Nachhaltigkeit im Betrieb: Die kreative Kraft der Beschäftigten
Wie zwei engagierte Betriebsrät:innen des Austrian Institute of Technology (AIT) ganze Berge in ihrem Unternehmen versetzen können.
Was Motivation und Kreativität alles ausmachen können, zeigen Ursula Sauer und Beatrix Wepner vom Konzernbetriebsrat des Austrian Institute of Technology (kurz AIT), dem größten außeruniversitären Forschungsinstitut Österreichs. Die beiden haben sich im Konzern neben vielen anderen Betriebsratsaufgaben vor allem auch dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben.
„Wir haben eine sehr gut ausgebildete Belegschaft, die mit viel technisch-naturwissenschaftlicher Expertise forscht und berät. Das Thema Nachhaltigkeit spielt dabei eine große Rolle. Unsere Überlegungen als Betriebsrat stoßen immer auch auf offene Ohren”, erzählt Ursula Sauer, die Konzernbetriebsratsvorsitzende.
Internen Wandel als Chance genutzt
Dennoch stehen die Beschäftigten des AIT vor erheblichen Herausforderungen. Im Zentrum steht das Thema Mobilität. Da einige Standorte des Instituts in ländlichen Gebieten liegen, gestaltet sich klimafreundliches Pendeln oft schwierig. Besonders der Standort Seibersdorf ist davon betroffen.
Zusätzlich zu den Pendelstrecken stellt auch die Notwendigkeit von Dienstreisen für Wissenschaftler:innen eine Herausforderung dar, da diese oft unumgänglich sind, aber hohe CO₂-Emissionen verursachen. Dazu kommt der große Strom- und Plastikverbrauch in den Laboren, und auch die Biodiversität im Gewerbegebiet ist ein relevantes Thema.
Als 2018 dann ein Standortumzug ansteht und zugleich ein bestehendes Mobilitätscenter aufgelöst wird, nutzen die Betriebsrät:innen die Gelegenheit. „Wir haben Druck gemacht und nachfragt: Warum beraten wir nur andere? Warum gehen wir nicht auch intern neue Schritte?”, schildert Wepner, die auch im Aufsichtsrat tätig ist.
Beteiligung der Belegschaft als Schlüssel
Die Veränderungsprozesse führten zu intensiven Diskussionen mit der Geschäftsführung. Am Ende steht ein Kompromiss: Um fundierte Entscheidungen treffen zu können, wird eine umfassende Mobilitätsumfrage initiiert. Sie soll den Status quo ermitteln und herausfinden, welche Maßnahmen die Beschäftigten benötigen.
Nachdem der Bedarf klar aufgezeigt wurde, entscheidet sich der Betriebsrat dazu das breite Wissen der Beschäftigten zu nutzen. Sauer ergänzt: „Wir haben einen strukturierten Prozess mit hybriden Methoden, wie einem digitalen Ideenboard aufgesetzt und gefragt: Was liegt euch am Herzen, was soll der BR in den Fokus rücken?”. Auf dieser Basis wurden strukturierte Themenlisten, Kontaktpersonen und Planungen für weitere Aktionen erstellt.
„Ein bedeutender Schritt des Betriebsrates war die Einführung eines jährlichen Fahrradchecks, um die Nutzung von Fahrrädern zu fördern. Zusätzlich stellen wir Betriebsräder für kurze Dienstwege zur Verfügung, etwa für Fahrten zur Apotheke oder zu anderen nahegelegenen Einrichtungen”, sagt Sauer.
Mit kreativen Ideen motivieren
In der Folge entwickelt sich eine ganze Reihe kleiner Erfolgsprojekte. Das wohl kreativste: ein “Pflanzenumtopftag” am österreichischen Earth Day. Damit Kolleg:innen ihre leidenden Pflanzen einfach und sauber auffrischen können, stellt der Betriebsrat Materialien zur Verfügung und nutzt die Aktion für Diskussionen und Sensibilisierung.
Bei den drängenden Mobilitätsthemen wird in der Folge die Rückerstattung von Reisekosten für private Klimatickets oder die Nutzung von Fahrrädern eingeführt. Eine betriebliche Mitfahrbörse wurde eingerichtet, um Autofahrten zu reduzieren. Darüber hinaus fördert der Betriebsrat aktiv die Teilnahme an der Aktion "Radelt zur Arbeit".
„Ein weiteres erfolgreiches Projekt ist CarbonDiet, für das sich bereits über 70 Testnutzerinnen und Testnutzer gefunden haben. Besonders erfreulich ist die kürzlich eröffnete WienMobil-Radstation, die durch die Geschäftsführung finanziert wurde”, fügt Betriebsrätin Wepner hinzu.
