Rückblick 2022
2022: Krisenjahr mit Lichtblicken
Das Jahr 2022 war geprägt von der Corona-Pandemie, dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der Inflation und Preisexplosionen bei den Dingen des täglichen Bedarfs. Dazwischen gab es aber auch immer wieder positive Highlights. Ein Rückblick
Steuerreform wurde vorgezogen
Nach unseren Analysen gehen drei Viertel der Entlastung an die 3.000 gewinnstärksten Betriebe des Landes.
Die im Jahr 2021 beschlossene Senkung der Tarifstufen bei der Lohn- und Einkommenssteuer war für die Jahresmitte 2022 geplant. Auf Druck von AK und ÖGB wurde sie auf den Jahresbeginn 2022 vorgezogen. Damit klingelte es schon früher im Börserl der ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen. Trotz der Freude darüber, ist die Kritik an der Steuerreform geblieben.
AK-Präsidentin Renate Anderl und ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian fanden klare Worte: „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten die kalte Progression zurück, Unternehmen erhalten Steuergeschenke … Vermögende und große Konzerne tragen zu wenig zur Finanzierung des Sozialstaats bei, Arbeit ist nach wie vor zu hoch besteuert!“
Kurzarbeit: Probates Mittel gegen Arbeitslosigkeit
Vereinbarungen, in denen die 90 Prozent nicht fixiert sind, werden wir nicht unterschreiben. Dieses Ziel ist nun erreicht. Wir sind hartnäckig geblieben, weil Kurzarbeit natürlich Einkommenseinbußen für die Betroffenen bedeuten, die angesichts der Rekord-Inflation so knapp wie möglich gehalten werden müssen.
Im Jänner 2022 belegten Zahlen die Wichtigkeit der Kurzarbeitsregelungen. Seit Pandemiebeginn im März 2020 konnten 1,3 Millionen Arbeitsplätze erhalten bleiben. Aus der Corona-Kurzarbeit wurde im Februar 2022 das „Kriegs-Kurzarbeitsmodell“. Russlands griff die Ukraine an und dies führte unter anderem zu Lieferengpässen und einem Anstieg der Energiepreise.
Im Juli 2022 wurde das Kurzarbeitsmodell verlängert und auf Druck von ÖGB und AK auch verbessert, so erhalten Betroffene nun 90 Prozent ihres letzten Gehalts oder Lohnes. Ebenfalls verlängert wurde die Antragsfrist für den Langzeit-Kurzarbeitsbonus, nämlich bis 30. Juni 2023. Die Einmalzahlung von 500 Euro für jene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die infolge der Pandemie im Dezember 2021 seit mindestens zehn Monaten in Kurzarbeit waren, wurde Ende vergangenen Jahres vom Nationalrat beschlossen.
Wir freuen uns, dass AMS und Arbeitsministerium unsere Initiative aufgreifen und die von uns geforderte Umweltstiftung nun starten kann.
Ausbildungen im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit
Im April 2022 zahlte sich die Hartnäckigkeit des ÖGB aus, die von der öffentlichen Hand finanzierte Umweltstiftung nahm ihre Arbeit auf. In den nächsten drei Jahren werden 1000 Arbeitslose in wachsenden Branchen im Umwelt- und Umwelttechnologiesektor ausgebildet. Mit zehn Millionen Euro werden die Qualifizierung, die Weiterbildung und das Coaching der StiftungsteilnehmerInnen finanziert und damit auch die Ausbildungskosten für Betriebe reduziert.
Pflege: Forderungen teilweise umgesetzt
Pflegedemonstration am Tag der Pflege (12.Mai 2022)
Gewerkschaften und ÖGB kämpften schon lange vor der Corona-Pandemie für eine Pflegereform. Ausgerechnet am 12. Mai, dem Tag der Pflege, und dem Tag einer großen Demonstration der Beschäftigten im Pflegebereich, wurde sie präsentiert. Zahlreiche Forderungen wurden umgesetzt, wie etwa der monatliche Gehaltsbonus für Beschäftigte für die nächsten zwei Jahre und das Ausbildungsgeld.
