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Elisabeth Mandl

Gewalt gegen Frauen

Wenn die eigenen vier Wände zur Hölle werden

Gewalt-Expertin im Interview: Was Betroffene und KollegInnen tun können

Jede fünfte Frau hat schon einmal körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren. Jedes Monat werden in Österreich im Schnitt drei Frauen ermordet. Präventionsarbeit kann Leben retten. Wie diese aussehen und wie man auch am Arbeitsplatz Gewaltbetroffene unterstützen kann, erklärt Andrea Brem, Geschäftsführerin der Wiener Frauenhäuser, im Interview mit oegb.at.

 

oegb.at: Steigt die Gewalt während der Feiertage?

 

Brem: Früher ja – jetzt hat sich die Gesellschaft verändert. Sie ist vielfältiger geworden und es feiern zum Beispiel nicht mehr alle Weihnachten. Aber wenn die Familie auf engem Raum zusammen ist und Kinder nicht in externer Betreuung sind, hat grundsätzlich alles, was mit Erwartungen und nicht erfüllten Erwartungen zu tun hat, viel Gewaltpotenzial. Was auch auffällt: Wenn in Medien über Morde berichtet wird, dann steigen bei uns die Anfragen und Betroffene merken, dass sie auch bedroht sind. 

 

oegb.at: Was raten Sie Frauen, die von Gewalt betroffen sind?

 

Brem: Mein Appell ist, dass sich Frauen Beratung holen sollen. Sie können sich anonym darüber informieren, wie eine Scheidung funktioniert, welche Möglichkeiten sie als Gewaltopfer haben oder wie man eine Anzeige macht. Und wenn akut Gewalt besteht – wenn die Frau bedroht oder misshandelt wird –, rate ich Frauen natürlich immer, die Polizei zu rufen. Hier ersuche ich auch alle Nachbarn: Wenn jemand um Hilfe schreit, bitte ruft die Polizei! Das kann Leben retten.

 

oegb.at: Woran merkt man, wenn eine Frau von Gewalt betroffen ist?

 

Brem: Man merkt es an Verletzungen oder an Andeutungen. Dann ist es sehr wichtig, der Frau zu sagen: „Ich bin da, wenn du mich brauchst.“ Man sollte aber nicht enttäuscht sein, wenn sie nicht gleich zur Polizei geht. Viele Frauen schaffen es nicht sofort, den Mann anzuzeigen. Er ist ja auch in vielen Fällen der Ehemann und der Vater der Kinder.

 

oegb.at: Was können KollegInnen und BetriebsrätInnen tun, wenn sie Verdacht schöpfen?

 

Brem: Zunächst können sie die Betroffene sensibel ansprechen. Wenn sie abblockt, muss man das allerdings so stehen lassen. Firmen können gewaltbetroffenen Frauen, die von ihrem Partner getrennt sind, auch helfen, indem sie sie zum Beispiel in anderen Filialen einsetzen. So kann sie der Mann nicht finden. Darüberhinaus beraten wir aber auch BetriebsrätInnen, sie können in den Betrieben unsere Folder und unser Infomaterial auflegen.

 

oegb.at: Was braucht es, um Gewalt gegen Frauen besser einzudämmen?

 

Brem: Wichtig ist immer, dass sich Frauen Hilfe holen. Das heißt nicht automatisch, dass sie gleich eine Anzeige machen müssen. Prinzipiell braucht es aber auch Veränderungen im Großen. Da geht es nicht zuletzt um eine ausreichende bundesweite Absicherung der Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen, in denen die Belegschaft – auch während der Corona-Zeit – Großartiges leistet. 

Prinzipiell reicht das Thema aber auch in viele andere Bereiche hinein, die mitzudenken sind. Etwa funktioniert die gemeinsame Obsorge von Kindern bei gewaltbetroffenen Frauen nicht. Männer üben dann über die Kinder Druck auf die Frauen aus und die Quälerei geht weiter. Auch Frauenarmut und an ein bestimmtes Familieneinkommen gekoppelte Aufenthaltstitel erschweren Trennungen. Frauen stehen dann vor dem existenziellen Nichts. Das kann es nicht sein! Hier braucht es unbedingt Verbesserungen und die Politik ist gefragt, diese zu schaffen. 

Bist auch du von Gewalt betroffen oder willst Gewaltbetroffene unterstützen, kannst du dich hier beraten lassen:

Frauenhelpline gegen Gewalt:0800 222 555
Beratung rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr in ganz Österreich

Gewaltschutzzentrum Burgenland
Oberwart: 03352/314 20
www.gewaltschutz.at

Gewaltschutzzentrum Kärnten
Klagenfurt: 0463/590 290
www.gsz-ktn.at

Gewaltschutzzentrum NÖ
St. Pölten: 02742/319 66
www.gewaltschutzzentrum-noe.at

Gewaltschutzzentrum OÖ
Linz: 0732/60 77 60
www.gewaltschutzzentrum.at/ooe

Gewaltschutzzentrum Salzburg
Salzburg: 0662/870 100
www.gewaltschutzsalzburg.at

Gewaltschutzzentrum Steiermark
Graz: 0316/77 41 99
www.gewaltschutzzentrum-steiermark.at

Gewaltschutzzentrum Tirol
Innsbruck: 0512/57 13 13
www.gewaltschutzzentrum-tirol.at

ifs Gewaltschutzstelle Vorarlberg
Feldkirch: 0517/555 35
www.ifs.at

Frauennotruf der Stadt Wien
01/71 71 9 (rund um die Uhr)
www.frauennotruf.wien.at

Frauenhausnotruf Wien
05 77 22 (rund um die Uhr erreichbar)
www.frauenhaeuser-wien.at 

 

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