Analyse
Pflegereform: Was wirklich drinsteckt
Der ÖGB hat sich die neue Pflegereform der Regierung angesehen und zeigt auf, was wirklich für die Beschäftigen dabei rauskommt
„Die Pflege ist ein Intensivpatient, dem heute von der Bundesregierung die Verlegung auf die Normalstation in Aussicht gestellt wurde. Jetzt geht es darum, mit vereinten Kräften dafür zu sorgen, dass dieser Genesungsprozess gelingt“, kommentiert ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian die neue Pflegereform der Bundesregierung. Die Gewerkschaftsbewegung pocht darauf, dass nach diesen Ankündigungen auch Taten folgen.
„Die angekündigten Schwerpunkte – mehr Lohn und Gehalt, mehr Urlaub und bessere Ausbildung – sind zentrale Forderungen der Gewerkschaftsbewegung, aber es kommt wie immer auf die Umsetzung an. Wir werden genau hinschauen und weiter Druck machen, wenn es um Fairness für die Beschäftigten geht!“, findet auch Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB. oegb.at hat sich mit den Gesundheits- und Pflegeexpertinnen Claudia Neumayer-Stickler und Martina Lackner angesehen, was wirklich in der Pflegereform drinsteckt.
Generell gilt, dass die konkrete Umsetzung für alle Maßnahmen abgewartet werden muss – vieles kann daher nur vorbehaltlich beurteilt werden.
Pflegende Angehörige
Ausdehnung der 24-Stunden-Betreuung
Dabei geht es um die Möglichkeit, dass es sich drei betreuungsbedürftige Personen, die bereits in Seniorenwohneinheiten leben, eine 24-Stunden-BetreuerInnen teilen dürfen. Diese muss aber bei einer Gemeinde oder einem gemeinnützigen Träger angestellt sein. Dafür wird die Förderung für 24-Stunden-Betreuung erhöht und jede betreuungsbedürftige Person bekommt eine solche Förderung. Bis Herbst soll dieses Modell unter Einbeziehung der Sozialpartner ausgehandelt werden.
ÖGB-Einschätzung: Grundsätzlich ist dies positiv. Der Haken: Die Ausdehnung schafft nur für eine kleine Anzahl an Betroffenen wirkliche Vorteile, da der überwiegende Großteil der BetreuerInnen die Tätigkeit selbständig ausführt.
Pflege-Daheim-Bonus („Angehörigen-Bonus“)
Für versicherte oder weiterversichterte Angehörige, die ihre behinderten Kinder oder Angehörige ab Pflegegeldstufe 3 pflegen, oder für nicht versicherte Angehörige, die Angehörige ab Pflegegeldstufe 4 pflegen, gibt es im 1. Jahr 750 € und ab dem 2. Jahr 1.500 €/Jahr
ÖGB-Einschätzung: Dieser Punkt ist kritisch zu sehen, da die pflegenden Angehörigen damit nicht die notwenige Unterstützung bekommen würden, die es braucht. Mit diesem Betrag hätte stattdessen ein Ausbau der Angebote der mobilen Pflege finanziert werden können. Das wäre die Unterstützung, die wirklich notwendig ist.
Drei Monate Rechtsanspruch auf Pflegekarenz
ÖGB-Einschätzung: Dieser Anspruch sollte nicht gesetzlich verankert werden, sondern über einen Kollektivvertrag oder einer Betriebsvereinbarung umgesetzt werden. Die Umsetzung ist daher offen und damit kein Erfolg, den sich die Bundesregierung auf ihre Fahnen heften kann.
Erschwerniszuschlag bei Pflegegeldeinstufung bei besonders schweren Erkrankungen und vor allem bei demenzieller Veränderung von 25 Stunden auf 45 Stunden angehoben
ÖGB-Einschätzung: Wird von uns positiv gesehen, nichtsdestotrotz bedarf es Verbesserungen bei der Pflegegeldeinstufung generell – es soll mehr auf den individuellen Bedarf geachtet werden.
Für das Personal
Berufsrecht: Kompetenzerweiterung für Pflegeassistenz und Pflegefachassistenzen in Bezug auf Infusionsmanagement
ÖGB-Einschätzung: Die Kompetenzerweiterungen müssen sich auch in der Entlohnung widerspiegeln.
Monatlicher Gehaltsbonus für die Beschäftigten
Es stehen für die nächsten 2 Jahre insgesamt 520 Millionen für „Lohnzuschüsse“ zur Verfügung. Verteilt werden soll dies über die Kollektivvertragsparteien und die Länder.
ÖGB-Einschätzung: Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, allerdings ist der Bonus nur auf bestimmte Gruppen im Gesundheitsbereich beschränkt. Was ist mit den übrigen Beschäftigten? Es bleibt zudem abzuwarten, wie die Verteilungskriterien festgelegt werden und ob damit eine faire Umsetzung für alle Beschäftigten erreicht werden kann. Es darf jedenfalls nicht zu einer chaotischen Abwicklung wie im vergangenen Jahr beim Corona-Bonus kommen.
Besonders problematisch ist, dass die Finanzierung derzeit nur für zwei Jahre fixiert ist. Was danach kommt, ist völlig offen!
6. Urlaubswoche für alle Pflegeberufe
ÖGB-Einschätzung: Es handelt sich um eine wichtige Maßnahme, die wir schon lange gefordert haben. Auch hier muss die genaue Umsetzung abgewartet werden.
Erleichterungen bei der Zuwanderung von ausgebildeten Fachkräften
ÖGB-Einschätzung: Hier muss die Entwicklung genau beobachtet werden – es macht nicht viel Sinn, billige Kräfte aus Drittstaaten zu holen und zu glauben, dass damit der Personalmangel beseitigt wird.
Ausbildungsgeld
ÖGB-Einschätzung: Hier kommt eine langjährige Forderung der Gewerkschaft zur Umsetzung.
Pflegelehre kommt
ÖGB-Einschätzung: Eine Pflegelehre lehnen wir dezidiert ab. 15-Jährige im Rahmen einer Pflegelehre an ein Pflegebett zu stellen ist sowohl für die Jugendlichen als auch die zu Pflegenden eine Belastung.
Für den ÖGB ist klar: Die nach jahrelangem gewerkschaftlichen Druck endlich von der Bundesregierung angekündigte Pflegereform ist ein erster Schritt in die richtige Richtung - nicht mehr, nicht weniger. Wir werden weiter für echte und langfristige Verbesserungen für die Beschäftigten und Betroffenen kämpfen.