Aber vieles, das angekündigt wurde, ist nach wie vor nicht umgesetzt. Wie etwa die zum Urlaub zusätzliche Entlastungswoche für alle ab dem 43. Lebensjahr. Offen geblieben sind vor allem Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen.
Ukraine: Soforthilfe des ÖGB
Im Februar 2022 überfiel Russland die Ukraine. Seither hören und lesen wir täglich von hunderttausenden Geflüchteten, zahllosen Toten und einem zerstörten Land. Die Antwort der EU und der USA waren sofortige Sanktionen. Der ÖGB organisierte mit der Unterstützung des Europäischen Gewerkschaftsbundes und anderer Gewerkschaftsverbände sofort Hilfstransporte in die Ukraine. Betriebsratskörperschaften und Lehrlinge sammelten Spenden.
Der ÖGB verurteilt Russlands Invasion in der Ukraine auf das Schärfste. Dieser Verstoß gegen das Völkerrecht bringt unsägliches Leid über die Menschen. Wir stehen seit Beginn der Kämpfe in Kontakt mit VertreterInnen der ukrainischen Gewerkschaften, ihre Schilderungen unterstreichen die Dramatik der Entwicklungen.
Der Krieg wirkt sich auch auf die heimische Wirtschaft aus, es kommt zu Lieferengpässen und die Energiepreise schnellten in die Höhe. ArbeitnehmerInnen spüren neben der Inflation auch Spekulation und Preistreiberei. Die Antwort der Gewerkschaften waren Forderungen nach hohen Lohn- und Gehaltserhöhungen in den Kollektivverträgen.
Risikogruppen: Mehrmalige Verlängerung erkämpft
Schon im Jahr 2021 musste die Verlängerung der Freistellungsregelung für Beschäftigte, die einer Risikogruppe angehören, erkämpft werden, so auch im Jahr 2022. Trotz des Erfolges gibt es ein großes Manko: Seit dem Auslaufen der ursprünglichen Regelung im Juni 2022 gibt es keine Sonderregelung für Schwangere in körpernahen Berufen mehr.
Wir fordern, dass die vom ÖGB durchgesetzte Sonderbetreuungszeit, die mit Beginn der Sommerferien ausgelaufen ist, wieder eingeführt wird. Mit der neuen Verordnung und dem Quarantäne-Aus brauche es auf jeden Fall wieder den Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit. Ohne diesen Rechtsanspruch, um Kinder daheim betreuen zu können, werden vor allem Arbeitnehmerinnen sonst wieder zu Bittstellerinnen. Die Bundesregierung muss Lösungen schaffen und nicht erst suchen.
Sonderbetreuung: Oftmals verlängert
Wie schon im Jahr 2021 ließ die Regierung die Regelungen der Sonderbetreuungszeit mehrmals auslaufen und führte sie auf Druck der Gewerkschaftsfrauen dann wieder ein. Bis 7. Juli 2023 gilt die Phase 7 der Sonderbetreuungszeit. Damit können Kinder von ArbeitnehmerInnen oder Menschen mit Behinderungen im Falle einer Coronaerkrankung oder einer behördlichen Schließung von Kindergarten oder Schule von der Arbeit freigestellt werden.
Hitze und Kälte: Die App für Beschäftigte am Bau
Mitten in der Julihitze stellte die Gewerkschaft Bau-Holz gemeinsam mit der AK und Global 2000 die Hitze-App mitten auf einer Baustelle vor. Diese übermittelt nach Daten der ZAMG Warnsignale sobald die 32,5 Grad Celsius erreicht sind, ab denen auf Baustellen mit Einverständnis des/der ArbeitgeberIn hitzefrei gegeben werden kann. Auch für den Winter ist vorgesorgt, die App meldet bei minus zehn Grad Kälte eine Warnung. Bei Anwendung der Hitzeregelung gibt es eine Entgeltfortzahlung von 60 Prozent für die ArbeiterInnen. Diese 60 Prozent plus 30 Prozent Lohnnebenkosten werden dem/der ArbeitgeberIn zur Gänze von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse refundiert.
