Gleichstellung
Frauen: Höher gebildet, schlechter bezahlt
Enorme Einkommensunterschiede nach Bildung und Geschlecht: Der „Education Gender Pay Gap“ liegt in Österreich zwischen 17 und 40 Prozent
Frauen sind in vielen Bereichen immer noch benachteiligt. Ganz besonders wirkt sich das auf das Einkommen aus. Der „Education Gender Pay Gap“, der Lohnunterschied bei Bildungsabschlüssen, liegt in Österreich zwischen 17 und 40 Prozent, wie das Momentum Institut in seinem Bildungsreport berechnet hat. Das ist enorm. Oegb.at hat ÖGB-Vizepräsidentin und -Frauenvorsitzende Korinna Schumann gefragt, was sich ändern muss.
Wie ist der Zusammenhang zwischen Bildung und Einkommen?
Schumann: Wenig überraschend gilt generell: je höher gebildet, desto höher ist auch das Einkommen. Der Einkommensunterschied zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Bildungsgrad liegt bei rund 60 Prozent. Dann gibt es aber noch den Faktor Geschlecht: Obwohl Frauen häufiger höhere Bildungsgrade haben als Männer, verdienen sie trotzdem weniger. Das zieht sich durch alle Bildungsstufen hindurch. Wir haben daher einen „Education Gender Pay Gap“ (Education-GPG). Der liegt in Österreich zwischen 17 und 40 Prozent.
Gibt es Unterschiede auch bei Frauen und Männern mit einem Universitätsabschluss?
Ja. Es gibt kein Ausbildungsfeld, in dem Frauen mit dem gleichen Bildungsgrad besser bezahlt werden als Männer. Im Gegenteil: Eine Frau mit Masterabschluss verdient oft weniger als ein Mann mit Bachelorabschluss im gleichen Studienfeld. Nach Studienfeldern aufgeschlüsselt gibt es ebenfalls enorme Education-GPGs: Das betrifft sowohl Männerdomänen wie auch Berufsfelder, in denen viele Frauen beschäftigt sind: Im männerdominierten Ingenieurswesen, verarbeitenden Gewerbe und Baugewerbe liegt der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern bei 24 Prozent, aber auch nach einem Masterabschluss in Pädagogik verdienen Frauen um 15 Prozent weniger als Männer. Auch höhere Bildung schützt also nicht vor Lohnunterschieden.
Wie sieht es konkret bei Einkommen nach Bildung und Geschlecht aus?
Es gibt eine ungleiche Verteilung der Geschlechter in den Einkommenszehnteln: 60 bis 70 Prozent der Personen in den ärmsten Einkommenszehnteln sind weiblich. Das reichste Einkommenszehntel besteht hingegen zu 80 Prozent aus Männern. Auch innerhalb der Einkommenszehntel gibt es Unterschiede. Auffällig ist, dass die Einkommensunterschiede zwischen erwerbstätigen Männern und Frauen größer werden, je reicher das Zehntel ist. An der Spitze der Einkommensverteilung (reichste 10 Prozent) verdienen Frauen um rund 32 Prozent weniger.
Es gibt auch Unterschiede, die unabhängig von Bildungsgrad vorhanden sind?
Unabhängig vom Bildungsgrad arbeiten Frauen häufiger Teilzeit als Männer. Jene wenigen Männer in Teilzeit verdienen dann trotzdem besser als Frauen in Teilzeit. Ebenfalls unabhängig vom Bildungsgrad ist die Einkommenslücke: Nach jedem Bildungsabschluss verdienen Frauen weniger als Männer mit dem gleichen Abschluss.
Welche Schlüsse sollten wir aus diesen Erkenntnissen des Momentum Instituts ziehen?
So schön es ist, dass immer mehr Frauen hohe Bildungsabschlüsse anstreben und haben – das alleine wird uns nicht helfen, den Gender Pay Gap zu reduzieren. Wir brauchen endlich Maßnahmen, die eine Vollzeitarbeit für alle Frauen – und auch Männer – ermöglichen. Das heißt: Rechtsanspruch auf einen ganzjährigen, leistbaren und mit Vollzeitarbeit vereinbaren Kinderbildungsplatz ab dem 1. Geburtstag, eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich sowie die Umsetzung des ÖGB-AK-Modells zur Familienarbeitszeit. Und wir brauchen eine Neubewertung von Arbeit, damit vor allem die systemerhaltenden, frauendominierten Branchen endlich besser bezahlt werden.