Belarus: Polizeigewalt, auch Gewerkschafter festgenommen
ÖGB unterstützt internationalen Protest gegen Vorgehen der Regierung in Weißrussland, Wahl muss wiederholt werden
Nach der Wiederwahl des langjährigen Präsidenten Alexander Lukaschenko, dessen Wahlsieg mit angeblich 80 Prozent nicht nur von der Opposition angezweifelt wird, eskaliert die Situation in Weißrussland. Immer mehr Menschen schließen sich den friedlichen Demonstrationen gegen diese Wahlfarce an, die vom Regime mit Gewalt unterdrückt werden. Unter den hunderten Festgenommenen sind auch Maxim Sereda, Vorsitzender der Gewerkschaft der Bergleute, und Nikolai Zimin, der ehemalige Vorsitzende der belarussischen unabhängigen Gewerkschaft, sowie JournalistInnen aus dem Ausland. Die Polizei schießt teilweise scharf in die Menge, auch Todesopfer sind zu beklagen.
Null Dialogbereitschaft des Präsidenten
Lukaschenko, seit 26 Jahren ohne Unterbrechung an der Spitze des Landes, das an Polen grenzt und 2009 in die Programme der Östlichen Partnerschaft der EU aufgenommen wurde, zeigt weder Bedauern noch Bereitschaft zum Einlenken. Die Menschen sollten sich lieber Arbeit suchen, dann hätten sie keine Zeit mehr, auf die Straße zu gehen, meinte er in einem Pressestatement, nachdem der erste Todesfall bereits bekannt war.
Einschüchterungsversuche von Journalisten
Auch der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) und der Paneuropäische Regionalrat (PERC) verfolgen diese Entwicklungen mit Sorge. „Die betrügerische Durchführung der Wahlen und die Gewalt gegen friedliche Demonstrationen werden genauso verurteilt wie die Unterdrückung von Medien und Einschüchterungsversuche von Journalisten, um den Informationsfluss über die Proteste zu stoppen und eine öffentliche Diskussion über den Wahlbetrug zu verhindern“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme von EGB und PERC.
EU soll finanzielle Unterstützung stoppen
Die weißrussische Regierung wird aufgefordert, die Gewalt zu stoppen, alle inhaftierten DemonstrantInnen sofort zu entlassen, Internetverbindungen wiederherzustellen und die Wahl vom 9. August zu wiederholen. Außerdem appelliert EGB-Generalsekretär Luca Visentini an die EU, einen Sondergipfel einzuberufen, um die Beziehungen der EU zu Weißrussland neu zu bewerten. Sowohl angemessene Sanktionen für den Wahlbetrug als auch die Zusammenarbeit innerhalb der Partnerschaft mit der EU müssen überprüft werden, sagt Visentini: „Die Zivilgesellschaft und die Gewerkschaften brauchen mehr Unterstützung, finanzielle Hilfe der EU für die Regierung soll eingestellt werden.“
Es kann nicht sein, dass es ohne Konsequenzen bleibt, wenn ein Land in Europa die Menschenrechte derartig mit Füßen tritt.
Eindeutige Reaktion der EU muss her
„Wir fordern die Europäische Union zu einer starken und eindeutigen Reaktion und zu einer Neubewertung der Beziehung zu Weißrussland auf, die im Einklang mit den Werten der und Grundsätzen der EU steht“ – auch der ÖGB steht voll hinter dieser Forderung des EGB. „Es kann nicht sein, dass es ohne Konsequenzen bleibt, wenn ein Land in Europa die Menschenrechte derartig mit Füßen tritt. Eine eindeutige Reaktion der EU muss her“, bekräftigt ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian: „Der EGB steht in Kontakt mit den KollegInnen der Gewerkschaften in Weißrussland. Wir alle drücken unsere Solidarität mit ihrem Kampf für die Achtung der Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte und für die Freiheit in ihrem Land aus.“
Als Reaktion auf die massive internationale Kritik wurden nach einer Woche der Proteste Hunderte Festgenommene wieder freigelassen. Viele der Betroffenen berichteten von Schlägen und verweigertem Essen in den Gefängnissen.
Sondergipfel: EU-Staaten erkennen Wahlergebnis nicht an
Auch der mehrfach geforderte Sondergipfel zur politischen Krise in Weißrussland fand am 19. August statt: Die Wahl am 9. August sei weder fair noch frei gewesen, die Staats- und Regierungschefs werden das Ergebnis nicht anerkennen, berichtet die deutsche Kanzlerin Angela Merkel nach der Online-Konferenz.
Ausgerechnet Lukaschenko wies am 19. August, nach einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats, dazu auf, Unruhen zu verhindern: "Die Leute sind müde und wollen Frieden und Ruhe." Ein Ende der größtenteils friedlichen Proteste ist aber ohne Neuwahl vorerst nicht in Sicht.