ÖGB-Jahresrückblick 2022
2022: Proteste, Demonstrationen und Streiks
2022 demonstrierten und streikten Menschen für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Entgelt
Das Jahr 2022 war herausfordernd: Die Corona-Pandemie und die Auswirkungen des Aggressionskrieges Russlands gegen die Ukraine führten zu einer enormen Inflation und zu explodierenden Preisen. Den Menschen blieb immer weniger in der Geldtasche.
ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian kündigte bereits im April 2022 an: „Wir werden uns das Geld bei den Kollektivvertragsverhandlungen zurückholen“ und die BetriebsrätInnen, Beschäftigten und Gewerkschaften leisteten bei den Verhandlungen ganze Arbeit.
Im Frühjahr empörten sich Arbeitgeber noch über Lohn- und Gehaltsforderungen von sechs Prozent, im Herbst erkämpften die Gewerkschaften Einkommenserhöhungen von bis zu 17 Prozent und bis zu 24 Prozent bei den Lehrlingseinkommen. Dazu waren Betriebsrätekonferenzen, Betriebsversammlungen, Demonstrationen und Streiks notwendig.
Aber Österreichs ArbeitnehmerInnen gingen nicht nur wegen mehr Lohn auf die Straße, sondern auch um den Staat und die Länder aufzufordern, endlich etwas gegen die Missstände in der Pflege und in der Elementarpädagogik zu unternehmen.
Kollektivvertrag
Das Jahr 2022 war ein turbulentes Jahr: die Corona-Pandemie, die hohe Inflation und die damit einhergehende enorme Teuerung. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian kündigte bereits Anfang April 2022 an: „Wir werden uns das Geld bei den Kollektivvertragsverhandlungen zurückholen“. Die Gewerkschaften leisteten ganze Arbeit.
Eines der größten Gegenargumente der Arbeitgeber war die „Lohn-Preis-Spirale“, die es eigentlich gar nicht gibt. Der ÖGB und die Gewerkschaften kämpften für nachhaltige Lohn- und Gehaltserhöhungen und somit gegen die in fast allen Branchen angebotenen Einmalzahlungen.
Die Löhne und Gehälter stiegen im Herbst über die rollierende Inflation an und auch im Rahmenrecht wurde einiges erreicht. Aber nicht immer gelang dies am Verhandlungstisch. So brauchte es Betriebsrätekonferenzen, Betriebsversammlungen, Demonstrationen und Streiks.
Einen Überblick über die Kollektivvertragsverhandlungen gibt es unter: Frühjahrslohnrunde und Herbstlohnrunde.
Lederindustrie
Die Kollektivvertragsverhandlungen in der Lederindustrie stockten. Die Beschäftigten forderten endlich den kollektivvertraglichen Mindestlohn von 1.500 Euro. Die Arbeitgeber blockten aber ab. Also beschlossen die KollegInnen bei Betriebsversammlungen im Jahr 2021, im Jänner 2022 Warnstreiks abzuhalten. Das wirkte, in der siebenten Verhandlungsrunde gab es einen Abschluss.
Die Löhne werden etappenweise von derzeit 1.300 auf 1.500 Euro bis 31. Dezember 2022 angehoben.
Kreditwesen
Im Jahr 2022 brauchte es eine Betriebsrätekonferenz mit einer Resolution an die Bankenvorstände, Betriebsversammlungen, Zebrastreifenaktionen und die Androhung eines Warnstreiks, bis sich die BankenvertreterInnen und die Gewerkschaft gpa auf einen Abschluss einigen konnten.
Schließlich gab es für die rund 73.000 Angestellten Gehaltserhöhungen über der Inflationsrate und Verbesserungen im Rahmenrecht wie fünf Sonderfreizeittage zur Prüfungsvorbereitung pro Jahr für Lehrlinge, die Lehre mit Matura machen.