Gefordert, erreicht: 120 statt 80 Euro Schulstarpaket
Der Schulbeginn stellt viele Familien vor finanzielle Herausforderungen. Seit dem Schuljahr 2015/2016 werden einkommensschwachen Haushalten Schulstartpakete zur Verfügung gestellt. Eine gute Aktion. Nur sollte ausgerechnet im Jahr mit hoher Inflation der Wert des Schulstartpakets von 100 auf 80 Euro gekürzt werden. Die ÖGB-Frauen nahmen dies nicht hin und forderten stattdessen eine Erhöhung. Sie waren erfolgreich. Die Haushalte erhalten nun statt den angekündigten 80 120 Euro.
Erhöhung der Bundesjugendförderung um 20 Prozent
Die Bundesjugendförderung gibt es seit 21 Jahren. Im Budget für das Jahr 2023 sind statt den bisherigen rund sechs 8,4 Millionen Euro vorgesehen. Das bedeutet eine Erhöhung von etwa 20 Prozent. Dies bedeutet auch Erhöhungen für Basis- und Projektförderungen. Über letztere werden insbesondere Bildungsveranstaltung für Lehrlinge abgerechnet werden.
Mehr Geld für Grundwehr- und Zivildiener
Erstmals nach zehn Jahren wird die Grundvergütung für Grundwehr- und Zivildiener angehoben. Ab 1. Jänner 2023 beträgt die Vergütung statt knapp 363 500 Euro im Monat, eine Erhöhung von 38 Prozent.
Erhöhungen der Lehrlingseinkommen
Lehrlingseinkommen sind ein Teil des Kollektivvertrags. Die Teuerung macht auch vor den Lehrlingen nicht halt. Deshalb war es der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) besonders wichtig, dass die Einkommen der Lehrlinge entsprechend angehoben werden. Die ÖGJ war erfolgreich, die Lehrlingseinkommen wurden bis zu 12,5 Prozent angehoben.
Beim 37. Bundesjugendkonferenz im Mai 2022 wurden zahlreiche Anträge beschlossen, darunter auch, dass die Mindestlehrlingsentschädigung im 1. Lehrjahr auf 1.000 Euro angehoben wird. Kaum war dafür gestimmt geworden, demonstrierte die PRO-GE-Jugend dafür und war erfolgreich. Ab dem Jahr 2023 wird das Lehrlingseinkommen im 1. Lehrjahr etappenweise zuerst auf 1.000 und 2024 auf 1050 erhöht.
Die beschlossene Milliarde Euro ist in Wirklichkeit ein populistischer Rechentrick! Es ist keine gute Idee, die Beschäftigten in der Elementarpädagogik für dumm zu verkaufen! Die Bundesregierung hat von einer ‚Kindergarten-Milliarde‘ geredet – und die wollen wir auch haben!
Kinderbildung: Demos und Petitionen
Schon im vergangenen Jahr waren die ElementarpädagogInnen lautstark. Sie fordern mehr KollegInnen, bessere Arbeitsbedingungen und höhere Gehälter. Auch im Jahr 2022 wurden sie nicht leiser. Sie übergaben Petitionen, organisierten einen Fackelmarsch und „machten Wirbel“ in ganz Österreich. Auch wenn die großen Brocken noch nicht umgesetzt sind - wie ein einheitliches Bundesrahmengesetz, die Ausbildungsoffensive oder kleinere Gruppen in den Kinderbildungseinrichtungen - tut sich doch einiges.
In einzelnen Bundesländern wurden schon kleine Schritte gesetzt. Umso trauriger: Aus der auch geforderten Kindergartenmilliarde machte die Regierung ein Mogelpaket. Die Milliarde wird auf fünf Jahre aufgeteilt.
Die Regierung verharrt in Untätigkeit. Deshalb müssen wir unseren Forderungen Nachdruck verleihen. Es ist höchste Zeit, den Menschen zu helfen!
