Internationales
Helfende Hände
Medikamente, Decken, Lebensmittel und mehr: Über 50 Tonnen Hilfsgüter hat der ÖGB bereits in die Ukraine gebracht. Wir machen weiter. Hilf uns!
Wenn Menschen in Not sind, leisten Gewerkschaften Hilfe. So war das früher und so ist das heute. Deshalb war die Unterstützung für die Menschen in der Ukraine für den ÖGB von Beginn an selbstverständlich. Schon Anfang März fand der erste gewerkschaftliche Hilfstransport statt, wenig später folgten zwei weitere Transporte. So wurden bereits Tonnen an Hilfsgütern in die Ukraine gebracht – und die Unterstützung geht weiter.
Wien, 6 Uhr morgens: Das Begleitfahrzeug des zweiten ÖGB-Hilfstransports setzt sich in Bewegung. Sechs GewerkschafterInnen haben darin Platz genommen, der große Kofferraum ist bis oben mit Medikamenten vollgestapelt. Doch der größte Teil der Ladung befindet sich im Lkw. Die 15 Tonnen an Hilfsgütern hat Lenker Ali Gjura bereits am Vortag eingeladen – Lebensmittel, Decken, Betten und Heizstrahler.
Wer rasch hilft, hilft doppelt. Die KollegInnen aus der Ukraine sagen uns, was sie brauchen – wir organisieren und liefern es.
Als in seiner Firma, Venz Logistik, die Frage aufgekommen war, wer die Hilfslieferung an die ukrainische Grenze übernehmen wolle, hatte er sich sofort gemeldet. „Ich weiß, was Krieg bedeutet“, erzählt Ali, dessen Eltern aus dem ehemaligen Jugoslawien stammen. „Es geht darum, den Menschen möglichst schnell zu helfen. Da darf man keine Zeit verlieren.“ Dem kann der Internationale Sekretär des ÖGB, Marcus Strohmeier, nur zustimmen: „Wer rasch hilft, hilft doppelt. Die KollegInnen aus der Ukraine sagen uns, was sie brauchen – wir organisieren und liefern es.“
Mehr als 50 Tonnen Hilfsgüter wurden vom ÖGB und seinen Partnern
bislang in die Ukraine gebracht.
7 Gewerkschaften und Gewerkschaftsbünde haben einen finanziellen Beitrag geleistet.
11 Unternehmen und Organisationen haben sich bislang mit Warenspenden beteiligt.
Mehr als 10.000 Menschen wurde mit den ÖGB-Transporten schon geholfen.
Ein Krieg in unserer Nachbarschaft
Im Begleitfahrzeug ist es zunächst sehr ruhig. Einige wirken nachdenklich, andere leicht angespannt. Nach einiger Zeit entwickelt sich ein Gespräch über das aktuelle Kriegsgeschehen und dessen Auswirkungen. Martina Schneller von der Gewerkschaft PRO-GE erklärt, wie die Produktion über die letzten Jahre immer mehr von Österreich in Billigproduktionsländer ausgelagert wurde. Zu diesen gehört auch die Ukraine, wo der Mindestlohn aktuell bei 270 Euro liegt. „Und jetzt? Jetzt mangelt es BMW in Steyr an Kabelbäumen und 3.000 Leute sind in Kurzarbeit“, fasst sie zusammen. Das Beispiel zeigt eindrucksvoll, wie vernetzt die Arbeitswelt mittlerweile ist, aber auch, wie nahe uns der Krieg in der Ukraine eigentlich ist – ganz abgesehen davon, dass man von Wien aus schneller an der ukrai-nischen Grenze ist als in Vorarlberg.
ÖGB als internationales Vorbild
Zu Mittag erreicht der gewerkschaftliche Hilfstransport die ostslowakische Stadt Košice, wo sich Miroslav Hajnoš vom Slowakischen Gewerkschaftsbund dem Konvoi anschließt. „Seit Kriegsbeginn nehmen wir Geflüchtete aus der Ukraine in unseren Gewerkschaftshäusern in der Ostslowakei auf. Jetzt wollen wir den nächsten Schritt machen und Hilfsgüter in die Ukraine bringen. Weil ihr wisst, wie man das am besten organisiert, komme ich mit euch mit.“
Auch die KollegInnen vom Italienischen Gewerkschaftsbund CGIL seien an den Erfahrungen des ÖGB interessiert, berichtet Miroslav, und wollten so bald wie möglich einen eigenen Transport organisieren. Internationaler Gewerkschaftsbund (IGB), Europäischer Gewerkschaftsbund (EGB) und Südtiroler Gewerkschaftsbund (ASGB) haben die bisherigen Hilfslieferungen finanziell unterstützt. „Weil wir so schnell gehandelt haben, sind wir zur Drehscheibe für gewerkschaftliche Hilfe aus ganz Europa geworden“, erklärt Strohmeier.