Frühjahrslohnrunde: Elektro- und Elektronikindustrie, Papierindustrie und Chemieindustrie
Die ersten beiden Verhandlungsrunden im Frühjahr 2022 für den Elektro- und Elektronikindustrie-Kollektivvertrag verliefen ergebnislos. Also machten die ArbeitnehmerInnen Druck. Am 25. April 2022 beschlossen rund 500 Teilnehmende an der Betriebsrätekonferenz, Ende April und Anfang Mai Betriebsversammlungen abzuhalten. Sollte dies immer noch nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis reichen, waren darüberhinausgehende gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen nicht ausgeschlossen. Schließlich gelang der zufriedenstellende Abschluss ohne Warnstreik.
Auch bei der Papierindustrie und der Chemieindustrie brauchte es am 7. April 2022 eine Betriebsrätekonferenz mit mehr als 320 Teilnehmenden und nachfolgenden Betriebsversammlungen, bis die Abschlüsse unterzeichnet werden konnten. Ein besonderer Erfolg in der Papierindustrie war, dass die Lehrlingseinkommen um durchschnittlich 13,8 Prozent angehoben wurden.
ErwachsenenbildnerInnen
Nachdem nach vier Verhandlungsrunden immer noch kein Ergebnis vorlag, organisierten die ArbeitnehmerInnen in der Erwachsenenbildung öffentliche Betriebsversammlungen unter dem Motto „Erwachsenenbildung ist mehr wert!“. Sie forderten die Anhebung der Kollektivvertrags- und Ist-Löhne deutlich über der Inflationsrate von 3,12 Prozent und die leichtere Erreichbarkeit der 6. Urlaubswoche. Sie waren erfolgreich, seit 1. Mai 2022 gilt der neue Kollektivvertrag und brachte Gehaltserhöhungen zwischen 3,4 und 4,2 Prozent, die 6. Urlaubswoche kann leichter erreicht werden und für Lehrlinge gibt es mehr Bildungsfreistellung für die Vorbereitung auf die Berufsmatura.
Sozialwirtschaft Österreich
„Wir halten nicht die Pappe(n)“ skandierten am 10. Mai 2022 die Beschäftigten der Betriebe der Sozialwirtschaft Österreich bei einer Demonstration. Sie forderten „Mehr Personal. Mehr Freizeit. Mehr Geld.“ Am 23. Juni 2022 gingen sie wieder auf die Straße. Das Motto war „Worte reichen nicht“, sie machten lautstark darauf aufmerksam, dass es jetzt an der Zeit ist „für mehr Kohle und gute Arbeitsbedingungen“. Denn die Beschäftigten in der Sozialwirtschaft sind „abgebrannt“. Deshalb forderten sie auch bei den Kollektivvertragsverhandlungen ein Einkommensplus von 15 Prozent.
Um für die kommenden Verhandlungen ordentlich Druck aufzubauen, fanden Betriebsversammlungen und Demonstrationen statt. Am 8. November 2022 gingen allein in Wien rund 3.000 Teilnehmende auf die Straße. In Klagenfurt sandten die Beschäftigten ein klares Zeichen mittels eines Lichtermeeres.
Es folgten Verhandlungsmarathons. Am 17. November 2022 einigten sich die Sozialpartner auf den Kollektivvertragsabschluss für rund 130.000 Beschäftigte. Vereinbart wurde eine Erhöhung um acht Prozent für alle, wobei die Gehälter monatlich mindestens um 175 Euro erhöht werden. Dadurch kommt die unterste Einkommensgruppe auf eine Gehaltserhöhung von 10,2 Prozent. Insgesamt profitiert fast ein Drittel der Beschäftigten vom Mindestbetrag und Teilzeitgehälter werden aliquot erhöht. Der Zuschlag für kurzfristiges Einspringen wurde um 20 Prozent erhöht und Lehrlinge erhalten fünf Tage Freistellung zur Vorbereitung auf die Lehrabschlussprüfungen.
Reinigungskräfte
Am 22. November 2022 putzten Reinigungskräfte in einer Schrubb-Aktion vor der Wiener Wirtschaftskammer. Die Kollektivvertragsverhandlungen stockten. Die Gewerkschaft vida fand das derzeitige Angebot der Arbeitgeber beschämend, denn „Inflation und Teuerung lassen sich nicht einfach wegschrubben“.
Nach einigen herausfordernden Verhandlungsrunden erreichte die Gewerkschaft vida einen Abschluss. Die Löhne erhöhen sich mit 1. Jänner 2023 um durchschnittlich 8,56 Prozent. In der Spitalsreinigung macht das Lohnplus samt Infektionszulage sogar 9,55 Prozent aus.
