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Vietnams Bevölkerung ist ein Indikator dafür, wie sehr sich das Land in den letzten Jahrzehnten verändert hat: Von 1960 bis 2024 stieg die Einwohner:innenzahl in Vietnam von 32 Millionen auf fast 99 Millionen Einwohner.
Vietnams Bevölkerung ist ein Indikator dafür, wie sehr sich das Land in den letzten Jahrzehnten verändert hat: Von 1960 bis 2024 stieg die Einwohner:innenzahl in Vietnam von 32 Millionen auf fast 99 Millionen Einwohner. Paul – stock.adobe.com

International

Vietnam im Umbruch

Einst gezeichnet durch Kriege mit Kolonialmächten und Imperialisten, ist Vietnam heute als boomendes Tourismusland bekannt. Gleichzeitig übertreffen sich die Wirtschaftszahlen des kommunistischen Landes von Jahr zu Jahr. oegb.at hat mit dem vietnamesischen Gewerkschaftssekretär über die Kosten des wirtschaftlichen Aufstiegs des Landes gesprochen.

Vietnams Bevölkerung ist ein Indikator dafür, wie sehr sich das Land in den letzten Jahrzehnten verändert hat: Von 1960 bis 2024 stieg die Einwohner:innenzahl in Vietnam von 32 Millionen auf fast 99 Millionen Einwohner. Dass sich ein derart massives Bevölkerungswachstum von 200 Prozent in 60 Jahren auch in der Arbeitswelt niederschlägt, liegt auf der Hand.  

Textilproduktion unter Druck

Vor allem die Branchen, die von Frauen dominiert werden, allen voran die Textilproduktion, kennzeichnen sich durch niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen. Und das, obwohl Frauen emanzipiert und in Vietnam in hohen Positionen vertreten sind – sowohl im Staat als auch in der Gewerkschaft. Und obwohl von den zwei Millionen Textilarbeiter:innen 60 bis 70 Prozent in den Betrieben gewerkschaftlich organisiert sind. Warum das so ist, erklärt Hieu Xuan Duong, der Internationale Sekretär des Vietnamesischen Gewerkschaftsbundes, der auf Einladung des Vereins solidar Austria nach Österreich gekommen ist: „Die großen ausländischen Unternehmen wollen mehr Qualität und haben höhere Ansprüche, gleichzeitig aber wollen sie nicht mehr bezahlen. Das macht die Situation für Arbeitnehmer:innen in Vietnam so schwierig”. Zwar habe die starke Präsenz der Gewerkschaft in vielen Bereichen zu Verbesserungen geführt, leichter werde es zukünftig aber wohl nicht.

„Die großen ausländischen Unternehmen wollen mehr Qualität und haben höhere Ansprüche, gleichzeitig aber wollen sie nicht mehr bezahlen. Das macht die Situation für Arbeitnehmer:innen in Vietnam so schwierig”, sagt Hieu Xuan Duong, der Internationale Sekretär des Vietnamesischen Gewerkschaftsbundes.
„Die großen ausländischen Unternehmen wollen mehr Qualität und haben höhere Ansprüche, gleichzeitig aber wollen sie nicht mehr bezahlen. Das macht die Situation für Arbeitnehmer:innen in Vietnam so schwierig”, sagt Hieu Xuan Duong, der Internationale Sekretär des Vietnamesischen Gewerkschaftsbundes. ÖGB - Roland de Roo

Klimakrise bedroht Vietnam

Denn der Umbruch im Land vollzieht sich auf vielen Ebenen. Vietnam wurde vom Agrarland zum Industrieland und aufgrund wirtschaftlicher Blüte vom Entwicklungsland zum Schwellenland. Der exzessive Ausbau im Tourismus vermehrt den Wohlstand, führt aber auch, wie überall auf der Welt, zur Zerstörung der Umwelt. „Gerade Vietnam ist laut Global Climate Risk Index eines jener Länder, die vom Klimawandel am stärksten betroffen sind – wir müssen dringend nachhaltiger werden”, erklärt der Hieu Xuan Duong. Erst kürzlich, am 7. September 2024, brach der Super-Taifun Yagi über Vietnam herein, der stärkste Sturm in der Region seit Jahrzehnten. Unzählige Wohnhäuser und Produktionsstätten wurden zerstört – mit existenzbedrohenden Folgen für Millionen von Menschen. „In dieser Zeit haben wir gerade in Hanoi, wo ich herkomme, versucht, möglichst viel zu retten und so viele betroffene Arbeitnehmer:innen zu unterstützen wie nur irgendwie möglich”, schildert der Gewerkschaftssekretär.

Solidar

Solidar Austria ist der entwicklungspolitische Verein in der österreichischen Gewerkschaftsbewegung und besteht seit 1994

Globale Vernetzung muss ausgebaut werden

Neben der Klimakrise setzt auch die globale Wirtschaft Vietnam unter Druck, erklärt Hieu Xuan Duong: „Es gibt eine langsame Verbesserung der wirtschaftlichen Situation in vielen ehemaligen Kolonien zu beobachten. Diese neuen Schwellenländer lassen sich nun nicht mehr so leicht mit Freihandelsverträgen der USA oder der EU über den Tisch ziehen, sie schließen sich ebenfalls zusammen. Dadurch sind einige Freihandelsabkommen ins Stocken geraten. Die USA und EU versuchen nun zunehmend, bilateral zu verhandeln, um ihre Spielregeln weiter durchsetzen zu können”, erklärt der Gewerkschafter. Ein erbitterter Wettkampf zwischen Schwellenländern und Industrieländern ist die Folge. Um diesen Herausforderungen gemeinsam zu begegnen, muss die internationale Vernetzung und Zusammenarbeit der Gewerkschaften weltweit weiter verstärkt werden: „Deshalb bin ich hier", sagt Hieu Xuan Duong

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