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Datenschutz

Epidemiegesetz: Jurist warnt vor Datenschutz-Dammbruch

Verfassungsjurist Florian Horn findet bedenkliche Stellen in der Novelle des Epidemiegesetzes und warnt vor einem „Dammbruch”

Die Novelle des Epidemiegesetzes und des COVID-19-Maßnahmengesetzes geht aus Sicht des Datenschutzes in eine bedenkliche Richtung - dies geht aus Recherchen des Österreichischen Gewerkschaftsbundes hervor. Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin im ÖGB, warnt: „Eine Datenverarbeitung in dieser Dimension, ohne Begutachtung, ist wirklich sehr bedenklich.” Der Bundesrat hat dieses Gesetz nun erstmal blockiert, da drei Abgeordnete der Regierungsfraktionen erkrankt sind - damit werden die Gesetzesänderungen verzögert und müssen im Nationalrat per „Beharrungsbeschluss” auf den Weg gebracht werden. Aber worum geht es bei diesem Gesetz im Detail? oegb.at hat sich mit dem Verfassungsjuristen Florian Horn unterhalten. 

oegb.at: Warum wurde aus Ihrer Sicht die Novelle des Epidemiegesetzes  so rasch – innerhalb weniger Tage – in den Bundesrat gebracht?

Florian Horn: „Es wird allgemein versucht, die Diskussion so gering wie möglich zu halten. Dies ist der Schwere der Eingriffe aber nicht angemessen. Bereits die Begutachtungsfrist über den ersten Vorschlag der Novelle war mit wenigen Tagen viel zu kurz angesetzt. Die datenschutzrechtlich bedenklichsten Bestimmungen waren in diesem Begutachtungsverfahren aber überhaupt nicht enthalten. Diese befanden sich nicht in einem Initiativantrag der Regierungsparteien, sondern wurden erst durch einen raschen Änderungsantrag eingefügt, als sich der Antrag schon mitten im parlamentarischen Verfahren befand. Auch das ist demokratiepolitisch höchst bedenklich.”

Die datenschutzrechtlich bedenklichsten Bestimmungen waren in diesem Begutachtungsverfahren aber überhaupt nicht enthalten.

Florian Horn

Die Datenverarbeitung gilt hierbei als zentraler Kritikpunkt: Da geht es beispielsweise um den Zeitraum der Datengenerierung, der sich Jahre in die Zukunft, aber auch rückwirkend erstreckt.  Wie schätzen Sie das ein?  

„Es wird hier jedenfalls ein Präzedenzfall geschaffen, der es erlaubt, viele Daten, die zu vollkommen anderen Zwecken gesammelt wurden, miteinander zu verschränken. Bedenklich ist, dass der Gesetzesentwurf zu den eigentlichen Abläufen und zu den letztendlich zur Verarbeitung betrauten Personen offenbleibt. Der Gesundheitsminister soll hier freie Hand bekommen und auch externe Organisationen betrauen können. Die Erfahrung zeigt uns, dass einmal geschaffene Möglichkeiten selten wieder zurückgenommen werden. Es besteht daher die Gefahr, dass hier ein Dammbruch geschieht.”

Einmal geschaffene Möglichkeiten werden selten wieder zurückgenommen. Es besteht die Gefahr, dass hier ein Dammbruch geschieht.

Florian Horn

Auch die Qualität der Daten, auf die ein Zugriff erlaubt werden soll, ist fragwürdig: Konkret geht es um gesundheits-, sozial-, erwerbs- sowie bildungsstatistische Merkmale und eine umfassende Ermächtigung, indem durch die Verordnung sogar noch weitere Quellen definiert werden können, aus denen Daten zu übermitteln sind. Wie ist das zu beurteilen? 

„Aus meiner Sicht ist der Gesetzesentwurf für die schwere des Eingriffs nicht genau genug. Es wäre zumindest zu erwarten, dass in einer ausführlichen Begutachtung und unter Einblick von unabhängigen Experten erarbeitet wird, welche statistischen Daten wirklich zu welchem konkreten Zweck benötigt werden. Denn aus dem Gesetz geht nicht hervor, in welcher Weise die jeweiligen Daten verwendet werden sollen. Dazu wäre grundsätzlich in den vergangenen zwölf Monaten ausreichend Zeit gewesen. Es kann nicht auf Kosten der Diskussion der Grundrechte und des Datenschutzes gehen, nur weil hier eine Verzögerung passiert ist.”

Es geht aus dem Gesetz nicht hervor in welcher Weise diese Daten verwendet werden sollen.

Florian Horn
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Florian Horn: „Besonders bedenklich stimmt, dass hier Daten der Bürger transparent gemacht werden, aber es die Bundesregierung seit Monaten nicht geschafft hat, die Entscheidungsgrundlagen der Vielzahl an Verordnungen öffentlich zu machen" 

Nun erweckt das alles den Eindruck, dass die Daten auf die jeweilige Person rückschließen lassen. Was hätte man anders machen können?

„Es sollte eigentlich ausreichend sein, auf statistische Daten zurückzugreifen. Vorgesehen sind aber pseudanonymisierte Daten, also Daten die individuell bleiben, wo aber der Namen quasi durch eine eindeutige Nummer ersetzt wird. Das ist der gefährlichste Bereich, der ganz genau auf Missbrauchspotential geprüft werden müsste.”

Wie bewerten Sie abschließend die Handhabe der Regierung beim Datenschutz im Allgemeinen – werden wir als BürgerInnen in Zukunft ganz genau hinschauen müssen?

„Das ist sicher so. Besonders bedenklich stimmt, dass hier Daten der Bürger transparent gemacht werden, aber es die Bundesregierung seit Monaten nicht geschafft hat, die Entscheidungsgrundlagen der Vielzahl an Verordnungen öffentlich zu machen und beispielsweise Einsicht in die Empfänger der Unternehmenshilfen zu gewähren. Und es erschwert, die vorhandenen epidemiologischen Daten unabhängiger wissenschaftlicher Forschung zur Verfügung zu stellen. Ich sehe hier ein Ungleichgewicht.”