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Die ÖGJ und der ÖGB luden die vom Zweiten Weltkrieg gezeichneten Kinder immer wieder zu Erholungsurlauben ein. Hier bei einer Weihnachtsaktion. ÖGB-Archiv

Die laute Gewerkschaftsjugend 

Eine kurze Geschichte der Österreichischen Gewerkschaftsjugend in Kampagnen 

Die Österreichische Gewerkschaftsjugend setzte sich nach ihrer Gründung im Herbst 1945 ein ambitioniertes Ziel: die größte Massenorganisation für Jugendliche zu werden. Das war 1945 nicht einfach. Österreich lag in Trümmern. Dennoch erreichten die jungen Funktionär:innen bereits in den 1950er Jahren ihr Ziel. Seitdem sind sie laut und erfolgreich geblieben.

Die Gewerkschaftsjugend beim Pfingsttreffen in Klagenfurt im Juni 1960 mit ihrem Motto „Schlag deine Zeit nicht tot: Komm lieber zur Gewerkschaftsjugend“. Kammler/ÖGB-Archiv
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Das Wichtigste auf einen Blick

1945-1950 Aufbau der Österreichischen Gewerkschaftsjugend

Der Jugendsekretär Alfred Ströer stieg in der unmittelbaren Nachkriegszeit oft auf sein Kleinmotorrad und fuhr trotz der nervenaufreibenden Kontrollen an den Besatzungszonen kreuz und quer durch Österreich. Seine Mission war es, Jugendgruppen der Österreichischen Gewerkschaftsjugend zu gründen. Seine Kolleg:innen verteilten inzwischen an Berufsschulen und Arbeitsplätzen Flugblätter. Das Ziel war die Mitgliedergewinnung und Jugendlichen mit dem Notwendigsten zu versorgen, vor allem Bildung. Nach zwölf Jahren Faschismus war es wichtig, den Jugendlichen die Grundlagen der Demokratie zu vermitteln. Dennoch war eine der ersten Kampagnen „Gegen-Gift“ zu Geschlechtskrankheiten, Tabak- und Alkoholmissbrauch. Das Gegengift war Bewegung in der freien Natur und Sport. Sie selbst hielten sich daran, beim ersten ÖGJ-Ball 1952 tanzten 1.200 Teilnehmende, ohne einen Tropfen Alkohol zu trinken.

Die ÖGJ forderte die Errichtung von Jugendheimen und wurde gehört. Hier die Eröffnung des Jugendheims Altnagelberg, 1963, durch ÖGB-Präsident Anton Benya. Kammler/ÖGB-Archiv

1950-1959 Der Jugend muss geholfen werden

Die 1950er standen im Zeichen des Kampfes gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Tausende Plakate mit der Aufforderung „Der Jugend muss geholfen werden“ wurden affichieret und es wurde geholfen. Die Stadt Wien half, etwa mit Fahrpreisermäßigungen für Lehrlinge, der ÖGB setzte eine Erhöhung der kollektivvertraglichen Stundenlöhne um zehn Prozent durch, der Staat erhöhte die Kinderbeihilfe, die Krankenscheingebühr für unter 18-Jährige fiel und die Ausbildungshilfe wurde eingeführt. Außerdem wurde die ÖGJ-Forderung nach Errichtung von Jugendheimen und Lehrwerkstätten erfüllt, 1961 waren es bereits 149.

In den 1960er Jahren gingen die Jugendlichen noch mit Anzug und Krawatte auf Konzerte. Hier 1968 beim 5-Uhr-Tee in Wien. János Kalmár

1960-1969 Aufbruch der Jugend

In den 1960er lernte die ÖGJ zu tanzen, Kultur zu schätzen und Erfolge zu feiern. Sie tanzten, diskutierten, lauschten Konzerten und Dichterlesungen bei den „Jugendforen“, die auch genutzt wurden, um jugendliche Gewerkschaftsmitglieder zu werben. 1964 fanden die Foren an 300 Orten mit über 1.000 Veranstaltungen statt und die Mitgliederzahl stieg auf über 80.400 an. Das große Ziel, mehr als 100.000 Mitglieder zu vertreten, erreichten sie 1980.