A1-Telekom
Eigentlich sollte es sich unter den Arbeitgebern schon herumgesprochen haben, dass ArbeitnehmerInnen auf ungenügende Angebote mit gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen reagieren. Als auch bei der fünften Verhandlungsrunde das Angebot der Arbeitgeber nur eine monatliche Teuerungsprämie von 200 Euro ab Jänner bis September 2023 enthielt, wurden österreichweite Betriebsversammlungen einberufen. Am 29. November 2022 fanden diese statt und die Beschäftigten beschlossenen einen einstündigen Warnstreik.
In der sechsten Runde einigten sich die Gewerkschaft Post- und Fernmeldebedienstete und der Vorstand der A1 Telekom auf einen Abschluss. Die Gehälter, Zulagen und Gehaltsansätze bei den Beamten werden um 7,3 Prozent erhöht. Zusätzlich erhalten die A1 Bediensteten einen Teuerungsbonus von 2.750 Euro netto. Niedrigere Gehälter profitieren davon überdurchschnittlich. Die Lehrlingseinkommen werden linear um 200 Euro brutto erhöht. Das entspricht einer Erhöhung im ersten Lehrjahr von knapp 24 Prozent.
MetallerInnen
Die Vorstellungen der Arbeitgeber einerseits und der Gewerkschaften PRO-GE und gpa andererseits lagen dieses Jahr besonders weit auseinander. Die ArbeitnehmerInnen forderten Lohn- und Gehaltserhöhungen von 10,6 Prozent. Der Fachverband der Metalltechnischen Industrie (FMTI) bot 4,1 Prozent plus für die Ist-Löhne und keine Erhöhung der kollektivvertraglichen Mindestlöhne an, er wollte auch über Verschlechterungen bei der Arbeitszeit und der Überstundenabgeltung verhandeln.
Gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen waren die einzige Antwort auf das Ansinnen. Nach Betriebsrätekonferenzen, Betriebsversammlungen, einer Kundgebung der PRO-GE-Jugend und einer Streikankündigung kam es dann doch zu einer Einigung.
Die Gewerkschaften erreichten die Erhöhung des Ist-Einkommens um bis zu 8,9 Prozent, kollektivvertragliche Löhne steigen um sieben Prozent und die Lehrlingseinkommen in drei Etappen bis November 2024 auf weit über 1.000 Euro.
EisenbahnerInnen
Die Gewerkschaft vida forderte wegen der hohen Inflation von den Arbeitgebern eine Sonderkollektivvertragsrunde. Bei Betriebsversammlungen informierte die vida die Beschäftigten über ihre Forderungen: 500 Euro für jede/n auf alle kollektivvertraglichen und Ist-Gehälter und 250 Euro für die Lehrlinge, valorisierbare Nebengebühren, die um die rollierende Inflation erhöht werden.
Die Verhandlungen stockten und so griffen die EisenbahnerInnen zu dem stärksten gewerkschaftlichen Kampfmittel, dem Streik. Am 28. November 2022 standen für 24 Stunden alle Züge in ganz Österreich still.
Der Streik zeigte die gewünschte Wirkung. In den nachfolgenden zähen Verhandlungen gelang der Gewerkschaft vida am 13. Dezember 2022 der Abschluss: ein Gehaltsplus von 8,9 bis 10,8 Prozent. Beginnend mit Dezember 2022 steigen die Monatseinkommen stufenweise auf 480 Euro bis Februar 2024. In den untersten Einkommensbereichen erhöhen sich die Einstiegsgehälter ab Dezember 2022 um 17,3 Prozent. Außerdem erhalten die Beschäftigten eine Teuerungsprämie für das Jahr 2022 in der Höhe von 500 Euro und die Lehrlinge 250 Euro.
BrauerInnen
Bei den Lohnverhandlungen der BrauerInnen waren die Fronten zwischen Arbeitgebern und den Gewerkschaften gpa und PRO-GE verhärtet. Die Arbeitgeber legten bei der Verhandlungsrunde am 20. Oktober 2022 kein Angebot vor. Dies empfanden die Beschäftigten als Provokation. Sie forderten Lohn- und Gehaltserhöhungen von elf Prozent. Dies bestätigten auch die Betriebsräte bei einer Konferenz am 24. Oktober 2022.
