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Gewalt am Arbeitsplatz ist ein großes Problem Roland de Roo

Sicherheit

Gewalt am Arbeitsplatz: Zwei Frauen berichten

Betroffene werden oft nicht ernstgenommen, es fehlt an Aufklärung und Unterstützung

Gewalt am Arbeitsplatz ist für viele Frauen trauriger Alltag – ob verbal, körperlich oder sexuell. Ilse-Gisela Kalb, Betriebsrätin im Pflegebereich, sowie Sabine Eiblmaier, Betriebsrätin im Handel, berichten in einem Doppelinterview, was Frauen in ihren jeweiligen Berufen erleben müssen. Sie sprechen offen über Übergriffe von Patientinnen und Patienten, Kundinnen und Kunden, Kolleginnen und Kollegen und Vorgesetzten und über deren Folgen.

Trotz der unterschiedlichen Arbeitsfelder sind die Erfahrungen der beiden Frauen ähnlich: Sie berichten von der Schwierigkeit, sich Gehör zu verschaffen und Unterstützung zu finden. Gewalt am Arbeitsplatz wird oft ignoriert, nicht ernst genommen und nicht gemeldet, und die betroffenen Frauen haben oft Angst vor den Konsequenzen. Beide setzen sich dafür ein, dass Gewalt am Arbeitsplatz nicht länger toleriert wird und dass es mehr Aufklärung und Unterstützung für Betroffene gibt.

Welche Gewalterfahrungen machen Frauen im Beruf?

Ilse-Gisela Kalb: In der Pflege erleben Frauen vor allem verbale, aber auch sexuelle Belästigungen. Diese Vorfälle sind keine Seltenheit, sondern passieren immer wieder.

Sabine Eiblmaier: Im Handel sind es vor allem verbale Angriffe von Kundinnen und Kunden. Frauen werden häufig für die Teuerung, für fehlende Waren oder für enttäuschte Erwartungen verantwortlich gemacht. Aber auch körperliche Gewalt, wie das absichtliche Anfahren mit Einkaufswagen, kommt vor. Es ist ein fortlaufendes Problem.

Von wem geht die Gewalt in der Pflege aus?

Ilse Kalb ist Betriebsrätin im Hanusch-Krankenhaus Privat

Ilse-Gisela Kalb: In der Pflege kommt die Gewalt oft von Patientinnen und Patienten, deren Angehörigen, aber auch von Kolleginnen und Kollegen oder vermeintlichen Vorgesetzten. In Krankenhäusern bestehen immer noch starke Hierarchien, und vor allem Verwaltungsangestellte sind oft den Übergriffen von Ärztinnen oder Ärzten ausgesetzt, trauen sich aber nicht, etwas zu sagen, aus Angst vor den Konsequenzen.

Wie fühlt man sich dabei?

Ilse-Gisela Kalb: Es ist natürlich ein sehr unangenehmes Gefühl, wenn man so etwas erleben muss. Oft passiert es, dass die Betroffenen lange warten, bevor sie sich Hilfe holen – und dann lehnen sie Unterstützung ab.

Sabine Eiblmaier ist Betriebsrätin bei Interspar privat

Sabine Eiblmaier: Es ist eine sehr erniedrigende Erfahrung. Die Frauen sind oft verzweifelt, weil sie wissen, dass die Haltung „Der Kunde ist König“ zu weit geht. Es ist ein ständiger Balanceakt zwischen Respekt und Angst vor Beschwerden – vor allem, wenn man sich wehrt.

Im Rahmen der Kampagne "16 Tage gegen Gewalt an Frauen" machten die ÖGB-Frauen auf das Thema Gewalt am Arbeitsplatz aufmerksam Roland de Roo

Vertrauen sich Betroffene ihren Kolleginnen an?

Ilse-Gisela Kalb: Ja, oft wenden sich Betroffene an eine vertraute Kollegin oder einen vertrauten Kollegen, aber viele haben Angst vor den Konsequenzen und befürchten, dass der Täter oder die Täterin letztlich ungeschoren davonkommt. Früher, als ich noch im Raddienst arbeitete, wurde ich oft abgespeist, besonders wenn der Täter oder die Täterin ein Arzt bzw. eine Ärztin war.

