Elementarpädagogik
Bundesländer schlagen Alarm: Personalmangel in Kinderbildungseinrichtungen
Erste Gruppen mussten schon schließen. Wie sich die Situation in den Bundesländern zuspitzt und welche Maßnahmen es dringend braucht
Seit Monaten weisen der ÖGB und die Gewerkschaften auf die prekäre Situation in der Elementarpädagogik hin. Durch die schwierigen Arbeitsbedingungen und die schlechte Bezahlung hören viele Beschäftige auf und wechseln in andere Branchen. Eine große Pensionierungswelle trägt zum Engpass in der Personalsituation in Kindergarten, Kleinkindgruppen und Horten zusätzlich bei. Nun schlagen die ersten Bundesländer Alarm. In der Steiermark, Oberösterreich und Salzburg mussten bereits Gruppen schließen oder ihre Öffnungszeiten aufgrund zu wenig Beschäftigter einschränken. Aber auch in den anderen Bundesländern wird es eng.
Kürzere Öffnungszeiten in Vorarlberg
In Vorarlberg wurden bereits Öffnungszeiten von Kindergärten aufgrund des Personalmangels reduziert und eine Bedarfserhebung mittels Schreiben an die Eltern durchgeführt, berichtet Monika Zumtobel, Vorsitzende des Fachbereichs Elementarpädagogik der younion _ Die Daseinsgewerkschaft in Vorarlberg. Jede Gemeinde würde versuchen, Lösungen zu finden, um dem Personalmangel zu begegnen. Doch der Arbeitsmarkt sei leer und für viele offene Stellen gebe es keine BewerberInnen. Um dem entgegenzutreten, versuchen viele Träger, BewerberInnen aus anderen Bundesländern oder in Grenzgebieten gar aus Deutschland und der Schweiz zu rekrutieren. “Durch die Pandemie und die fehlenden Maßnahmen für den Schutz der Beschäftigten haben sich viele PädagogInnen gemeldet, die mit der Situation überfordert waren und ans Aufhören dachten”, berichtet Zumtobel. „Die KollegInnen geben jeden Tag ihr Bestes. Das erschöpft natürlich, besonders unter schwierigen Arbeitsbedingungen, wie etwa viel zu großen Gruppen. Da muss man sich nicht wundern, warum sie ans Aufhören denken.”
Aufregung um Prämie in der Steiermark
Ähnlich sieht die Situation in der Steiermark aus. Allein in Graz konnten mindestens acht Gruppen nicht gebildet werden, 15 weitere mussten auf Halbtagsbetreuung umstellen. Um Personal zu gewinnen, wurde eine 15.000 Euro-Prämie für alle PädagogInnen, die neu in den Beruf einsteigen, vorgestellt. Maria Hauer vom Arbeitskreis Elementarpädagogik der younion _ Die Daseinsgewerkschaft Steiermark sieht darin eine „Frechheit pur”. Die Prämie würde nur Unfrieden zwischen den Beschäftigten schaffen, da sie PädagogInnen und AssistentInnen, die seit Jahren in den Gruppen stehen und sich unter prekären Bedingungen um die Kinder bemühen, ausschließe. Eine bessere Maßnahme zur Bekämpfung des Personalmangels wäre laut Hauer, die Beschäftigten Vollzeit anzustellen. Viele, vor allem junge Angestellte, würden gerne Vollzeit arbeiten, aufgrund von Sparmaßnahmen bekämen sie aber nur Teilzeitanstellungen. Auch bei der Reduzierung der Gruppengrößen gibt es keine gesetzlichen Vorgaben, sondern nur Maßnahmen, so Hauer. Zudem brauche es für die Reduktion der Gruppengrößen wieder mehr Personal und mehr Räumlichkeiten, die nicht vorhanden sind. „Es ist frustrierend, dass unser Beruf nicht wertgeschätzt wird. Die Eltern wissen unsere Arbeit zu schätzen, aber die Politik nicht. Es geht um unsere Zukunft und die unserer Kinder. Durch unsere Arbeit beeinflussen wir, welche Menschen unsere Kinder einmal werden”, erklärt die Pädagogin.
Auch in Wien gibt es Probleme
Auch in Wien spitzt sich die Situation langsam, aber merklich zu. Judith Hintermeier, selbst Elementarpädagogin und Bundesfrauenreferentin in der younion _ Die Daseinsgewerkschaft, berichtet von vermehrten Beratungsanfragen von Eltern, die Probleme hätten, Kinderbetreuungsplätze zu finden. Derzeit geburtenstarke Jahrgänge würden zur Platzproblematik noch beitragen. „Wir haben mehr Kinder, aber nicht genug Plätze. Das ist nicht nur in den Bundesländern, sondern auch in Wien ein Problem”, berichtet die Pädagogin. Der Ausbau der Standorte sei eine Maßnahme, das Problem zu bekämpfen, Bauen ohne Ende bringe aber nichts gegen den Personalmangel. „Wir haben bereits die ersten Gebäude, die ihre Kapazitäten nicht ausschöpfen können und dann statt der vorhandenen 15 Gruppen nur sechs öffnen können, da Ihnen das Personal fehlt. Dass uns das jetzt auf den Kopf fällt, ist kein Wunder. Wir sagen das schon seit Jahrzehnten.”
