Klimawandel
Hitzefrei statt Hitzschlag
Der Klimawandel bedroht die Gesundheit und manchmal auch das Leben von Arbeitnehmer:innen – besonders, wenn sie in immer heißeren Sommern in extremer Hitze arbeiten müssen. Klar ist: Wir brauchen rasch mehr Maßnahmen, um die Menschen zu schützen.
Die Sonne brennt unbarmherzig auf der Haut, der Körper produziert Schweiß ohne Ende, die Hitze befeuert die Erschöpfung, und das Risiko von Hitzschlag und Dehydration steigt. Die Sommermonate sind gerade für Beschäftigte, die im Freien arbeiten, belastend – und gefährlich. Und Klimaprognosen zeigen: Es wird von Jahr zu Jahr noch heißer.
Hohe Temperaturen lassen die Konzentration sinken, es passieren mehr Arbeitsunfälle – im schlimmsten Fall enden diese tödlich. Betroffen sind Hunderttausende Beschäftigte – Maurer:innen, Kellner:innen, Beschäftigte in Wäschereien und in der Gebäudereinigung oder auch Postler:innen, um nur eine Auswahl der gefährdeten Berufsgruppen zu nennen.
Arbeitgeber müssen Gesundheit schützen
Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht ihren Mitarbeiter:innen gegenüber. Das bedeutet auch, dass sie dazu verpflichtet sind, Gefahren für Leben und Gesundheit zu vermeiden. Für das Hitze-Problem heißt das konkret: „Ein Arbeitgeber muss versuchen, so gut wie möglich für Schatten zu sorgen, etwa mit einem Segel oder indem er Beschäftigte zu Tageszeiten arbeiten lässt, in denen die Sonne nicht herunterbrennt. Er muss natürlich auch Brillen mit UV-Filter, Sonnenschutzcremes sowie entsprechende Schutzausrüstung bei Bedarf bereitstellen“, erklärt Dorottya Kickinger, Expertin für Arbeitnehmer:innenschutz im ÖGB. Passiert zu wenig, dann sind Betriebsräte und Sicherheitsvertrauenspersonen gefragt. Sie können beim Arbeitgeber Anti-Hitzemaßnahmen einfordern und sich an das Arbeitsinspektorat wenden, wenn keine innerbetriebliche Lösung gefunden wird.
„Der ÖGB fordert, dass körperliche Arbeiten im Freien bei Ozonalarm eingestellt werden müssen oder dass es an speziellen Hitzearbeitsplätzen, wie in Gießereien, mehr bezahlte Pausen in abgekühlten Räumen geben muss“, ergänzt Kickinger.
Kein Recht auf „Hitzefrei“
Viele Beschäftigte wünschen sich an besonders heißen Tagen Hitzefrei. Doch das ist im österreichischen Arbeitsrecht nicht vorgesehen. Eine besondere Regelung gibt es für Beschäftigte am Bau. Ihr Arbeitgeber kann Hitzefrei anordnen und Arbeiter:innen ab 32,5 Grad nach Hause schicken. Sie bekommen dann 60 Prozent des Bruttolohns als Entschädigung für jene Stunden, die nicht gearbeitet werden. Der Arbeitgeber kann sich dieses Geld von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse zurückholen.
Die Zeit, betroffene Arbeitnehmer:innen vor extremer Hitze noch besser zu schützen, drängt: Wir brauchen rasch mehr Maßnahmen für den Schutz der Gesundheit, aber auch für die Sicherheit der Arbeitnehmer:innen.
Klimawandel verändert unsere Arbeitswelt
Der Klimawandel wirkt sich nach und nach auf alle Lebensbereiche aus – auch auf den Arbeitsmarkt. Auf Branchen wie Wohnbau, Verkehr oder Industrie kommen massive Veränderungen zu. Der ÖGB hat dafür das Konzept „Just Transition“ (engl. für „Gerechter Wandel“) vorgelegt, erklärt Martin Reiter, Leiter des ÖGB-Klimabüros: „Um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir viele Arbeitskräfte, unter anderem im Bereich der erneuerbaren Energie und der sogenannten ,Green Jobs‘. “ Zentral für eine Just Transition ist neben einer hohen Qualität dieser Arbeitsplätze auch der Erhalt des Lebensstandards für von den Veränderungen Betroffene, deren soziale Absicherung sowie garantierte Möglichkeiten der Weiterbildung und Qualifizierung.
Für einen Übergang in eine klimafitte Arbeitswelt braucht es politischen Willen zur Veränderung. Die Politik muss die Menschen schützen, die bei extremer Hitze, aber auch bei extremer Kälte arbeiten müssen.
Ob heiß oder kalt: Wir haben mit Arbeitnehmer:innen gesprochen, die bei extremen Temperaturen arbeiten.
