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In Wien hat im Vorfeld der EU-Wahl eine spannende Diskussion mit österreichischen Kandidat:innen stattgefunden Christian Fischer

EU-Wahl 2024

„Wir brauchen ein selbstbewusstes EU-Parlament“

Arbeitsrecht, Klimaschutz, Lohndifferenz und mehr – Kandidat:innen für die EU-Wahl diskutierten ihre Schwerpunkte auf Einladung von AK und ÖGB

Wie positioniert sich das Europaparlament nach der Richtungsentscheidung am 9. Juni? Welchen Stellenwert werden nach der EU-Wahl jene Themen mit den größten Auswirkungen auf Arbeitnehmer:innen haben?

Darum ging es bei der Diskussion mit österreichischen Kandidat:innen, zu der AK und ÖGB gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik und dem Informationsbüro des Europäischen Parlaments in Österreich knapp zwei Wochen vor der Wahl geladen hatten.

„Ohne Gewerkschaften wird es nicht gehen“, machte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian bei der Eröffnung vor mehr als 500 Gästen klar. Bei einer Umfrage der EU-Kommission, was am wichtigsten wäre für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung der EU, gaben unlängst mehr als 40 Prozent der Menschen in Europa den Zugang zum Arbeitsmarkt, faire Arbeitsbedingungen und den Zugang zu qualitativen Gesundheitsleistungen an.

Dieses Ziel des guten Lebensstandards befürworteten alle Diskutant:innen – in den Maßnahmen zur Umsetzung waren sie wenig überraschend nicht immer einig, was besonders am Beispiel des unlängst nach jahrelangem Ringen beschlossenen Lieferkettengesetzes deutlich wurde.

Zustimmung der österreichischen Mandatar:innen im EU-Parlament gab es nur von SPÖ und Grünen. Die Abgeordneten der ÖVP stimmten größtenteils dagegen, die FPÖ lehnte es total ab, die Neos enthielten sich.

Uneinigkeit bei Ausgestaltung des Lieferkettengesetzes

„Wir haben jetzt endlich einen Hebel dagegen, dass viele Unternehmen Globalisierung so verstanden haben, dass die Ausbeutung außerhalb Europas stattfinden kann“, erklärte die stv. EU-Parlamentspräsidentin Evelyn Regner (SPÖ). „Die Konzerne kommen endlich an die Kette“, formulierte Lena Schilling, Spitzenkandidatin der Grünen.

Reinhold Lopatka, Spitzenkandidat der ÖVP, und Peter Schmiedlechner, Nummer 7 auf der Liste der FPÖ, erklärten, das Gesetz gehe zu Lasten kleiner Unternehmen, die mit zu viel Bürokratie belastet würden. Peter Berry, Nummer 3 bei den Kandidat:innen der Neos, argumentierte ähnlich und forderte mehr Verantwortung beim Staat ein. Niemand wäre gegen Kinderarbeit, betonten alle, aber die Ausgestaltung des Gesetzes wäre essenziell.

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Alle wollen faire Entlohnung von Frauen

Ähnlich auseinander gingen auch die Meinungen über die Richtlinie zur Lohntransparenz, um die ebenfalls jahrelang gerungen wurde.

„Ein erfreulicher Kompromiss – nachdem jahrzehntelang alle gesagt haben, wir bezahlen Frauen eh fair, wird das jetzt endlich funktionieren, weil es gelungen ist, Verbindlichkeit zu schaffen“, freute sich Evelyn Regner. Schilling betonte, dass es wichtig wäre, Kinderbetreuung auszubauen und typische Frauenberufe aufzuwerten, um Frauen mehr Arbeit und damit höhere Einkommen zu ermöglichen.

Berry hingegen forderte wie die ÖVP einen Vollzeitbonus, um „die Arbeit attraktiver zu machen.“ Aufhorchen ließ Schmiedlechner, der erklärte, nicht zu verstehen, warum es überhaupt noch einen Gender Pay Gap gebe, wenn ihn niemand wolle.

Gar kein Klimaschutz kostet am meisten

Auch beim Klimaschutz ein ähnliches Bild – alle sprachen sich dafür aus, aber mit unterschiedlichen Maßnahmen. Schmiedlechner und Berry waren sich einig darin, keine überbordenden Gesetze verabschieden zu wollen, weil das die Abwanderung der Industrie in andere Kontinente und damit den Verlust von Arbeitsplätzen bedeute. Schilling betonte: „Gar kein Klimaschutz kostet am meisten.“

Appell, wählen zu gehen

Hundertprozentige Einigkeit gab es zum Schluss der Diskussion, als alle dazu aufriefen, an der EU-Wahl teilzunehmen. „Die EU ist ein Friedensprojekt, es ist eine Pflicht, zur Wahl zu gehen“, meinte Lopatka.

„Ich wünsche mir ein selbstbewusstes EU-Parlament, das nur eine Kommission akzeptiert, die Klimaschutz, Friedensbemühungen und die Rechte der Arbeitnehmer:innen ernstnimmt und sich gegen demokratiefeindliche Strömungen wehrt“, appellierte Regner, die außerdem mehr Gewerkschafter:innen unter den Abgeordneten sehen will: „Noch sind wir eine Minderheit, aber eine laute.“