Die ÖGJ setzte aber auch Forderungen durch, wie etwa die Herabsetzung des passiven Wahlalters für Betriebsräte von 24 auf 21 Jahre im Zuge der Novellierung des Betriebsrätegesetzes. Das im Jahr 1962 verabschiedeten Schulorganisationsgesetz verankerte, endlich den bis dahin kaum geregelte Berufsschulbesuch gesetzlich. Aber der wohl größte Erfolg war, dass im Jahr 1969 – das seit 1946 geforderte – Berufsausbildungsgesetz verabschiedet wurde.

Zur Verbesserung des Berufsausbildungsgesetzes waren in den folgenden Jahrzehnten zahlreiche Kampagnen des ÖGJ notwendig. So zum Beispiel die Kampagne „Let’s do it“ (1992-1993), mit der die ÖGJ auf Missstände in der Lehrlingsausbildung aufmerksam machte. Die ÖGJ sammelte fast 30.000 Unterschriften und startete eine groß angelegte Telefonaktion, um die Interessen und politischen Forderungen der Jugendlichen an die ÖGJ zu erfragen. Die Kampagne war erfolgreich, 1993 wurde das Berufsausbildungsgesetz novelliert: Die 5-Tage-Woche in der Berufsschule wurde eingeführt, Flächenberufe und neue Berufsbilder wurden geschaffen.

Im Jahr 1971 übergab die Gewerkschaftsjugend die über 51.000 Unterschriften für die gesetzliche Regelung der Jugendvertrauensräte an den damaligen Sozialminister Rudolf Häuser (SPÖ). ÖGB-Archiv

1970-1979 Aktionsreiche Jahre

Aktion war das Motto der 70er Jahre. Mit der Aktion „M – wie Mitbestimmung” (1971) gelang es der ÖGJ – nach zahlreichen Gesetzesentwürfen, Verhandlungen, viel Stillstand und 51.243 gesammelten Unterschriften –, dass der Nationalrat im Juli 1972 das seit 1946 geforderte Jugendvertrauensrätegesetz beschloss. Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums im Jahr 2003 startete die ÖGJ die Informationskampagne für Jugendvertrauensrät:innen, „Big-Jay“ - sogar mit einem eigenen Song: „Start me up“ von Kismmet.

1948 war die Verabschiedung des Kinder- und Jugendschutzgesetzes einer der ersten Erfolge der ÖGJ, doch viele Betriebe hielten sich nicht daran. Mit der Kampagne „Unternehmen Stopp“ (1972) sollte sich dies ändern. Die ÖGJ organisierte Kundgebungen, verteilte Flugblätter, zeigte Tonbildschauen und verschickte 10.000 Fragebögen. Knapp 9.000 davon konnten ausgewertet werden, die Ergebnisse waren erschütternd: sexuelle und körperliche Gewalt, 80-Stunden-Wochen und sogar Todesfälle. Die Aktion war erfolgreich, 1973 wurde das Gesetz im Sinne des ÖGJ novelliert.

Im Jahr 1980 demonstrierte die Gewerkschaftsjugend während der Kampagne „ÖGJ deckt auf“ für die Einhaltung des gesetzlichen Jugendschutzes. ÖGB-Archiv

Im Herbst 1979 folgte die Aktion "ÖGJ deckt auf" und im Juni 1984 die ÖGJ-Aktionswoche für Jugendschutz. Mit Straßenaktionen, Flugblättern und Plakaten wurde auf die ständigen Übertretungen des Jugendschutzes aufmerksam gemacht: Verletzung der Ausbildungsvorschriften, Übertretung der Arbeitszeitbestimmungen, unsittliche Belästigung weiblicher Jugendlicher. Die Jugendlichen demonstrierten vor solchen Betrieben.