Kärnten fordert kleinere Gruppen
Das Problem des Personalmangels besteht auch in Kärnten. Seit über zwei Jahren protestieren Gewerkschaften gemeinsam mit den Beschäftigten der Elementarpädagogik daher auch für mehr Personal und einer Verbesserung der Rahmenbedingungen. „Es wurden Umfragen gestartet, es wurde auf der Straße demonstriert und es wurden Petitionen an die zuständigen politischen VertreterInnen übergeben”, erzählt Silvia Igumnov, ÖGB-Landesfrauenvorsitzende in Kärnten. „Bei einem Betreuungsschlüssel von 25 Kindern auf zwei PädagogInnen mit einer Überziehungsmöglichkeit auf bis zu 28 Kinder ist die Reduktion der Gruppengrößen unsere dringendste Forderung.” Kärnten sei auf einem guten Weg, dass viele der geforderten Veränderungen auch umgesetzt werden. Dazu gehöre eine schrittweise Senkung der Gruppengrößen von 25 auf 20 Kinder sowie eine Vereinheitlichung der Gehälter. „Das Gebot der Stunde muss sein, rasch zu handeln. Denn eine hochwertige und optimale Betreuung der Kinder unter den derzeitigen Bedingungen ist kaum noch möglich”, so die Gewerkschafterin.
Oberösterreich kritisiert fehlende Maßnahmen
Mitte August wurde in Oberösterreich ein Maßnahmenpaket für die Elementarpädagogik vorgestellt, das unter andrem die Finanzierung einer/s zusätzlichen MitarbeiterIn in Kindergartengruppen mit mehr als 23 Kinder vorsieht. „Es braucht mehr solcher Maßnahmen, doch die sind nicht in Sicht”, kritisiert Christian Jedinger, Landesvorsitzender der Gewerkschaft younion in Oberösterreich und weist darauf hin, dass der massive Personalmangel in den Einrichtungen massive Auswirkungen auf den gesamten Arbeitsmarkt habe. Zu wenige Kinderbetreuungsplätze bedeute, dass zumindest ein Elternteil weniger Stunden arbeiten könne. „In Zeiten hoher Lebenshaltungskosten ist es eine zusätzliche Belastung für Familien, wenn aufgrund geringer Arbeitszeiten Einkommen fehlt. Darüber hinaus sucht die Wirtschaft händeringend Arbeitskräfte. Es sollte auch in ihrem Sinne sein, dass eine möglichst flächendeckende Kinderbetreuung sichergestellt ist“, schließt sich auch GPA-Geschäftsführer Wolfgang Gerstmayer an.
In Salzburg mussten schon Gruppen schließen
Auch in Salzburg ist der Personalmangel vorherrschendes Thema in der Kinderbildung. Erste Kindergärten mussten bereits gesperrt werden. Katrin Fuchsbauer, Sonderpädagogin und Personalvertreterin in einem städtischen Kindergarten im Salzburger Stadtteil Itzling beklagt die Situation in den Gruppen: „Wenn das Personal fehlt, wenn die Rahmenbedingungen nicht mehr ausreichend sind, dann stößt man irgendwann an seine Grenzen.“ Neben dem Personalmangel gehe es auch in Salzburg oft um die Gruppengröße. Die geringe Wertschätzung und die schlechte Bezahlung tragen ein Übriges bei. „Wir sind oft noch immer die ‚Tanten‘, die ein bisschen spielen und viel frei haben. Dieses Bild, dass Kindergartenjahre wichtige Bildungsjahre sind, ist leider in vielen Köpfen noch nicht angekommen”, so die Pädagogin.
900 Plätze fehlen in Tirol allein für unter 3-Jährige
Obwohl in Tirol vor allem in den letzten Jahren das Kinderbetreuungsangebot massiv ausgebaut wurde, besteht nach wie vor weiterer Bedarf – vor allem im ländlichen Bereich, an den Tagesrandzeiten und in den Ferien. „Laut Kinderbetreuungsstatistik entsprechen in Tirol nur 39 Prozent aller Kinderbetreuungsplätze den Vereinbarkeitskriterien von Familie und Beruf. Zur Erreichung der von der EU im Jahr 2002 beschlossenen Barcelona-Ziele fehlen in Tirol noch 900 Plätze für unter 3-jährige Kinder”, berichtet Petra Lederer, Vorsitzende des Forums für Elementar- und Hortpädagogik der younion _ Die Daseinsgewerkschaft Tirol. Auch in Tirol herrsche Personalmangel, allerdings sei die Situation nicht ganz so eklatant wie in anderen Bundesländern. Der Hintergrund sei allerdings kein erfreulicher: Das Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz ermögliche es, unausgebildetes Personal einzusetzen.
Auch in den restlichen Bundesländern ist die Situation nicht rosig. Ohne sofortige Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssituation in der Elementarpädagogik gibt es bald kein Personal mehr, das unsere Kinder fördert und betreut. Die vom ÖGB und Gewerkschaften ausgearbeiteten Maßnahmen liegen seit Monaten auf dem Tisch. Jetzt liegt es an der Regierung, diese auch endlich ernst zu nehmen und umzusetzen.
- 1 Milliarde mehr pro Jahr für bessere Rahmenbedingungen und nachhaltigen Ausbau des Kinderbildungsangebots aus dem Bundesbudget
- Kleine Gruppengrößen, mehr Personal
- Sofortige Ausbildungsinitiative als Maßnahme gegen den Personalmangel
- Einheitliche Ausbildungsstandards für AssistentInnen
- Gute Arbeitsbedingungen für alle durch ein einheitliches Bundesrahmengesetz in ganz Österreich