Als auch bei der nächsten Verhandlungsrunde kein Ergebnis erzielt werden konnte, wurden Betriebsversammlungen zwischen 7. und 9. November 2022 einberufen. Noch immer bewegte sich nichts und deshalb erwirkten die BrauerInnen vom ÖGB die Streikfreigabe. Am 28. November 2022 wurde bei Warnstreiks an 24 Standorten kein Bier gebraut.
Der Druck der ArbeitnehmerInnen zahlte sich aus, die Löhne und Gehälter steigen um 7,4 Prozent, die Lehrlingseinkommen wurden überproportional angehoben, dazu kommen noch Teuerungsprämien zwischen 75 und 250 Euro. Auch im Rahmenrecht konnte eine Verbesserung erkämpft werden, der 24. Dezember ist künftig arbeitsfrei und bezahlt.
Ordensspitäler
Die Gewerkschaft vida forderte aufgrund der explodierenden Teuerung Sonder-Kollektivvertrags-Verhandlungen für die rund 10.000 österreichweit Beschäftigten in Ordensspitälern. Am 27. Oktober 2022 stimmten bei einer Konferenz in Wien die BetriebsrätInnen über die Forderungen ab: 500 Euro brutto monatlich bzw. 2.000 Euro Mindestlohn. Zwischen 4. und 10. November 2022 wurden die MitarbeiterInnen gefragt, ob gewerkschaftliche Maßnahmen bis hin zum Streik auf den Weg gebracht werden sollen. Die Antwort war klar, 95 Prozent waren dafür und daraufhin wurde die Streikfreigabe beim ÖGB eingeholt.
Am 23. November 2022 fand in den Wiener Ordensspitälern ein Warnstreik statt. Nach weiteren herausfordernden Verhandlungen gelang ein Abschluss am 16. Dezember 2022. Die Schemagehälter und Zulagen im Kollektivvertrag Ordensspitäler steigen ab 1. März 2023 zwischen 8,4 und 11,2 Prozent, mindestens aber um 205 Euro, aliquotiert nach dem Beschäftigungsausmaß.
Handel
Eine Gruppe der SuperheldInnen während der Corona-Pandemie, die Beschäftigten im Handel, sollte endlich ihren fairen Anteil bekommen und auch die Teuerung sollte abgefedert werden, befand die Gewerkschaft gpa. Deshalb forderte sie ein Gehaltsplus von zehn Prozent, einen Fixbetrag in der Höhe von 150 Euro (14 x) für Lehrlinge, die leichtere Erreichbarkeit der 6. Urlaubswoche und den Mehrarbeitszuschlag ab der ersten Stundenüberschreitung.
Die Verhandlungen wurden am 18. Oktober 2022 ergebnislos abgebrochen. Die Arbeitgeber waren nämlich der Meinung, dass die staatlichen Zahlungen, wie Teuerungsbonus in die Verhandlungen einzurechnen seien. Auch die nächsten Verhandlungsrunden brachten kein zufriedenstellendes Ergebnis. Also wurden Betriebsversammlungen einberufen und die Beschäftigten gingen in Wien und Salzburg am 16. November 2022 auf die Straße. Als immer noch keine Bewegung in die Verhandlungen kam, holte die Gewerkschaft gpa beim ÖGB die Streikfreigabe ein.
Während die Vorbereitungen für den Warnstreik am 2. und 3. Dezember 2022 liefen, wurde weiterverhandelt und schließlich ein Abschluss erreicht.
Die Gehälter der 430.000 Angestellten steigen um sieben Prozent und mindestens 145 Euro. Die Einstiegsgehälter nach der Lehre werden um 8,06 Prozent angehoben und Lehrlinge im ersten Lehrjahr verdienen nun 800 Euro.
