Protest in Belarus
ILO-Weltarbeitskonferenz kritisiert Regime in Belarus
ÖGB unterstützt Protest gegen Vorgangsweise Lukaschenkos: ArbeitnehmerInnen mit befristeten Verträgen unter Druck gesetzt
Die Entführung einer Passagiermaschine nach Minsk, um den regierungskritischen Blogger Roman Protassewitsch festnehmen und mit mutmaßlich unter Folter erzwungenen Geständnissen im staatlichen Fernsehen vorführen zu können, haben die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit wieder nach Belarus gelenkt. Dieses von der EU heftig kritisierte und mit Flugverboten bestrafte Vorgehen ist allerdings nur die Spitze des Eisbergs: Verhaftungen und Repressalien stehen auf der Tagesordnung. Mittlerweile sind mehr als 30.000 Menschen inhaftiert, Präsident Lukaschenko zeigt trotz internationaler Proteste kein Einlenken.
Hunderte GewerkschafterInnen inhaftiert
Das Verbot von Gewerkschaften und Streiks, die Verfolgungen und die ständige Bedrohung kritischer Menschen sind auch für das Gros der ILO-Länder nicht tragbar. Auch Hunderte GewerkschafterInnen warten in Gefängnissen auf ihre Verfahren. Bei der derzeit (online) laufenden 109. Weltarbeitskonferenz der Internationalen Arbeitsorganisation ILO (International Labour Organizaion) widmet sich die aus drei Teilen (Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Regierungen) bestehende „Weltsozialpartnerschaft“ auch den Problemen in Belarus.
Nicht immer sind sich die VertreterInnen der globalen Arbeitgeberschaft, der Regierungen und der ArbeitnehmerInnen einig, aber im Fall von Belarus wurde der Protest am 7. Juni sehr klar und einhellig formuliert. Auch wenn die an der Konferenz teilnehmende belarussische Ministerin für Arbeit und Soziales, der Arbeitgeberverband von Belarus und die mit Lukaschenko verbündete Gewerkschaftskonföderation FPB positive Worte zur Politik ihrer Regierung fanden. Der Weltgemeinschaft ist klar, was in den vergangenen Monaten in Weißrussland geschehen ist.
Befristete Arbeitsverträge als Druckmittel
Der von seiner eigenen Regierung verhinderte Präsident der freien Gewerkschafen von Belarus, Alexander Yarashuk, berichtete den Delegierten vom Druck, der auf ArbeitnehmerInnen ausgeübt wird: „Schon für die Teilnahme an den friedlichen Demonstrationen gab es Repressalien gegen die ArbeitnehmerInnen. Die Regierung ging nun so weit, dass fast 90 Prozent aller unselbständig Tätigen in Belarus nur noch einen befristeten Arbeitsvertrag bekommen haben.“
Der kämpferische Gewerkschafter macht damit klar, dass nun über vier Millionen Menschen in seinem Land von der Gunst der Regierung abhängig wurden. Wer in Hinkunft „aus der Reihe tanzt“, wird seinen Arbeitsplatz verlieren. Eine schlimme Drohung für die arbeitende Bevölkerung des ebenfalls stark von der Corona-Pandemie betroffenen Landes.
ÖGB: Werden nicht müde, gegen Ungerechtigkeiten aufzutreten
Der Druck auf Belarus wächst. „Es ist ein ungleicher Kampf, aber die Solidarität und die klare Kritik der Weltgemeinschaft lassen keinen Zweifel zu, auf welcher Seite die Menschen außerhalb von Belarus stehen“, sagt ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. „Wir verurteilen die Unterdrückung der freien Gewerkschaften, die Repressalien gegen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und die Gewalt, mit der friedliche Proteste blutig niedergeschlagen werden. Wir lassen unsere Kolleginnen und Kollegen nicht im Stich, wir werden nicht müde, gegen Ungerechtigkeiten aufzutreten.“
EU: Gründung neuer freier Gewerkschaften muss respektiert werden
Der Portugiese Claudino de Oliveira ließ als Vertreter der Mitgliedsländer der EU keinen Zweifel über die momentane Politik des Staatenbündnisses aufkommen: „Die Vereinigungsfreiheit, die Gründung neuer freier Gewerkschaften, muss respektiert werden. Die EU ist über die Verschärfung des Drucks von Lukaschenko vor allem gegen die ArbeitnehmerInnen schockiert und kritisiert diese Politik auf das Entschiedenste.“ Ungeachtet der Solidaritätsbotschaft Russslands für Lukaschenko äußerte auch der russische Arbeitnehmervertreter, Boris Krawtschenko Kritik: „Belarus ignoriert seit 2014 die ILO-Empfehlungen für die Verbesserungen der Arbeitsverhältnisse im Land. Darüberhinaus können wir nicht akzeptieren, wie mit kritischen ArbeitnehmerInnen umgegangen wird. Im Namen der russischen, armenischen und moldauischen Gewerkschaften protestieren wir gegen die Inhaftierung der vielen GewerkschaftskollegInnen und gegen die Massenentlassungen kritischer Berufstätiger.“