Solidarität
Arbeiten bis zum Ausbrennen
Miriam musste funktionieren. Doch plötzlich war Schluss damit. Unter ständigem Leistungsdruck brannte sie aus. Hat sie versagt? Nein. Es liegt an den Arbeitgebern, für gesunde Arbeitsbedingungen zu sorgen, sodass ihre Beschäftigten nicht ausbrennen – denn in ungesunden Strukturen kann es jede:n treffen!
Miriam* arbeitete zehn Stunden am Tag, oft auch am Wochenende. Den ständigen Stress und die Überlastung durch die Arbeit bemerkte sie lange Zeit nicht. Urlaub nahm sie nur selten, und auch sonst hatte sie kaum Zeit für sich, für Hobbys, für Familie, Freundinnen und Freunde. Für Miriam war das normal.
Die 41-Jährige arbeitete gerne in dem Unternehmen mit rund 200 Beschäftigten, in dem sie für die Organisation von Projekten zuständig war. Dass sie unter chronischer Müdigkeit litt und ständig gereizt war, ignorierte sie, denn die Projekte mussten erledigt werden. Miriam musste funktionieren.
Mehr als 40 Prozent der Erwachsenen in Österreich weisen Anzeichen des Burn-out-Syndroms auf.
So verläuft ein Burn-out
Ein Burn-out verläuft in unterschiedlichen Stadien. Am Beginn dieser Entwicklung stehen Gefühle wie Unzufriedenheit, Resignation und Ärger. Später kommen Leistungsschwankungen und -störungen, Rückzug von den Kolleginnen bzw. Kollegen im Arbeitsbereich und den Menschen im privaten Umfeld sowie unvermutete Gefühlsausbrüche bei geringfügigen Anlässen hinzu. Die letzten Stadien sind Resignation, Depression, psychosomatische Störungen und Handlungsunfähigkeit bei der Arbeit.
Das tat sie auch, bis zu dem Tag, an dem sie morgens aufwachte, nicht aus dem Bett aufstehen und keinen klaren Gedanken fassen konnte. Alles drehte sich, ihr Herz raste, sie bekam keine Luft und dachte, sie müsste jeden Moment sterben: eine Panikattacke.
Leistungsdruck führt in die Einsamkeit
Das war der Anfang des Weges ins Burn-out. Nie im Leben hatte Miriam gedacht, dass es sie treffen könnte. Burn-out (engl. to burn out: „ausbrennen“) tritt bei andauernder geistiger Belastung auf. Die Symptome und wie es zur Diagnose kommt, sind bei jedem und jeder anders. Denn Burn-out ist keine klassische Krankheit, sondern die Folge von chronischem arbeitsbedingtem Stress, auf den Betroffene unterschiedlich reagieren. Dieser Stress und permanenter Leistungsdruck gehören in vielen Betrieben zur Unternehmenskultur. Kann dieser Stress nicht mehr abgebaut werden und hält dauerhaft an, kann der Job krank machen.
Mehr als 40 Prozent der Erwachsenen in Österreich weisen Anzeichen des Burn-out-Syndroms auf, heißt es in einer aktuellen Studie. Dauermüdigkeit, Konzentrationsstörungen oder eine starke Ablehnung gegenüber der eigenen beruflichen Tätigkeit sind ständige Begleiter. Betroffene sind außerdem emotional ausgelaugt und nicht mehr in der Lage, in sozialen Beziehungen Mitgefühl aufzubringen. Stattdessen ziehen sie sich zurück, um möglichen Belastungen aus dem Weg zu gehen. Das eigene Bedürfnis nach Erholung wird so lange ignoriert, bis die Pausen, die man sich zugesteht, soziale Pausen sind. Das führt zu noch mehr Vereinsamung.
Arbeiterkammern und Gewerkschaften fordern, Burn-out als Berufskrankheit anzuerkennen.