ÖGJ-Kampagne überbetriebliche Ausbildung
Mehr als 6.200 Lehrlinge absolvieren ihre Lehre in einer überbetrieblichen Ausbildung (ÜBA) und das, obwohl die Wirtschaft angeblich händeringend Lehrlinge sucht. Auch wenn die Lehrlinge in der ÜBA jenen in den Betrieben gleichgestellt sind, ziehen sie beim Einkommen den Kürzeren. Sie bekommen kein Lehrlingseinkommen und kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Sie erhalten eine Ausbildungsentschädigung von derzeit 361 bis 834 Euro. Trotzdem sollen sie nur eine Erhöhung von drei Prozent erhalten.
Am 19. Dezember 2022 übergab die ÖGJ dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft einen offenen Brief für Minister Martin Kocher mit einer langen Liste an Forderungen.
Teuerung – ÖGB-Kampagne Preise runter!
Mit dem Beginn des Aggressionskriegs Russlands auf die Ukraine stiegen weltweit die Inflation und damit die Preise. Der ÖGB forderte sofort Gegenmaßnahmen und legte viele Vorschläge vor, wie den Energiepreisdeckel oder das Wärmepaket. Die Regierung reagierte auf die massiven Teuerungen mit einem Strompreisdeckel und mit Einmalzahlungen. Dabei machten der ÖGB und die Gewerkschaften nicht erst bei der Betriebsrätekonferenz am 8. Juni 2022 auf die Folgen der gestiegenen Preise für die ArbeitnehmerInnen aufmerksam.
Mehr als 3.200 Teilnehmende forderten: Profite von Energiekonzernen zurückholen, Miet-Preis-Spirale stoppen, Lebensmittel leistbar halten, Abschaffung der kalten Progression sowie die Valorisierungen der Sozialleistungen. Die Regierung reagierte spät, aber doch, die kalte Progression wird im Jahr 2023 abgeschafft und die Sozialleistungen (außer das Arbeitslosengeld) werden valorisiert.
Nach der Betriebsrätekonferenz machten in ganz Österreich GewerkschafterInnen bei Aktionen auf die Kampagne aufmerksam. Um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, lagen Bodenzeitungen aus und wurden Flyer verteilt.
Die Preise stiegen weiter und deshalb riefen der ÖGB und die Gewerkschaften zu einer Demonstration auf. Am 17. September 2022 gingen rund 32.600 Menschen in allen Bundeshauptstädten (außer in der Steiermark, wo die Demonstration in Bruck an der Mur stattfand) auf die Straße. Ihre Forderungen waren etwa eine Übergewinnsteuer, vorübergehende Streichung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel und die Einsetzung einer Anti-Teuerungskommission mit Biss. Die Regierung beschloss schließlich eine etwas zahnlose Abschöpfung der Übergewinne.
Im Oktober 2022 fand in ganz Österreich eine Aktionswoche mit der klaren Botschaft „Her mit einer Preisbremse“ statt. Die GewerkschafterInnen waren sehr kreativ. In Vorarlberg etwa gab es einen Schachtellauf, in Wien stellte der ÖGB in einem Straßentheater einen Hürdenlauf, ob der hohen Preise, dar.
Durch die Betriebsrätekonferenz, die zahlreichen Aktionen und die Großdemonstration zeigte die Gewerkschaftsbewegung ihre Forderungen auf und die Regierung setzte einiges davon um.
Sozial-, Gesundheits- und Pflegebereich
Im Jahr 2022 gingen Beschäftigte im Sozial-, Gesundheits- und Pflegebereich oft auf die Straße, übergaben Petitionen und starteten eine parlamentarische Bürgerinitiative. Sie forderten bessere Arbeitsbedingungen, mehr Personal und Arbeitszeitverkürzungen. Zögerlich, aber doch reagierten die Bundes- und LandespoltikerInnen. Es kam zu einigen Verbesserungen, aber es sind noch lange nicht alle Forderungen umgesetzt.
#MehrWärFair
Am 15. Dezember 2021 übergaben rund 2.500 Teilnehmende an einem Fackelmarsch dem Salzburger Landtag die von knapp 14.200 Personen unterzeichnete Petition #MehrWärFair. Darin forderten sie mehr Personal, Arbeitszeitverkürzung, Gehaltserhöhungen und bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege. Am 19. Jänner 2022 wurde die Petition im Landtag debattiert. Mit dem Ergebnis waren die OrganisatorInnen unzufrieden. Also schickten sie am 26. Jänner 2022 einen Offenen Brief hinterher, um den Verantwortlichen nochmal einen Anstoß zu geben, alle Möglichkeiten des Landes auszuschöpfen.
