Internationales
Historische Abstimmung: Erstmals Gewerkschaft bei Amazon
Rausgeworfener Vorarbeiter, der sich für mehr Schutz eingesetzt hatte, ist jetzt Gewerkschaftsboss
Die Meldung dieser Gewerkschaftsgründung ging um die ganze Welt: Zwei Jahre, nachdem er von Amazon entlassen worden war, weil er mehr Schutz für die Beschäftigten gefordert hatte, gelang Chris Smalls Anfang April das, was der Online-Gigant seit seiner Gründung vor 30 Jahren zu verhindern wusste: Amazon-MitarbeiterInnen in den USA stimmten erstmals für die Einführung einer Gewerkschaft.
Rauswurf für die Forderung nach mehr Schutz vor Corona
Der Großkonzern sorgt immer wieder für Schlagzeilen, weil MitarbeiterInnen schlecht behandelt werden: Illegale Arbeitsaufzeichnungen und -kontrollen, verbotene Gänge zur Toilette und unterlassene Hilfeleistungen sind nur ein Teil der Vorwürfe, die auch Chris Smalls dazu animierten, sich für die Rechte seiner KollegInnen einzusetzen. Der Vorarbeiter im Amazon-Lager im New Yorker Stadtteil Staten Island hatte nämlich 2020, zum ersten Höhepunkt der Corona-Pandemie, mehr Schutz vor dem Virus gefordert.
Monatelange Info-Kampagne vor dem Lagerhaus
Von der mit diesem Engagement eingehandelten Kündigung ließ er sich aber nicht entmutigen. Monatelang verteilte Smalls seitdem vor den Toren seines ehemaligen Arbeitsplatzes Flugblätter, um eine Gewerkschaft zu bilden. Auch ein im Vorjahr gescheiterter Versuch hielt den dreifachen Familienvater nicht davon ab, weiter für das Ziel einer Gewerkschaftsgründung zu kämpfen. Am 1. April schließlich gelang der historische Schritt: Die MitarbeiterInnen im Amazon-Lager stimmten mit 2654 Ja- zu 2131 Nein-Stimmen für die Einführung einer gewerkschaftlichen Vertretung.
Management kämpfte vergeblich dagegen
Das Amazon-Management wehrte sich bis zuletzt gegen die Mitbestimmung der ArbeiterInnen: Lagerhallen wurden mit „Vote No“-Flugblättern gepflastert und die MitarbeiterInnen zu verpflichtenden Informationsveranstaltungen während der Arbeitszeit eingeladen. Dort argumentierten Manager unter anderem damit, dass Amazon mehr als Mindestlohn zahle und für amerikanische Verhältnisse akzeptable Sozialleistungen biete – und dass deshalb keine Gewerkschaften notwendig seien. Smalls selbst war als „nicht intelligent oder wortgewandt“ eingestuft worden, wie der Neo-Gewerkschaftsboss vom durchgesickerten Mail einer Führungskraft berichtete.
Die MitarbeiterInnen sahen das anders, honorierten das Engagement ihres ehemaligen Kollegen und feierten die gelungene Gewerkschaftsgründung. „Wir haben Geschichte geschrieben. Wir sind die erste Gewerkschaft für Amazon in Amerika“, freute sich Smalls selbst über die gewonnene erste Schlacht gegen den Online-Giganten, wie Medien in den USA die Gewerkschaftsgründung bezeichnen.
Allianz fordert stärkere Besteuerung und bessere Arbeitsbedingungen auch in Österreich
Weitere derartige „Schlachten“ sind jedenfalls nicht ausgeschlossen. Amazon ist auch in Europa nicht gerade bekannt für faire Arbeitsbedingungen. Auch die Tatsache, dass der Großkonzern trotz Rekordumsätzen kaum Steuern zahlt, wird immer häufiger kritisiert. Der ÖGB fordert seit Jahren bessere Arbeitsbedingungen und eine stärkere Besteuerung des Großkonzerns, die Gewerkschaft GPA ist Teil einer Allianz gegen den Online-Giganten Amazon mit denselben Zielen.
Bericht der Nachrichtenagentur Reuters über die Gründung der ersten Gewerkschaft bei Amazon in Amerika