Kollektivvertrag
Strategie, Pokerface und gute Nerven
Hinter den Kulissen: Wie Kollektivvertragsverhandlungen ablaufen und wofür sich die Verhandler der „Herbstlohnrunde“ in diesem Jahr besonders starkmachen
Ein Pokerface und ein klares Ziel vor Augen: zwei Dinge, die unerlässlich sind, wenn es für die VertreterInnen der Gewerkschaften PRO-GE und GPA in die sogenannte „Herbstlohnrunde“ geht. Jedes Jahr verhandeln die besten StrategInnen unter ihnen den „Metaller“-Kollektivvertrag mit insgesamt sechs Arbeitgeberverbänden. Die Erwartungen an sie sind hoch, denn der Abschluss der Metallindustrie mit ihren 190.000 Beschäftigten ist richtungsweisend für viele weitere KV-Abschlüsse.
Wie zäh die Verhandlungen in diesem Jahr werden, ist noch offen. „Wir kämpfen unter dem Motto ‚Ein Danke wird nicht reichen‘ für ein deutliches Mehr im Geldbörsel der ArbeitnehmerInnen“, sind sich Rainer Wimmer von der Gewerkschaft PRO-GE und Karl Dürtscher von der Gewerkschaft GPA einig.
Geduld und ein klares Ziel vor Augen
Weil das gewerkschaftliche Verhandlungsteam bei den Metallern aus rund 80 BetriebsrätInnen besteht und daher nicht alle gleichzeitig verhandeln können, wird aus dem großen Team eine kleinere Gruppe ausgewählt. Dieses kleine Team weiß alles über die wirtschaftliche Situation und die Produktivität in der Branche und ist mit einem Forderungsprogramm ausgestattet. Zurückhaltung, so viel ist klar, ist in diesem Jahr nicht angebracht. „Die starke wirtschaftliche Entwicklung muss auch bei den ArbeitnehmerInnen ankommen, die diesen Aufschwung durch ihren Fleiß möglich machen“, so die beiden Gewerkschafter.
Die folgenden Stunden und manchmal auch Tage sind geprägt von Analysen und Abstimmungen und dem weiteren Verfeinern der Verhandlungsstrategie. Aber auch die Gegenseite verfolgt ihre Strategie, spielt möglicherweise auf Zeit und weiß, was sie will.
Mit Manövern den Druck erhöhen
Legt die Arbeitgeberseite im Laufe der Verhandlungen kein annehmbares Angebot vor, wird in der Branche über Kampfmaßnahmen beraten, um den Druck zu erhöhen. Das stärkste Mittel, um die gewerkschaftlichen Forderungen durchzusetzen, sind Warnstreiks und unbefristete Streiks. Doch irgendwann, nach vielen Verhandlungsrunden, strategischen Manövern oder auch Streiks, hat es in Österreich immer einen Abschluss gegeben.
Wird ein Kollektivvertrag abgeschlossen, ist alles weitere Formsache: Der neue Kollektivvertrag wird von beiden Seiten unterschrieben, beim Arbeitsministerium hinterlegt und im Amtsblatt der „Wiener Zeitung“ veröffentlicht. Das Pokerface kann einem entspannten Lächeln weichen.
Wie viele Kollektivverträge gibt es?
Die Gewerkschaften verhandeln jährlich rund 450 Kollektivverträge und sichern damit regelmäßige Lohn- und Gehaltserhöhungen. Aber auch Arbeitszeiten, Mindestlöhne, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Zulagen und vieles mehr sind im KV geregelt. Rund 98 Prozent der ArbeitnehmerInnen in Österreich sind durch Kollektivverträge abgesichert – weltweit ein Spitzenwert.
Wo finde ich meinen Kollektivvertrag?
Dein KV muss in deinem Dienstzettel ausgewiesen sein und in deinem Betrieb zur Einsichtnahme aufliegen. In gedruckter Form bekommst du ihn bei deiner Gewerkschaft oder beim Betriebsrat, zum Download findest du ihn auf www.kollektivvertrag.at.
Dieser Text wurde in der Solidarität abgedruckt.