Belarus OHNE Wahl
Gewerkschafter Antusevich berichtet von der Unterdrückung durch das Regime
Sich für die Rechte von Arbeitnehmer:innen in Belarus einzusetzen, war schon immer ein riskantes Unterfangen. Das Regime des umstrittenen Präsidenten Alexander Lukaschenko, seit 30 Jahren an der Macht, geht hart ins Gericht mit Kritiker:innen. Nach seiner manipulierten Wiederwahl eskalierte im August 2020 die Situation – Hunderttausende gingen auf die Straßen, die Proteste wurden gewaltsam niedergeschlagen, die Welle der Gewalt richtete sich auch gegen Gewerkschafter:innen.
Wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl am 26. Jänner 2025, deren Sieger erneut Lukaschenko heißen wird, besuchte Siarhei Antusevich, Vizepräsident des belarussischen Kongresses der Demokratischen Gewerkschaften (BKDP), auf Einladung des ÖGB Wien und gab Einblicke in das System Lukaschenko. Antusevich verbrachte mehr als zwei Jahre in Gefängnissen und in einer Strafkolonie. Nach seiner Freilassung im Herbst 2023 gelang ihm im Sommer 2024 die Flucht nach Deutschland. Dort arbeitet er bei Salidarnast, einer Organisation der belarussischen Gewerkschaftsaktivist:innen im Exil, die sich für den Wiederaufbau einer unabhängigen Gewerkschaftsbewegung und für die Freilassung von Gewerkschafter:innen stark macht.
Sturm auf die Gewerkschaftszentrale
Zehn mit Maschinengewehren Bewaffnete stürmten im April 2022 die Zentrale des unabhängigen Gewerkschaftsbundes BKDP. „Wir wussten nicht, was sie uns vorwerfen, sie haben so viele Paragraphen genannt, das konnte sich kein Mensch merken“, erzählt Antusevich. Nach stundenlangen Verhören war klar, dass es um den Vorwurf der Finanzierung der Proteste ging. „Sie haben nichts gefunden“, so Antusevich, es ging trotzdem weiter ins Gefängnis, wo er Monate in einer Zelle mit 14 Mithäftlingen verbrachte. Während des sechsstündigen Transports in einem Eisenbahnwaggon danach in die Strafkolonie musste er im Gegensatz zu einem verurteilten Mörder Handschellen tragen. Die Bitte, sie abnehmen zu dürfen, wurde verneint mit der Begründung: „Du hättest den Präsidenten ehren müssen.“ In der Strafkolonie wurden politische Gefangene durch gelbe Aufnäher an ihrer Kleidung gekennzeichnet.
Unzumutbare Haftbedingungen
Vor allem im Gefängnis waren die Gefangenen unzumutbaren Bedingungen ausgesetzt. „Ich hatte das Glück, eine Zelle mit einem Waschbecken zu haben“, berichtet Antusevich. BKDP-Präsident Aliaksandr Yarashuk ist immer noch inhaftiert, er durfte monatelang nur zweimal täglich zu fixen Zeiten die Toilette aufsuchen. Wie es dem bald 70-jährigen, herzkranken Mann geht, weiß man nicht immer, er darf keine Besuche bekommen, es besteht der begründete Verdacht, dass viele seiner Briefe an die Familie die Strafkolonie nicht verlassen.
Besonders perfide ist die Tatsache, dass Gefängnisstrafen mit einem von Lukashenko eingeführten Paragraphen jederzeit um ein weiteres Jahr verlängert werden dürfen, dafür braucht es nur belastende Aussagen von Gefängnisbeamten.
Der Hass auf die freien Gewerkschaften manifestiert sich natürlich auch außerhalb der Gefängnisse. Die Gründung von Betriebsgewerkschaften braucht nicht nur die Zustimmung des Arbeitgebers, sondern auch regionale Behörden müssen zustimmen. „Die Zahl der neuen Organisationen in den vergangenen Jahren kann man an einer Hand abzählen“, sagt Antusevich. Seit 2021 wurde das Arbeitsrecht zigmal verändert, fast immer zulasten der Arbeitnehmer:innen, „kaum etwas davon entspricht internationalen Standards“, berichtet er: „Proteste dagegen blieben wirkungslos. Außerdem verlässt die Menschen angesichts der Willkür und der Brutalität des Regimes immer mehr der Mut, sich zu wehren.“
Internationale Solidarität
Wie man das alles psychisch aushält? Er habe sich darauf konzentriert, fit zu bleiben, erzählt der Gewerkschafter, viel Kraft habe ihm die internationale Unterstützung gegeben. Sowohl der Internationale Gewerkschaftsbund IGB als auch die ILO (International Labour Organisation), der EGB (Europäischer Gewerkschaftsbund) und der ÖGB protestierten gegen die Verhaftungen. „Irgendwie haben uns diese Meldungen manchmal erreicht.“
„Die Gewerkschaften in Europa verfolgen die Situation in Belarus mit großer Sorge, wir werden uns weiterhin für die Freilassung von Präsident Yarashuk und anderer Gewerkschafter:innen in Haft einsetzen und alles in unserer Macht Stehende tun, damit die freien Gewerkschaften ihrer Arbeit wieder nachgehen können“, sagt EGB-Präsident Wolfgang Katzian nach einem Treffen mit Antusevich, der sich für diese Unterstützung bedankte: „Es richtet uns auf, dass unser Kampf nicht vergessen wird.“