Die erste Frau Vizebürgermeisterin in Wien, Gertrude Fröhlich-Sandner unterstützte die „Aktion 75“ der Gewerkschaftsjugend. Hier bei der 12. Landeskonferenz der Wiener Gewerkschaftsjugend, 1975 ÖGB-Archiv

Die „Aktion 75" für eine moderne Berufsausbildung begann 1974. Es wurden Werbebriefe verschickt, Informationsbroschüren und Plakate gedruckt. Kernaussage war, dass die Lehrlingsausbildung noch nicht voll in das allgemeine Bildungssystem integriert war, obwohl die Wirtschaft dringend Fachkräfte brauchte. Im Jahr 1978 war es so weit und ein Punkt der Novelle war die Umsetzung zahlreicher Forderungen der ÖGJ, wie etwa, dass Ausbilder:innen von nun an, eine verpflichtende Prüfung ablegen müssen.

1980-1989, Lehrlingshöchststand

In den 1980er Jahren setzte sich die ÖGJ für die friedliche Nutzung der Kernenergie und den Bau des Donaukraftwerks Hainburg ein. Die Bevölkerung stimmte aber in einer Volksabstimmung gegen die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf und die Aubesetzer:innen verhinderten den Bau des Wasserkraftwerkes.

Erfreulich war für die ÖGJ, dass mit 194.000 Lehrlingen die höchste Lehrlingszahl seit 1945 erreicht wurde und durch die Novellierung des Jugendbeschäftigungsgesetzes die Unterrichtszeit in der Berufsschule auf die Wochenarbeitszeit angerechnet wird.

Im Jahr 1999 demonstrierte die Gewerkschaftsjugend für den Lastenausgleichsfonds. Zolles/ÖGB-Archiv

1990-1999, ein kampagnenreiches Jahrzehnt

Durch die hohe Arbeitslosigkeit, die niedrigen Geburtenzahlen und den erleichterten Zugang zu höheren Bildungseinrichtungen gingen die Mitgliederzahlen zurück. Die ÖGJ begann also verstärkt auf Schüler:innen und Studierende zuzugehen. Und die ÖGJ stellte ihre erste Website „ÖGJ surfin‘ world wide“ (1996) ins Internet.

Mit der europaweiten Kampagne „Yes - Ja zur Beschäftigung und Ausbildung für Jugendliche“ thematisierten junge Gewerkschafter:innen im Mai 1997 die zunehmende Jugendarbeitslosigkeit. Im Rahmen von Aktionstagen wurden 60 Betriebe, Kommunen und Institutionen vorgestellt, die entweder viele oder gar keine Jugendlichen beschäftigen. Im Juli 1997 wurde das „Lehrlingspaket“ geschnürt, das Arbeitgeber:innen ermutigen sollte, wieder mehr Lehrlinge auszubilden.

Im Oktober 1998 startete die ÖGJ-Aktion „Deine Lehre ist unser Bier“. Gefordert wurde ein Lastenausgleichsfonds, in den Betriebe, die keine Lehrlinge ausbilden, einzahlen sollen, damit Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, aus diesem Topf Geld erhalten, sowie die Errichtung einer Jugendstiftung. Insgesamt wurden 40.000 Unterschriften auf Bierdeckeln gesammelt.

Folder der Kampagne „Fight for your future”, 2000 ÖGJ

2000-2009, die schwarz-blauen Jahre

Die schwarz-blaue Regierung beschloss im Juli 2000 zahlreiche Gesetzesänderungen, die zu Kürzungen im Bildungsbereich und zu Verschlechterungen in der Lehrlingsausbildung führten. Die ÖGJ rüstete zum Gegenangriff. Mit der Kampagne „Fight for your future“ (2000) wehrte sie sich gegen die von der schwarz-blauen Regierung beschlossenen massiven Verschlechterungen in der Berufsausbildung und Lockerungen im Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz. Den Auftakt bildete eine Pressekonferenz am 7. September 2000, es folgten Plakatserien, Radiospots, Fernsehspots, Kinospots und Verteilaktionen von Informationsfoldern sowie Informationsveranstaltungen.