Am 14. Dezember 2022, ein Jahr nach der Petitionsübergabe, war immer noch nicht viel passiert. Also veranstaltete der ÖGB Salzburg gemeinsam mit der Arbeiterkammer und den Gewerkschaften eine Mahnwache.
Offensive Gesundheit
Wie schon im Jahr 2021 machte die „Offensive Gesundheit“ auch 2022 auf fehlende Reformen im Gesundheits- und Sozialsystem aufmerksam. Mehr als 400.000 Beschäftigte aus den unterschiedlichsten Bereichen des Gesundheitswesens warten auf Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, Maßnahmen gegen den Personalmangel, ein neues Gehaltsschema und Arbeitszeitverkürzung.
Am 12. Mai 2022 gingen in fünf Städten rund 14.500 Menschen unter dem Motto „Es ist 5 nach 12“ auf die Straße. Zeitgleich legte die Regierung die geplante „Pflegereform“ vor. Der ÖGB fand gleich ziemlich viele Kritikpunkte und auch im Herbst 2022 waren noch viele Punkte nicht umgesetzt worden.
#Pflege am Limit
Am 28. Jänner 2022 protestierten das Pflegepersonal vor dem Landeskrankenhaus in Bregenz unter dem Motto: #Pflege am Limit. Es wurden drei riesige Würfel aufgehängt: „Schluss mit Sparen“, „Krise zeigt Pflegenotstand“ und „Pflegereform JETZT“. „Wir machen so lange weiter, bis das Land endlich reagiert“, kündigte LKH-Zentralbetriebsrat Thomas Steurer an. Obwohl einige Gewerkschaftsvorschläge umgesetzt wurden, blieben viele Forderungen offen.
Wir mit der Pflege
Unter dem Motto „Wir mit der Pflege“ fanden am 15. März 2022 in 20 Tiroler Einrichtungen Kundgebungen statt. „Die Pflege ist am absoluten Limit – und das schon längst! Wir tun seit Jahren unser Möglichstes, aber irgendwann können auch wir nicht mehr“, sagte Birgit Seidl, Zentralbetriebsratsvorsitzende der Tirol Kliniken. Alle Teilnehmenden fordern die Umsetzung der 3-M-Regelung: mehr Personal, mehr Geld, mehr Freizeit.
Mehr von uns, weil besser für alle
Am 21. Juni trafen sich rund 700 Menschen bei der Betriebsversammlung des Med Campus unter dem Motto „Mehr von uns, weil besser für alle“ in Linz. Der Grund war der Personalnotstand, dieser führt nicht nur zu Überarbeitung der MitarbeiterInnen, sondern auch dazu, dass täglich bis zu 140 Betten gesperrt werden müssen. Nachweislich bräuchte es 20 Prozent mehr Beschäftigte in vielen Berufsgruppen.
GPA-Infoveranstaltung in Tirol
Die Gewerkschaft gpa informierte am 7. Juli 2022 in Tirol die Bevölkerung über ihre Arbeit, dass sie rund 47.000 Menschen betreuen, dass bis ins Jahr 2030 tirolweit 7.000 Pflegekräfte fehlen werden, dass die beschlossene Pflegereform lückenhaft ist und dass die Teuerung vor allem die NiedrigverdienerInnen in der Branche trifft.
Die Sympathie der Bevölkerung war groß. Auch für die Forderungen der BetriebsrätInnen, wie dass für die Beschäftigten in der Pflege die SchwerarbeiterInnenregelung gelten soll, eine Ausbildungsoffensive und vor allem bessere Entlohnung.
Elementarpädagogik
Feuer und Flamme
Am 24. Jänner 2022 fanden in ganz Österreich Aktionen unter dem Titel „Feuer und Flamme für Verbesserungen in der Elementarpädagogik“ statt. Im Burgenland fanden Elterngespräche statt, in Kärnten und Oberösterreich wurden Petitionen an die Landtage übergeben, in einigen Landeshauptstädten wurde demonstriert.
