Pflege
200.000 Pflegekräfte bis 2050: So können wir es schaffen
Die Personalnot wird immer größer. Solange die Arbeitsbedingungen nicht besser werden, verpufft die Wirkung von kurzfristigen Maßnahmen
Jede und jeden von uns kann es mal betreffen. Unsere Gesellschaft wird immer älter, der Trend deutet also auf mehr Bedarf, nicht weniger. Bei unveränderten Rahmenbedingungen werden vermutlich zwei Drittel der Österreicher:innen einmal eine nahestehende Person pflegen oder betreuen müssen. Man möchte meinen, dass die Politik das Thema dementsprechend ernst nimmt, aber Fehlanzeige: Es gibt immer noch kein nachhaltiges Konzept dafür, wie man bis die über 200.000 Pflegekräfte aufstellen kann, die bis 2050 gebraucht werden:
In der EU beginnt nun das Feilschen um Pflegekräfte aus dem EU-Ausland, aber bevor wir auf andere Arbeitsmärkte zugreifen, müssen die Probleme im Inland ernst genommen werden.
Es ist fünf nach zwölf
Die Pflegekräfte in Österreich werden seit Jahren hingehalten. Erst beklatscht man sie als Held:innen, um sie ganz schnell wieder zu vergessen. Schon lange ist klar, dass die Bezahlung und vor allem die schlechten Arbeitsbedingungen viele aus der Branche flüchten lassen. Die Pflegereform hat zwar ein paar Verbesserungen setzen können, aber eine systemische Reform, die die heimische Pflege nachhaltig absichert, fehlt bis heute.
Ins Burn-out gepflegt
Fakt ist, dass das Pflegepersonal zu stark belastet wird. Die Kapazitäten der mobilen Dienste, der Langzeitbetreuung, der Tagesbetreuung oder alternativen Wohnformen müssen ausgebaut werden. Dazu braucht es noch eine echte und leichter erreichbare Entlastungswoche für Pflegekräfte ab dem 43. Lebensjahr. Der hektische Pflegealltag muss planbarer für Dienstnehmer:innen werden, mit mehr Verbindlichkeit und mehr Mitbestimmung.
Der Notstand in der Pflege hat sich seit der COVID-Pandemie nur verschlechtert, da viele Arbeitnehmer:innen ausbrannten und den Job verlassen haben. Die gesellschaftliche Wertschätzung der Pflege äußert sich leider zu selten in der Wertschätzung am Arbeitsplatz. Beides muss sich ändern, wenn man Menschen im Beruf halten möchte und das wird die Politik müssen, denn: Der Bedarf von 200.000 neuen Pflegekräften ist unter der Bedingungen berechnet worden, dass es keine großen Austrittsbewegungen oder Fluktuationen gibt.
Pflege ist ein Knochenjob
Es herrscht das Vorurteil, dass Pflegeberufe leicht auszuüben sind und deswegen kein höheres Gehalt verdienen. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Pflege und Betreuung ist ein beinharter Knochenjob. Betreuer:innen und Pfleger:innen müssen oft Klient:innen, die viel schwerer sind als sie selbst, unter anderem heben, stützen und teilweise sogar tragen. Dazukommt die seelische Belastung, die permanent Teil des Jobs ist. Die rechtliche Anerkennung als Schwerarbeit wäre ein wichtiger Schritt, um die Belastung zu würdigen.
Ein Pflegebonus hier und eine kleine Reform da werden aber nicht kitten, was hier falsch läuft. Es braucht eine nachhaltige öffentliche Finanzierung, attraktive, finanziell abgesicherte Ausbildungen, eindeutig verbesserte Arbeitsbedingungen und ein Umdenken in Bezug auf die Wertschätzung der Pflege- und Betreuungsberufe in der Gesellschaft. Denn wenn sich hier nichts bessert, werden wir auch die teuer aus dem Ausland angeworbenen Pflegekräfte nicht halten können.