Die ÖGJ beschränkte sich aber nicht darauf, sondern initiierte auch die Aktion „Frei(e) Fahrt“ (2000) zur Verbesserung der Lehrlings- und Schüler:innenfreifahrt. 30.000 Personen unterzeichneten die Forderung.

Die ÖGJ-Vorsitzende Susanne Hofer demonstrierte beim 19. ÖGB-Bundeskongress während der Rede der damaligen Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) für den Erhalt des Jugendvertrauensrats. Lisa Lux

2010-2019 Der Kampf um den Jugendvertrauensrat

Erstmals wurde 2018 eine Frau ÖGJ-Vorsitzende, Susanne Hofer, und sie hatte schwere Kämpfe auszutragen. Die schwarz-blaue Regierung wollte den Jugendvertrauensrat abschaffen. Im Rahmen der Kampagne #JVRbleibt, 2018-2019 wurden über 40.000 Unterschriften gesammelt, viele Gespräche in Ministerien geführt und mit Veranstaltungen und Infoständen auf die Notwendigkeit des JVR aufmerksam gemacht. Der Jugendvertrauensrat ist geblieben.

Auch die jahrzehntelange Forderung der ÖGJ nach Übernahme der Kosten für die Berufsschulinternate durch die Betriebe konnte umgesetzt werden. Seit 30 Jahren kämpfte die ÖGJ dafür, erhielt bei der Aktion „Internatskosten weg!“ (2017) Unterstützung durch Unterschriften von 21.155 Personen. Seit der Übernahme der Berufsschulinternatskosten durch den Insolvenzentgeltfonds bleibt den Lehrlingen mehr Geld im Börserl.

Während der Corona-Pandemie forderte die ÖGJ die Schaffung von Lehrstellen. ÖGJ

2020-2025 Lost and Found

Die Corona-Pandemie, der Ukrainekrieg und die Teuerung trafen die Lehrlinge stark. Psychische Belastungen durch soziale Isolation und Unsicherheit prägen die "Generation Covid". Zudem führte die Pandemie zu einem Rückgang von Lehrstellen, besonders in Tourismus und Handel, was Berufseinstiege erschwert. Darauf machte die ÖGJ mit der Kampagne #LostGeneration (2020) aufmerksam.

Ein Erfolg der Kampagne waren die zusätzlich geschaffenen Lehrstellen im staatlichen und staatsnahen Bereich, die finanziellen Mittel für die überbetriebliche Lehrausbildung wurden aufgestockt und die Regierung hat den eigenen Lehrlingsbonus an die Betriebe ausgeschüttet. Trotzdem blieb die psychische Belastung der Lehrlinge. Grund genug für die ÖGJ die Kampagne für die psychische Gesundheit der Lehrlinge (2023) zu starten.

Mit der Kampagne „Bildungssystem upgraden“ fordert die ÖGJ die Reformierung des veralteten Bildungssystems. Hier vor dem Parlament in Wien, September 2023. ÖGJ

In eine andere Bresche schlägt hingegen die Kampagne „Bildungssystem upgraden“ (2023). Das veraltete Bildungssystem reformiert werden, damit die Fachkräfte von morgen mit zeitgemäßen Lehrplänen und in modernen Berufsschulen, zu kreativen, innovativen und unabhängigen Erwachsenen ausbildet werden.

Im April 2025 startet die ÖGJ die Kampagne „Extremismus? Extrem daneben!“ ÖGJ

Der Kampf gegen Rassismus, Faschismus und Diskriminierung wehrt seit 1945, immer wieder gab es ÖGJ-Kampagnen dagegen, wie etwa im Jahr 2003 „Mensch bleibt Mensch“. Ziel war es, dass Jugendliche ihre Vorurteile gegenüber ihren Mitmenschen überdachten und Rassismus zu bekämpfen. Das Jahr 2025 steht wieder unter diesem Zeichen, mit der Kampagne „Extremismus? Extrem daneben!“

Wie 1946 versprochen, 1950 erreicht, ist die Gewerkschaftsjugend auch heute noch das wichtigste Sprachrohr für jugendliche Arbeitnehmer:innen.