Kurz nach 15 Uhr erreichen wir den vereinbarten Treffpunkt in Sobrance, unweit der ukrainischen Grenze. Doch die Übergabe sollte länger dauern als gedacht. Erst um 17.30 Uhr kommt der Lkw aus der Ukraine bei uns an. „Wir haben alles versucht, um pünktlich hier zu sein, aber an der Grenze sind einfach sehr viele Leute, die das Land so schnell wie möglich verlassen wollen“, erklärt der Präsident des Ukrainischen Gewerkschaftsbundes, Grygorii Osovyi, der die Hilfslieferung in Empfang nimmt.
Viele mussten alles zurücklassen
Vier Millionen UkrainerInnen sind seit dem Beginn des russischen Angriffs am 24. Februar bereits aus dem Land geflohen. Die meisten davon sind Frauen und Kinder, daneben viele ältere Menschen. Männern zwischen 18 und 60 Jahren hat die ukrainische Regierung die Ausreise verboten. Weil Gewerkschaftspräsident Osovyi schon älter ist, können wir uns mit ihm im äußersten Osten der Slowakei treffen, von wo aus der ukrainische Lkw die Hilfsgüter nach Transkarpatien in der Westukraine bringen wird. Dort hat der Ukrainische Gewerkschaftsbund unmittelbar nach Kriegsbeginn sechs Sanatorien für Geflüchtete aus dem Osten des Landes geöffnet.
Allein in den ersten beiden Wochen haben wir in unseren Häusern 74.000 Menschen untergebracht.
„Allein in den ersten beiden Wochen haben wir in unseren Häusern 74.000 Menschen untergebracht“, erzählt der Gewerkschaftspräsident. Die meisten Menschen, denen die Gewerkschaft einen Zufluchtsort bietet, nutzen diesen als Zwischenstation auf ihrem Weg nach Ungarn, Rumänien oder in andere EU-Länder. Viele andere aber wollen bleiben – vor allem diejenigen, die aufgrund der akuten Bedrohung sofort fliehen und all ihr Hab und Gut zurücklassen mussten. „Diese Menschen stehen mit leeren Händen vor uns. Erst kürzlich haben wir in einem unserer Häuser 90 Kinder aufgenommen, die aus einem Kinderheim evakuiert werden mussten“, berichtet Präsident Osovyi.
Seit Kriegsbeginn nehmen wir Geflüchtete aus der Ukraine in unseren Gewerkschaftshäusern in der Ostslowakei auf. Jetzt wollen wir den nächsten Schritt machen und Hilfsgüter in die Ukraine bringen. Weil ihr wisst, wie man das am besten organisiert, komme ich mit euch mit.
Unterstützung wird dringend gebraucht
Aktuell sind knapp 6.000 Geflüchtete in den ukrainischen Gewerkschaftshäusern untergebracht, die Auslastung der Häuser liegt laut Osovyi bereits bei 150 Prozent. „Und es kommen immer mehr Menschen – aus Donezk, aus Lugansk, aus Kiew. Viele sind schwer traumatisiert.“ Alle verfügbaren Räume in den Gewerkschaftshäusern werden genutzt, behelfsmäßig so viele Schlafplätze wie möglich eingerichtet. „Wir wollen niemanden abweisen“, erklärt der Präsident. Deshalb bringe der Ukrainische Gewerkschaftsbund Schutzsuchende mittlerweile auch in Kindererholungsheimen unter. Weil diese normalerweise nur im Sommer genutzt werden, gebe es dort jedoch keine Heizung. „Deshalb werden die vom ÖGB gelieferten Decken, Betten und Heizstrahler jetzt dringend gebraucht – vielen, vielen Dank dafür –, leider benötigen wir aber noch mehr davon“, sagt der Ukrainische Gewerkschaftspräsident zum Abschluss.
Als der ÖGB-Transporter um zwei Uhr nachts wieder in Wien ankommt, hat die Planung für die nächste Hilfslieferung schon längst begonnen. Und bei Redaktionsschluss war die dritte Hilfslieferung auch schon unterwegs.
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