete Maßnahmen zu setzen, um Frauenleben zu retten. Denn Gesundheit darf weder eine Frage des Geldes noch des Geschlechtes sein“, betont die Gewerkschafterin.   

Gendermedizin verbessert Gesundheitsbehandlung 

Was ist Gender Medizin – Definition

Gender Medizin befasst sich damit, wie sich Geschlecht bzw. Gender auf Gesundheit, Erkrankungen, Forschung, Therapien und Prävention auswirkt. Sie hat den Anspruch, gänzlich inklusiv zu sein und alle Menschen miteinzubeziehen. Denn Frauen und Männer zeigen bei Krankheiten oft unterschiedliche Symptome und Medikamente wirken anders. Eine bessere Kenntnis darüber verbessert die Gesundheitsversorgung und medizinische Leistung für alle Menschen.

„Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu erforschen und die Ergebnisse gezielt einzusetzen, ist Ziel der Gendermedizin und muss dringend vorangetrieben werden“, fordert Schumann. Angefangen in der Forschung, bei der Medikamentenentwicklung bis hin zur Lehre an den Medizinuniversitäten und Pflegeausbildungen und schlussendlich bei Behandlung und Diagnosefindung. „Ärztinnen und Ärzte aber auch das Pflegepersonal müssen über Gendermedizin geschult werden, um auf die Unterschiede besser reagieren zu können“, so Schumann, denn Gendermedizin helfe nicht nur Frauen, sondern allen in unserer Gesellschaft.  

ÖGB fordert Modellregionen für Gendermedizin 

Die ungleichen Machtverhältnisse in der Gesellschaft wirken sich auch im Gesundheitsbereich aus. Damit es zu Chancengleichheit kommt und sich die Frauengesundheit verbessert, fordern die ÖGB-Frauen unter anderem die Forcierung von genderspezifischen Forschungsschwerpunkten, die Entwicklung von genderspezifischen Gesundheitsvorsorge- und Präventionsprogrammen und die Schaffung von weiteren Modellregionen „Gendermedizin“ analog zum Erfolgsmodell in Kärnten.  

Das Maßnahmenpaket der Modellregion „Gendermedizin“ fußt auf drei Säulen: Zum einen auf der Ausbildungsschiene für Ärzte und Ärztinnen, aber auch für Pflegeberufe, zum anderen auf der Fort- und Weiterbildung und drittens auf der Sensibilisierung der Bevölkerung. Eine „ehrgeizige und einzigartige Initiative“ wie sie auch Gendermedizinerin Miriam Hufgrad-Leitner von der MedUni Wien bezeichnet, die die Entwicklung der Modellregion in Kärnten miterlebt hat.  

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Weitere Forderungen der ÖGB-Frauen zur Verbesserung der Frauengesundheit: 

  • Kostenfreier Zugang zu Monatshygieneartikeln und Verhütungsmitteln in öffentlichen Gebäuden, Schulen, Jugendzentren, Universitäten, Einsatz sensibilisierender Maßnahmen und Schaffung von Angeboten zur Wissensvermittlung über die unterschiedlichen Phasen im Lebenszyklus einer Frau (wie beispielsweise Menstruation oder Menopause).  
  • Verankerung des Rechts auf kostenfreien Zugang zu reproduktionsmedizinischen Angeboten zur Wahrung der Selbstbestimmung über den eigenen Körper.  
  • Weiterentwicklung des Gesamtvertrags zwischen Krankenversicherungsträgern und Ärztekammer z. B. in Hinblick auf gynäkologische Innovationen in der Untersuchungspraxis. 
  • Auch im Arbeitnehmer:innenschutz braucht es einen Gender-Schwerpunkt: Gerade psychische und physische Belastungen in frauendominierten Berufen finden immer noch zu wenig Beachtung.