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Sebastian Nestorov (links) und Jorge Plaut kämpfen Seite an Seite für bessere Arbeitsbedingungen bei Amazon. ÖGB/RolanddeRoo

Mitbestimmung

Kampf für faire Arbeitsbedingungen bei Amazon

Anderswo bekämpft der weltweit größte Onlinehändler die Gründung von Betriebsräten. In Österreich haben nach den Angestellten jetzt auch die Arbeiter einen Betriebsrat

Seit 2018 betreibt Amazon mittlerweile fünf Logistik-Standorte in Österreich. Insgesamt sind 700 Arbeiter und 150 Angestellte beschäftigt, sie alle haben jetzt einen Betriebsrat: Im Mai 2024 konstituierte sich der Betriebsrat für die Angestellten, zum Jahresende war es auch für die Arbeiter so weit.

„Ich kann nicht Nein sagen, wenn jemand etwas von mir möchte“, lacht Jorge Plaut. Der 40-Jährige arbeitet mit Unterbrechungen, um seine Kinder betreuen zu können, seit 2020 im Lager in Großebersdorf. Sein „Ja“ zur Betriebsratstätigkeit hat er noch nicht bereut, obwohl der Konzern die Wahl des Arbeiterbetriebsrats juristisch bekämpft, weil sie angeblich nicht ordnungsgemäß abgelaufen sein soll. Plaut reagiert gelassen auf die Klage: „Der Vorwurf, dass nicht alle über die Wahl informiert gewesen wären, ist absurd. Der Ball liegt jetzt beim Gericht.“

„Arbeiter sind keine Roboter“

Außerdem hat der gebürtige Venezolaner alle Hände voll zu tun. Wichtigstes Ziel des neunköpfigen Betriebsratsteams ist es, seinen Kollegen zu erklären, dass sie auch Rechte haben. Das Arbeitspensum steigt und steigt, die Anzahl der Mitarbeiter leider nicht im selben Ausmaß, so Plaut: „Wir sind keine Roboter.“ Viele der Arbeiter kommen aus Ländern wie Syrien, Afghanistan oder anderen Ländern: „Sie kennen keine demokratischen Systeme, und glauben, zu allem Ja sagen zu müssen, um ihre Jobs nicht zu verlieren.“

Die Sprachbarriere wird dadurch überwunden, dass unter den Betriebsräten auch arabisch sprechende Kollegen sind, Informationen werden in mehreren Sprachen gedruckt – und gut angenommen: „Nach dem ersten Aushang auf dem Schwarzen Brett sind mehr als 60 Leute mit Fragen gekommen.“ Plauts erklärtes Ziel liegt also auf der Hand: Er kämpft dafür, dass Amazon den Kollektivvertrag korrekt anwendet. 

Verhandlungen über bessere Einstufungen

Dieses Anliegen verbindet ihn mit den Kollegen des Betriebsrats für die Angestellten. „Uns geht es natürlich auch um gute Arbeitsbedingungen, aber vor allem um grundlegende Themen wie korrekte Einstufungen“, erklärt Vorsitzender Sebastian Nestorov. Bei Amazon sind die Beschäftigten nach einem Level-System eingeteilt, von Level 1 für Arbeiter bis Level 7 für Manager:innen. Das Gehaltssystem des Konzerns sieht keine Reallohnerhöhungen für Beschäftigte höherer Levels vor, auch andere finanzielle Benefits gibt es kaum.

Wir verhandeln gerade mehrere Betriebsvereinbarungen, etwa zur Arbeitszeit.

Sebastian Nestorov , Betriebsrat Amazon

Die Gesprächsbasis mit der Geschäftsführung bezeichnen Nestorov und sein Stellvertreter Bernhard Bintinger, beide selbst im Management des Konzerns, zwar grundsätzlich als gut, irgendwie vermittle diese aber mitunter, Anliegen des Betriebsrats nicht als prioritär einzustufen. Der Ansprechpartner für den Betriebsrat wurde gewechselt, Fristen werden nicht immer eingehalten, präzisiert Nestorov: „Wir verhandeln gerade mehrere Betriebsvereinbarungen, etwa zur Arbeitszeit . Grundsätzlich wird uns zwar guter Wille entgegengebracht, aber Antworten zum vereinbarten Zeitpunkt gibt es nicht immer.“ 

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Die Betriebsräte tauschen ihre Erfahrungen nicht nur untereinander regelmäßig aus, es gibt auch viel Kontakt mit den zuständigen Gewerkschaften, GPA (zuständig für Angestellte) und vida (zuständig für Arbeiter), ohne deren Unterstützung auch die Betriebsratswahl erst gar nicht möglich gewesen wäre, sind sich alle einig. 

Warum sie sich trotz mancher Hürden im Betriebsrat engagieren? Plaut beruft sich auf einen Leitspruch seiner Station: „One Mission, one Vision, one Team“ – es gehe um faire Arbeitsbedingungen und um Gerechtigkeit für alle. Oder, wie es seine Kollegen vom Angestelltenbetriebsrat formulieren: „Wir wollen den Standort Österreich zu einem besseren und attraktiveren Platz machen!“

 

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