Gewerkschaftsgeschichte
„Diskriminierung erfolgt überall, aber besonders am Arbeitsplatz“
Der internationale Kampf für mehr Gleichberechtigung in der Arbeitswelt
Der Kampf um mehr Gleichstellung von LGBTIQ*-Menschen am Arbeitsplatz war lange Zeit ein blinder Fleck in der internationalen Gewerkschaftsgeschichte. Sexuelle Orientierung wurde als etwas Privates gesehen. Die ersten am Arbeitsplatz dokumentierten Diskriminierungsfälle in den 1970er Jahren zeigten aber: Es braucht gewerkschaftliches Handeln und viel Kreativität. So nahm der gewerkschaftliche Kampf Fahrt auf.
Die Annäherung zwischen Gewerkschaft und Homosexuellenbewegung
Einer der ersten Proteste gegen Diskriminierung homosexueller Menschen am Arbeitsplatz war der Boykott gegen den Bierhersteller Coors in den USA von 1977. Das Unternehmen war bekannt für seine diskriminierenden Praktiken. So wurden bei Arbeitsbeginn sowohl sexuelle Orientierung als auch Gewerkschaftsmitgliedschaft abgefragt. Beides war ein Ausschlusskriterium. Die Gewerkschaft der Transportarbeiter:innen organisierte daraufhin gemeinsam mit Homosexuellen-Bars einen Boykott. In sämtlichen Bars des Landes wurde demonstrativ das Coorsbier in den Abfluss geschüttet. Der Protest hatte nachhaltige Wirkung: die Aktien von Coors rasselten in den Boden und bis heute wird in Homosexuellen-Bars kein Coors-Bier ausgeschenkt.
Ungefähr zu selben Zeit regten sich in Großbritannien die ersten größeren Proteste in der Lehrer:innengewerkschaft . Ein Lehrer wurde von der Behörde nach seinem „Outing“ entlassen. Die Gewerkschaft nahm sich zunächst nur zögerlich des Themas an und wurde durch Betroffenengruppen aus den eigenen Reihen dazu motiviert, bewusst homosexuelle Mitglieder aufzustellen und zu wählen. Somit fanden die LGBTIQ*-Anliegen einen direkten Weg auf die politische Agenda.
Kollektiverträge beinhalten Antidiskriminierungsklauseln und die Gleichbehandlung bei Sozialleistungen
Betriebsrät:innen und Gewerkschaft beraten bei Diskriminierungsfällen
In unseren Broschüren erfährst du mehr über deine Rechte
Höre Podcasts der Gewerkschaft vida zum Thema nach
Rechtliche Infos findest du in unserem Artikel „Muss ich mich beim Bewerbungsgespräch outen?“
1984/85 unterstütze die britische Homosexuellenbewegung die Bergarbeiterstreiks. Beide waren erklärte Gegner:innen der mächtigen und neoliberalen Premierministerin Margaret Thatcher. Die Annäherung zwischen ihnen war zunächst schwierig und von vielen Vorurteilen geprägt. Es entstand daraus aber eine starke Solidaritätsbewegung. Das Ergebnis: 1985 führten die Bergarbeiter die Lesbian and Gay Pride an und in der Labour Party wurde der Antrag auf Gleichberechtigung von LGBTIQ*-Menschen durchgebracht. Die Geschichte wird im berührenden Film „Pride“ nacherzählt.
Internationale Gewerkschaftsagenda: LGBTIQ-Rechte
1993 war die Zeit reif, LGBTIQ-Rechte auch auf internationaler Ebene aufzugreifen. Der internationale Zusammenschluss der Lehrer:innen und öffentlich Bediensteten (Internationale der Öffentlichen Dienste) rief beim 25. Weltkongress seine Mitglieder zur aktiven Bekämpfung von Diskriminierung in ihren jeweiligen Ländern auf, beginnend beim Arbeitsplatz bis zur hohen Politik.
Der EGB steht in vorderster Front bei der Verteidigung der Menschenrechte, der Gewerkschaftsrechte und der Gleichberechtigung für alle arbeitenden Menschen.
EGB Kongress 2008
2008 trat der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) mit einer klaren Haltung in die Öffentlichkeit: „Der EGB steht in vorderster Front bei der Verteidigung der Menschenrechte, der Gewerkschaftsrechte und der Gleichberechtigung für alle arbeitenden Menschen.”, verlautbarte der EGB 2008 und konkretisierte damals erstmal, dass diese Verpflichtung selbstverständlich auch den Kampf für Gleichberechtigung und Nicht-Diskriminierung, für Respekt und Würde von LGBTIQ*-Personen umfasst.
Österreich spielte ebenso eine wichtige Rolle. Genauer gesagt war es der ehemalige PRO-GE-Branchensekretär Gerhard Riess, der beim internationalen Gewerkschaftsbund der Lebensmittel-, Agrar- und Gastronomiearbeiter:innen (IUL) den Stein ins Rollen brachte.„Diskriminierung erfolgt überall, aber besonders am Arbeitsplatz. Dagegen kämpfen wir“ so Riess zu dem Vorhaben. Er war maßgeblich an der Gründung eines LGBTIQ*-Ausschusses im IUL beteiligt. 2018 veranstaltete er eine Konferenz in Wien, um über lokale Herausforderungen und globale Lösungen zu diskutieren.
Aktuell bringt sich der ÖGB als Sozialpartner bei der EU-Strategie zur Gleichstellung von LGBTIQ*-Menschen ein. So wird u.a. eine Richtlinie gegen „Hate-Crime“, also gegen Hassreden und Hetze, ausgearbeitet. Federführend dabei: Die EU-Abgeordnete und ÖGB-Vorstandsmitglied Evelyn Regner.
Und der gewerkschaftliche Kampf für mehr Gleichstellung wird weitergehen. In über 70 Ländern werden LGBTIQ*-Menschen gesetzlich diskriminiert und in acht Ländern wird Homosexualität mit dem Tod bestraft. Es bleibt also noch viel zu tun.