Konzentration trotz Hitze
„Nach einem heißen Badetag bist du erst mal froh, dass nichts passiert ist“, schildert Heinz Van Dyck seine Erfahrungen als langjähriger Bademeister. Im Hochsommer, wenn alle in die Bäder strömen und ihre Freizeit genießen – Familien mit Kindern, aber auch viele Jugendliche –, sind Österreichs „Badewaschln“ in erhöhter Alarmbereitschaft und großen Belastungen ausgesetzt. „Zum einen stehst du den ganzen Tag bei 30 Grad oder mehr in der Sonne, das musst du erst mal aushalten.“ Und dann wäre da noch die Gefahrenebene: „Man muss als Bademeister alles im Blick behalten, damit niemandem etwas passiert“, sagt Van Dyck, der diesen Beruf 13 Jahre lang ausgeübt hat.
Seine Rolle als aufmerksamer Beobachter am Beckenrand hat er immer sehr ernst genommen, auch wenn das manchmal gar nicht so leicht war: Auch brauche es viel Motivation für den Job, weil man durch Wochenend-, Sonn- und Feiertagsarbeit wenig Zeit für Familie und Freunde hat. Trotzdem, sagt er, ist es eine Arbeit, die man aus ganzem Herzen macht.
Arbeiten bei minus 27 Grad
Von glühender Hitze kann beim Fleisch- und Wursthersteller Wiesbauer im Bezirk Liesing in Wien keine Rede sein. Bei bis zu minus 27 Grad sind Arbeiter:innen in den Tiefkühlbereichen tätig. Einer von ihnen ist Staplerfahrer Milos Djulic, der 31-Jährige ist seit mittlerweile fünf Jahren bei Wiesbauer.
„Wenn Lieferanten mit Fleisch kommen, nehme ich die Ware entgegen, und damit sie frisch bleibt, ist die perfekte Lagerung besonders wichtig“, erzählt er. Die Lagerung muss bei sehr tiefen Temperaturen erfolgen. Um sich gegen die Kälte zu schützen, ist Milos bestens ausgestattet. „Ich habe eine dicke Jacke, eine Kappe, Handschuhe und eine lange Unterhose. Bis auf die Unterhose stellt mir alles die Firma zur Verfügung“, schmunzelt er.
Maximal 15 Minuten darf er sich im Tiefkühlbereich aufhalten, dann muss er sich aufwärmen. Um zu Hause nach der Arbeit wieder auf Touren zu kommen, setzt er vor allem in den heißen Sommermonaten auf ein kurzes Schläfchen: „Die Kälte macht mich müde, aber ich ruhe mich aus, und dann geht es wieder!“ Frostig geht es bei Milos nur im Tiefkühlhaus zu, die Stimmung unter den Kolleginnen und Kollegen ist warm und herzlich, schwärmt er: „Es gibt viele tolle Leute hier, und das mag ich sehr an meinem Job!“
Ein wunderbarer Beruf
In der brütenden Sommerhitze der Wiener Innenstadt zu arbeiten ist für viele Arbeitnehmer:innen unvorstellbar. Sonja Tatzel (53) und Bettina Zloch (50) sind schon seit Jahrzehnten als Gartenarbeiterinnen im Park tätig, wo es wetterbedingt auch ungemütlich werden kann. „Im Winter kann man sich wärmer anziehen, aber im Sommer kann man nicht viel machen. Das ist herausfordernd“, so die erfahrene Gartenarbeiterin Bettina. Auch für Kollegin Sonja stellt die Arbeit in der Parkanlage und bei Hitze eine Belastung dar: „Ab mittags ist man, wenn es irgendwie möglich ist, im Schatten tätig, aber die Hitze macht einem trotzdem zu schaffen.“
Über die Jahre hat sich viel verändert: Lange Trockenheitsphasen bringen bei der Pflege der Pflanzen neue Probleme mit sich. Dazu kommt, dass auch der Fachkräftebedarf groß ist – und die aktuelle Pensionierungswelle verstärkt die Personalknappheit. Blumen setzen, Unkraut jäten, Sträucher schneiden und Parkanlagen reinigen – nur eine Auswahl an Tätigkeiten, die die Stadtgärtnerinnen in ihrer täglichen Arbeit erledigen. Außerdem wird aufgrund der Verdunstung im Sommer vermehrt gegossen, damit die Wurzeln mehr Wasser bekommen
Was sie an ihrer Arbeit erfüllt, ist die Anerkennung: „Die Dankbarkeit der Menschen, wenn sie die schön gestalteten Anlagen sehen, motiviert, und es ist auch erfüllend, wenn man selbst Zeit hat und bewundern kann, wie der Park aussieht.“ Ebenso ist es bei Kollegin Sonja Tatzel, die seit 33 Jahren als Gartenarbeiterin tätig ist: „Wir werden immer wieder positiv auf unsere Arbeit angesprochen“, schildert Tatzel. „Es ist ein wunderbarer Beruf.“