In Oberösterreich wurde eine Petition mit rund 6.000 Unterschriften übergeben und die Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander kündigte Verhandlungstermine an. Passiert ist nichts. Also protestierten rund 50 BetriebsrätInnen am 3. März unter dem Motto „Wir lassen uns nicht im Kreis schicken“ vor dem Linzer Landhaus.
Jetzt gibt es Wirbel 2.0
Die MitarbeiterInnen der öffentlichen Kindergärten gingen am 21. März 2022 unter dem Motto „Jetzt gibt es Wirbel 2.0“ in vielen Bundeshauptstädten auf die Straße. Die Forderungsliste ist lang, darunter ist etwa ein einheitliches österreichweit gültiges Bundesrahmengesetz statt länderweisem Stückelwerk, ein besserer Betreuungsschlüssel, eine sofortige Ausbildungsoffensive oder zusätzliches Personal.
Es reicht
Unter dem Motto „Es reicht“ fand am 29. März 2022 eine öffentliche Betriebsversammlung der Beschäftigten der elementaren Bildungs- und Betreuungseinrichtungen und Horte statt. Dies war die Fortsetzung der Betriebsversammlung vom 12. Oktober 2021. Auch wenn sich seither einiges verbessert hat, bleiben doch viele Forderungen offen, wie die Verringerung der Kinderzahl pro Gruppe, ausreichende Vor- und Nachbereitungszeit sowie die gesetzlich einheitliche Ausbildung der AssistentInnen.
Mogelpaket
Seit Jahren machen die Gewerkschaftsfrauen auf die untragbaren Zustände in den elementarpädagogischen Einrichtungen aufmerksam: zu wenig Personal, nicht genügend Kinderbetreuungsplätze, keine einheitlichen Rahmenbedingungen. Die Regierung versprach Abhilfe.
Am 7. Juli verabschiedete der Nationalrat die 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern. Darin enthalten war zwar die von den Gewerkschaften geforderte Kindergartenmilliarde, aber bei genauerem Hinsehen entpuppte sie sich als Mogelpackung. Die Milliarde wird nicht sofort bereitgestellt, sondern über fünf Jahre hinweg.
Am Tag vor der Verabschiedung protestierten die Gewerkschaftsfrauen lauthals gegen den populistischen Rechentrick und forderten eine Milliarde Euro pro Jahr, Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem 1. Geburtstag der Kinder, bessere Rahmenbedingungen und eine Ausbildungsoffensive.
Arbeitsbedingungen
Die FachtrainerInnen in den überbetrieblichen Berufsausbildungszentren machten im Juni 2022 bei einem Flashmob in Wien auf Personalmangel und schlechte Bezahlung aufmerksam. Das Einstiegsgehalt liegt bei 2.500 Euro brutto.
Allein in Wien lernen etwa 5.000 jungen Menschen verschiedene Berufe in den Bildungszentren. Denn immer weniger Betriebe bilden selbst Lehrlinge aus oder sind bereit, Lehrlinge aus den Bildungszentren zu übernehmen.
Union Busting
Bei der 6. Konferenz der Europäischen Transportarbeiter-Föderation im Mai 2022 in Budapest wurde viel diskutiert. Vor allem wurde aber über die ungarische Billig-Fluglinie Wizz Air gesprochen. Das Unternehmen lässt weder Betriebsratsgründungen, Gewerkschaften oder Mitgliedschaften zu. Dabei wären diese dringend notwendig, weil die Arbeitsbedingungen und Gehälter katastrophal sind. Deshalb protestierten die rund 500 Delegierten während des Kongresses dagegen.
Solildarität
Hissen der Friedensfahne
Der Aggressionsangriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 kostete zahlreiche Menschen das Leben, führte zu einer großen Fluchtbewegung und zu Hilfsmaßnahmen. Auch der ÖGB beteiligte sich daran in Form mehrerer Hilfstransporte mit dringend nötigen Gütern in die Ukraine. Als Zeichen der Solidarität hisste der ÖGB auch eine Friedensfahne am 7. Februar 2022 vor der Zentrale. Der ÖGB verurteilt die Invasion in der Ukraine auf das Schärfste.