Überdies ist man durch die Erschöpfung antriebslos und kann im Beruf weniger leisten, wodurch persönliche Erfolgserlebnisse und die Verbundenheit zur Arbeit leiden. Dazu kommt die Scham, nicht mehr so zu funktionieren, wie es erwartet wird, oder ein schlechtes Gewissen, dass man die Kolleginnen und Kollegen im Stich lässt. Diese Gefühle überkamen auch Miriam, bis sie sich selbst eingestand, dass sie professionelle Hilfe benötigt.
Vorgesetzte haben Fürsorgepflicht
Anders als bei anderen Leiden entwickelt sich das Krankheitsbild schleichend. So war es auch bei Miriam. Anfangs fühlte sie sich wertgeschätzt, Verantwortung übertragen zu bekommen, sie liebte neue Aufgaben und Herausforderungen. Irgendwann wurde es aber zu viel, sie bat um Unterstützung und trotzdem reagierte ihr Vorgesetzter nicht. Ein grobes Fehlverhalten, denn rein rechtlich haben Arbeitgeber eine sogenannte Fürsorgepflicht und müssen Arbeitsabläufe so gestalten, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer:innen geschützt ist.
Entsprechende Angebote zur Stress- und Burn-out-Prophylaxe bietet das Chancen Nutzen Büro des ÖGB sowohl für einzelne Mitarbeiter:innen als auch für Abteilungen oder ganze Betriebe.
Arbeiterkammern und Gewerkschaften fordern daher schon lange, dass Burn-out als Berufskrankheit anerkannt wird. Sie setzen sich dafür ein, dass Betroffene eine umfassende Behandlung durch die Unfallversicherungsanstalt, zeitlich unbefristete medizinische, berufliche und soziale Rehabilitation oder finanzielle Entschädigungen bekommen. Bei Fragen, für Hilfe oder Unterstützung können sich Betroffene aber schon jetzt an die Arbeiterkammern in ihren Bundesländern wenden.
Übersicht über gratis Beratungsangebote
Grundsätzlich sollten die eigene Vertrauensärztin oder der eigene Vertrauensarzt die erste Ansprechperson sein. Im betrieblichen Kontext können dies auch Betriebsärztinnen bzw. -ärzte oder Arbeitspsychologinnen bzw. - psychologen sein.
Hier findest du einen Überblick über wichtige Anlaufstellen: www.oegb.at/burnout-was-tun
Stressbelastung rechtzeitig messen
Um Burn-out zu verhindern, ist es wichtig, Symptome und Risiken früh zu erkennen und gegenzusteuern: Betriebe mit zu wenig Ressourcen oder Personal sind oft anfällig dafür, dass dort unter Dauerstress gearbeitet wird. Wird zu viel in zu wenig Zeit verlangt, ist das auch in wirtschaftlich erfolgreichen Unternehmen ein Problem; allerdings gibt es dort mehr Möglichkeiten vorzubeugen, etwa durch neues Personal oder andere Ressourcen, mit denen die Arbeit vereinfacht bzw. reduziert werden kann. Sind die Ressourcen knapp, muss an anderen Schrauben gedreht werden, etwa an der Betriebskultur, am Stressmanagement oder am Führungsstil.
Entsprechende Angebote zur Stress- und Burn-out-Prophylaxe bietet hier das Chancen Nutzen Büro des ÖGB sowohl für einzelne Mitarbeiter:innen als auch für Abteilungen oder ganze Betriebe. In Seminaren wird einerseits aufgeklärt, wie sich erhöhter Stress auf die Gesundheit auswirkt und wie dieser verhindert werden kann. Andererseits kann mittels eigens entwickelter Tests die Stressbelastung gemessen werden oder ein Bild über das soziale Vermögen eines Unternehmens dargestellt werden. Eine weitere gute Nachricht ist, dass es auch im Rahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung einige Unterstützungsangebote gibt. Die Umsetzung von Projekten in der Betrieblichen Gesundheitsförderung wird auch durch die Österreichische Gesundheitskasse gefördert.