Die Vorbildfunktion regt weitere Projekte an
In den Forschungslaboren des AIT spielt der hohe Energie- und Ressourcenverbrauch eine große Rolle. Hier beginnen die Beschäftigten selbst nach Lösungen zu suchen und werden kreativ. „Die Kolleg:innen haben eigenständig eine Green Labs-Initiative ins Leben gerufen, um den hohen Verbrauch an Einmalplastik zu reduzieren”, erinnert sich Sauer.
Mit Unterstützung des Betriebsrats werden eine Reihe an Strukturen nachhaltiger umgestaltet. Das Einmalplastik wird nun sortenrein gesammelt und einem Verein übergeben, der es recycelt. Die Erlöse daraus kommen Kinderhilfsprojekten zugute.
Neben der Plastikreduktion wurde auch der Energieverbrauch optimiert. So wurde beispielsweise die Lagertemperatur für RNA-Proben von -80°C auf -70°C gesenkt, was erhebliche Energieeinsparungen mit sich bringt. Dazu kamen schaltbare Steckdosenleisten, um Geräte außerhalb der Arbeitszeiten vollständig abzuschalten und so unnötigen Stromverbrauch zu vermeiden.
Betriebliche Nachhaltigkeit noch breiter gedacht
Ein weiteres Projekt widmet sich der Biodiversität auf dem Betriebsgelände. Gemeinsam mit der Geschäftsführung wurde eine wissenschaftlich begleitete Renaturierung initiiert, die in Zusammenarbeit mit einem Landschaftspflegeverein umgesetzt wurde. Eine der wichtigsten Maßnahmen bestand darin, das Mähintervall zu reduzieren, sodass die Wiesen nur ein- bis zweimal pro Jahr gemäht werden.
„Dass da jetzt auch größere Spinnen krabbeln, hat nicht nur Begeisterung erzeugt”, erzählt Sauer heiter. Nachhaltigkeit breiter zu denken, wolle man aber weiterverfolgen. Das gilt auch im Büroalltag. So wurden Bio- und Fair-Trade-Tee sowie -Kaffee eingeführt. Büroartikel werden nach nachhaltigen Kriterien beschafft, und Veranstaltungen werden nach den Prinzipien von "Green Events" geplant.
Zukunftsaussichten: Es gibt noch viel zu tun!
Obwohl bereits viele Erfolge erzielt wurden, gibt es noch zahlreiche offene Baustellen, die bislang auf Widerstand stoßen. Zu den wichtigsten Forderungen des Betriebsrats zählen die Einführung eines steuerfreien Jobtickets für öffentliche Verkehrsmittel, das Jobrad-Leasing sowie eine verbindliche Dienstreiserichtlinie mit konkreten Einsparzielen und der Bevorzugung klimafreundlicher Mobilitätsoptionen.
Aktuell setzt sich der Betriebsrat für eine bessere Anbindung des Campus Seibersdorf an den öffentlichen Verkehr sowie für ein attraktiveres Shuttlebus-Angebot zu den Bahnhöfen Gramatneusiedl und Ebreichsdorf ein. Auch die Anbindung des Standorts an das Radwegenetz soll verbessert werden.
„Das bohren harter Bretter gehört für uns dazu. Manchmal gilt es einfach das richtige Zeitfenster abzuwarten, wenn von außen neuer Schwung für bestehende Ideen kommt”, fasst es Sauer optimistisch zusammen. Diesen erhofft sie sich vor allem durch die neuen Anforderungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung, die sich auf innerbetriebliche Veränderungen auswirkungen könnte.
1. Partizipation und Mitbestimmung sind der Schlüssel: Belegschaft aktiv einbinden bringt Ideen, zugleich hat der BR hat einen Vorbildfunktion: er ermöglicht, organisiert, kommuniziert, vermittelt und sollte engagierte Personen als Antrieb nutzen
2. Langfristig dranbleiben und Ressourcen gezielt einsetzen: sucht Verbündete (z.B. Standverwaltungen und Umwelt-NGOs) und holt die GF an Bord und vernetzt euch (z.B. mit den Bezirksvorstehern oder umliegenden Betrieben)
3. Spielerischer Zugang zu Verhaltensänderungen und niedrigschwellige Aktionen, je sympathischer, desto mehr Akzeptanz. Erzählt positive Geschichten, habt Spaß. Kleine Erfolgserlebnisse zu feiern, steigert die Beteiligung.