Sabine Eiblmaier: Bei verbaler Gewalt holen sich Betroffene oft viel zu spät Unterstützung. Bei körperlichen Übergriffen holen sich viele Hilfe beim Vorgesetzten. Aber auch hier gibt es eine Hemmschwelle: Vor allem Neueinsteiger:innen haben Angst, nicht ernst genommen zu werden oder ihren Arbeitsplatz zu verlieren.

Werden Täter:innen gekündigt?

Ilse-Gisela Kalb: Wenn ein Vorfall ernsthaft gemeldet wird, reagiert unser Arbeitgeber sehr streng. Es kommt dann auch zu Entlassungen, was bei uns selten, aber konsequent gehandhabt wird.

Sabine Eiblmaier: Im Handel wird bei schweren Fällen von Kundengewalt bzw. Kundinnengewalt ein Hausverbot ausgesprochen, meist nach Wiederholung. Bei Vorfällen unter Kollegen oder Kolleginnen wird der Betriebsrat eingeschaltet, und je nach Vorfall kann es zu Kündigungen kommen. Bei Übergriffen durch Vorgesetzte wird ebenfalls der Betriebsrat informiert. Es kommt zu Gesprächen, Verwarnungen und in Einzelfällen sogar zu Kündigungen.

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Gibt es genügend Anlaufstellen für betroffene Frauen?

Ilse-Gisela Kalb: Leider nicht. Gerade für Frauen, die in der Pflege arbeiten, fehlt es an klaren Ansprechpartner:innen, die den Betroffenen wirklich weiterhelfen können.

Sabine Eiblmaier: Im Handel haben wir mehr Möglichkeiten. Unsere Mitarbeiter:innen werden regelmäßig geschult, wie sie mit schwierigen Kunden oder Kundinnen umgehen können. Zudem muss immer eine Führungskraft im Markt anwesend sein, die Entscheidungen treffen kann. Aber auch hier könnte es mehr Unterstützung für die Betroffenen geben.

Gewalt gehört nicht zum Job ÖGB

Wie kann man Gewalt am Arbeitsplatz verhindern?

Ilse-Gisela Kalb: Aufklärung ist das Wichtigste, um Gewalt am Arbeitsplatz wirklich zu verhindern. Es braucht mehr Bewusstsein und Schulungen, vor allem für die Führungskräfte.

Sabine Eiblmaier: Im Handel versuchen wir, durch Aufklärung und stetige Schulungen das Bewusstsein zu schärfen. Der Betriebsrat weist immer wieder darauf hin, dass auch „Freundlichkeit“ Grenzen hat. Es ist schwer, Gewalt vollständig zu verhindern, aber wir können eingreifen und Unterstützung leisten.

Sind Frauen öfter Gewalt im Job ausgesetzt?

Ilse-Gisela Kalb: Ja, ich denke, dass Frauen im Pflegebereich oft mehr Gewalt erfahren. Es gibt einen gesellschaftlichen Hintergrund, bei dem Frauen als schwächer wahrgenommen werden. Zudem gibt es eine starke Hierarchie, die es den Opfern schwer macht, sich zu wehren.

Sabine Eiblmaier: Ja, auch im Handel sind Frauen häufiger von Gewalt betroffen. Sie haben oft Angst, sich zu wehren, weil sie befürchten, dass ihnen nicht geglaubt wird, besonders wenn es um Kunden oder Kundinnen geht. Auch die Sorge, den Job und damit das Einkommen zu verlieren, ist ein großes Hemmnis.

Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, gegen Gewalt vorzugehen Roland de Roo

Ilse-Gisela Kalb: Gewalt am Arbeitsplatz, sei es in der Pflege oder im Handel, ist ein ernstes Problem. Wir müssen als Gesellschaft und auch als Betriebsräte noch mehr tun, um Frauen zu schützen und ihnen den Rückhalt zu geben, den sie brauchen.

Sabine Eiblmaier: Ganz genau. Wir müssen dafür sorgen, dass Frauen sich sicher fühlen und Gewalt am Arbeitsplatz konsequent geahndet wird. Es braucht klare Strukturen und einen respektvollen Umgang, sowohl von den Kunden oder Kundinnen als auch von den Kolleginnen und Kollegen und Vorgesetzten.

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