ÖGB kämpft gegen Kostenexplosion
Durch den Angriff Russlands auf die Ukraine kam es zu einer weltweiten Energiekrise, zu hoher Inflation und zu Preisexplosionen. Der ÖGB legte einen Forderungskatalog zur Abwendung der Krisen vor. Die Hauptforderungen: die Rücknahme und ein Aussetzen der Mieterhöhungen, das temporäre Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel sowie der Steuer auf Sprit und Öffitickets, eine Preisregulierung für Energie und Wärme für alle und die Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent Nettoersatzrate.
Diese Forderungen wurden von einer BetriebsrätInnen-Konferenz im Juni 2022 unterstützt, von rund 32.000 Teilnehmenden an der österreichweiten „Preise runter!“-Demonstration lauthals gefordert und bei der Aktionswoche im Oktober 2022 auf die Straße gebracht.
Die Regierung nahm einige Forderungen auf und setzte sie um, wie etwa die Inflationsanpassung bei fast allen Sozialleistungen, ausgenommen ist jedoch das Arbeitslosengeld.
Keine Angst, wir werden uns das Geld bei den Kollektivvertragsverhandlungen zurückholen.
2.000 Euro Mindestlohn gefordert
Die Inflation und die Preisexplosion fordern auch die VerhandlerInnen der Kollektivverträge heraus. Im September 2022 trafen sich 300 VerhandlerInnen und beschlossen von dem bisherigen Ziel von 1.700 Euro Kollektivvertragsmindestlohn abzugehen und 2.000 Euro zu fordern. Ein heißer Herbst war vorprogrammiert.
Globale Mindeststeuer
Vor einigen Jahren war es noch unvorstellbar, dass es eine globale Steuerreform geben könnte. Im Oktober 2021 war es dann aber so weit. 137 Länder und Gebiete einigten sich auf einen Mindeststeuersatz für Konzerne, die jährlich mehr als 750 Millionen Euro Gesamterträge erwirtschaften.
Im Dezember 2021 schlug die Europäische Kommission eine Richtlinie vor, laut der in der EU tätige Konzerne mit einem globalen effektiven Mindeststeuersatz von 15 Prozent besteuert werden. Am 12. Dezember 2022 verständigten sich die EU-Staaten auf die Umsetzung der Richtlinie.
Bis 2023 muss die Richtline in nationales Recht übertragen werden. Dann zahlen multinationale Konzerne in jenen Ländern Steuern, in denen sie ihre Erträge erwirtschaften.
ÖGB-Fachbuchhandlung gerettet
Im Dezember 2020 ereilte LeserInnen die Nachricht, dass die Fachbuchhandlung des ÖGB geschlossen werden soll. Es folgten ein Aufschrei und schließlich intensive Gespräche zwischen ÖGB-Verlag, Arbeiterkammer Wien, ÖGB und Gewerkschaften. Im August 2022 kam die gute Nachricht, dass der Weiterbestand durch ein neues Konzept und Kooperationspartnerschaften langfristig gesichert ist.
EU-weite Mindestlohnrichtlinie
Good news für Millionen von ArbeitnehmerInnen in Europa: Ihre Löhne könnten sich damit entscheidend verbessern.
Seit Oktober 2019 wird über die EU-Mindestlöhne verhandelt. Ziel war es, angemessene Mindestlöhne in der gesamten EU zu erreichen, das geschlechterspezifische Lohngefälle schneller zu beseitigen und gleiche Wettbewerbsbedingungen für den Binnenmarkt zu schaffen. Im Herbst 2022 trat die Richtlinie in Kraft. Die Umsetzung bedeutet Lohnerhöhungen für 24 Millionen unselbstständig Beschäftigte in der EU.
Der ÖGB hat sich für den EU-Mindestlohn eingesetzt, auch wenn sich in Österreich damit wegen der hohen Kollektivvertragsabdeckung nicht viel ändern würde, aber die Umsetzung der Richtlinie wird die Gefahr des Lohndumpings eindämmen, da in den Niedriglohnländern die Einkommen steigen werden.