Internationaler Frauentag
Wie seit dem ersten Internationalen Frauentag im Jahr 1911 organisierten die ÖGB-Frauen auch am 8. März 2022 wieder zahlreiche Aktionen, um auf schlechte Bezahlung, unfaire Arbeitsbedingungen oder drohende Altersarmut aufmerksam zu machen. Unter dem Motto „Frauen auf die Überholspur“ machten sie auf die Rückschritte während der Corona-Pandemie aufmerksam und forderten gleichzeitig Arbeitszeitverkürzung, mehr Frauen in Führungspositionen und kräftige Lohn- und Gehaltserhöhungen.
BetriebsrätInnenkampagne
Am 7. April 2022 endete die seit einem Jahr laufende Betriebsrätekampagne. Trotz der Corona-Pandemie bedingten Kurzarbeit, Lockdowns und hoher Arbeitslosigkeit gelang es dem ÖGB und allen Gewerkschaften, die Betriebsratskampagne erfolgreich umzusetzen.
Seit April 2021 gab es 220 neue Betriebsratskörperschaften mit 650 gewählten BetriebsrätInnen, somit haben mehr als 25.000 Beschäftigte erstmals eine starke Stimme im Betrieb. Außerdem brachte die Kampagne 68.000 neue Gewerkschaftsmitglieder. Und von nun an ist der 7. April der „Tag der betrieblichen Mitbestimmung“.
Hissen der Regenbogenfahne
Wie jedes Jahr zogen auch heuer wieder die ÖGB-MitarbeiterInnen zu Beginn des Pride-Month im Juni 2022 die Regenbogenfahne vor der ÖGB-Zentral auf. Den in der Arbeitswelt hat keine Form der Diskriminierung Platz.
Klimastreik
Im Jahr 2022 fanden mehrere Klimastreiks statt, natürlich beteiligte sich der ÖGB auch daran. Den GewerkschafterInnen ist vor allem die soziale Gerechtigkeit im Kampf gegen die Klimakrise wichtig. Schon im Jahr 2021 legte der ÖGB ein Konzept vor, wie dies gelingen kann.
Equal Pay Day
Am 30. Oktober 2022 war es wieder einmal so weit, der Equal Pay Day. An diesem Tag haben Männer bereits jenes Einkommen erreicht, wofür Frauen noch bis Jahresende arbeiten müssen. Ganze 17,1 Prozent verdienen ganzjährig vollbeschäftigte Frauen weniger als Männer. Das entspricht 63 Tagen, die Frauen bis Jahresende „gratis“ arbeiten.
Die Gewerkschaftsfrauen kämpfen seit Jahrzehnten gegen die Einkommensschere und haben schon einiges erreicht. Lag der Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern, bei gleichwertiger Arbeit, in den 1930er-Jahren noch bei 75 Prozent, in den 1960er-Jahren bei rund 50 Prozent, sind es heuer „nur“ mehr 17,1 Prozent. 17,1 Prozent zu viel.
16 Tage gegen Gewalt
In Österreich ist jede fünfte Frau in ihrem Leben von Gewalt betroffen, durchschnittlich gibt es jeden Monat drei Femizide in Österreich. „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ ist eine Aktion, die Bewusstsein für die strukturelle Benachteiligung und Gewalt an Frauen schaffen soll. Die Gewerkschaftsfrauen fordern im Zuge dessen ein kollektivvertragliches Mindesteinkommen von 2.000 Euro brutto sowie Gleichberechtigung am Arbeitsmarkt, um Frauen von finanziellen Abhängigkeitsbeziehungen zu befreien.
Inklusionsdemonstration
Am 28. September 2022 fanden in ganz Österreich Protestkundgebungen und Mahnwachen statt. Tausende Menschen forderten die Regierung auf, die UN-Behindertenrechtskonvention endlich umzusetzen. Wie etwa barrierefreie Gebäude, ein inklusives Bildungssystem, existenzsichernde Arbeit und Lohn statt Taschengeld. Mit dabei waren auch die Mitarbeiterinnen des ÖGB-Chancen-Nutzen-Büros und dessen Leiter Patrick Berger.