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Wer Fachkräfte braucht, muss sie auch ausbilden! Rithor – stock.adobe.com

Arbeitsmarkt

Mythos Fachkräftebedarf oder was dem Arbeitsmarkt besser helfen würde als Populismus

ÖGB-Arbeitsmarktexpertin Sylvia Ledwinka erklärt, warum die häufigsten Zwischenrufe faktenbefreit sind und welche Maßnahmen wirklich Abhilfe schaffen würden

Dass sich der Arbeitsmarkt erfreulicherweise besser entwickelt als das nach der Corona-Pandemie zu erwarten war, bedeutet nicht, dass die Hände in den Schoß gelegt werden können. Statt struktureller Maßnahmen, um arbeitslose Menschen besser zu unterstützen und schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren, kommen von Politik und Wirtschaft aber immer öfter Klagen über den angeblichen Fachkräftemangel.

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Der Fachkräftemangel zieht sich durch alle Branchen.

„Wer Fachkräfte braucht, muss sie auch ausbilden! 10.000 Betriebe WENIGER als noch vor 10 Jahren bilden in Österreich Lehrlinge aus; das bedeutet ein Minus von 20.000 Lehrlingen innerhalb eines Jahrzehnts.

Und wer das Potenzial von Arbeitssuchenden über 50 nicht erkennt, und diesen Menschen keine Chance auf einen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt gibt, dem fehlen irgendwann die Fachkräfte.“

Es gibt in Österreich so viele offene Stellen wie nie zuvor.

„Ja und es gibt auch so viele Beschäftigte wie nie zuvor: 2022 waren es 4,44 Millionen, das sind um rund 360.000 Erwerbstätige mehr als im Jahr 2012. 

Und bleiben wir bitte bei der Wahrheit: Viele offene Stellen werden auf mehreren Jobplattformen ausgeschrieben, also auch mehrfach gezählt.“

Unternehmen können sich die Arbeitszeitverkürzung nicht leisten.

„Nicht nur Expert:innen, auch immer mehr Unternehmen setzen auf Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn. Der Vorteil – mehr Motivation, weniger Krankenstände und in einigen Betrieben auch mehr Output, also mehr Aufträge. Oder wie es AMS-Chef Johannes Kopf so treffend formuliert: „Sie (Anm.: die Betriebe) werden tanzen müssen!“ Schon originell, wenn jetzt die Gewerkschaft die Betriebe auf „Angebot und Nachfrage“ hinweisen muss.“

Ältere Menschen sollen in der Pension weiterarbeiten, um den Fachkräftebedarf lindern zu können.

„Populismus hilft auch hier nicht weiter. Fakt ist, gut 15 Prozent der Arbeitnehmer:innen gehen aus der Arbeitslosigkeit in Pension. Hier gibt es also ein ungenütztes Potenzial an Menschen, die augenscheinlich keine Chance mehr erhalten.

Für den ÖGB gilt: Wer länger arbeiten will, soll das auch tun können. Aber dabei soll eben auch nicht vergessen werden, dass körperlich fordernde Berufe, steigender Arbeitsdruck, die technische Entwicklung usw. das nicht ermöglichen.

In diesem Sinne ist auch die geplante Abschaffung der geblockten Altersteilzeit ein falsches Signal. Das richtige Stichwort: alternsgerechte Arbeitsplätze. Da ist noch viel Luft nach oben!“

Steuerbefreite Überstunden entschärfen den Fachkräftemangel.

„Es ist extrem kurzfristig gedacht, Fachkräfte noch länger arbeiten zu lassen. Österreichs Arbeitnehmer:innen sind mit 190 Millionen geleisteten Überstunden im Jahr 2021 bereits Überstunden-Weltmeister. Wer dauernd Überstunden macht, ist irgendwann erschöpft und die Gefahr, dann durch Krankheit länger auszufallen, ist deutlich höher, als wenn die Arbeitszeit verkürzt und auf mehrere Arbeitnehmer:innen aufgeteilt wird. Das schafft mehr Produktivität und vor allem auch gesundheitliche Zufriedenheit. Insgesamt würden noch mehr Überstunden daher also eher einen negativen Effekt haben.“

Viele Leute leben lieber vom Arbeitslosengeld als einer geregelten Arbeit nachzugehen.

„Das kann nur jemand behaupten, der noch nie mit Menschen geredet hat, die arbeitslos sind. NIEMAND will arbeitslos sein, denn das bedeutet binnen kürzester Zeit einen Rückzug aus dem Leben, das wir kennen. Man trifft kaum noch Freund:innen, weil Fragen, ob man schon einen neuen Job gefunden hat, unangenehm und kostspielige Unternehmungen oder Lokalbesuche schlicht nicht mehr leistbar sind. Gerade weil viele versuchen uns einzureden, dass Arbeitslose „immer selber schuld sind“. 

 

Menschen auf Arbeitssuche sind von der aktuellen Rekordinflation doppelt betroffen, deswegen fordert der ÖGB eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes von derzeit 55 Prozent auf 70 Prozent des letzten Nettolohns bzw -gehalts.

 

Und in Niederösterreich widerlegt ein aktuelles Projekt des AMS diese Behauptung. Im Bezirk Bruck an der Leitha wurde allen Langzeitarbeitslosen ein Jobangebot gemacht. Fakt ist: ALLE Betroffenen haben es angenommen. Weil sie wieder dazugehören und ihren Beitrag in der Gesellschaft leisten wollen. Weil sie selbst spüren, dass sie mit Arbeit wieder etwas wert sind. Das sind die Fakten, alles andere ist Populismus!“