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„Ausgabenbremse” ist neoliberale Brandstiftung im Sozialstaat

Kommentar: ÖGB-Chef-Volkswirt Ernst Tüchler über die Krisenrechnung und warum eine Ausgabenbremse ein gefährlicher Angriff auf die ArbeitnehmerInnen wäre

100 Milliarden Euro in der Finanzkrise, 50 Milliarden Euro in der Corona-Pandemie – in diesen Phasen konnte es für neoliberale Kreise gar nicht genug Staat geben. Wenn es jetzt aber darum geht, wer die Krisenrechnung bezahlen soll, fantasieren die gleichen Think Tanks von einer Ausgabenbremse und schlagen zum Beispiel vor, dass Menschen noch länger arbeiten und später in Pension gehen sollen. 

Das heißt nichts anderes, als dass das Motto der Regierung am Beginn der Corona-Krise „Koste es, was es wolle“ weiter nur für Unternehmen gilt. Bezahlen sollen dafür die ArbeitnehmerInnen, die ohnehin für 80 Prozent der Staatseinnahmen sorgen und denen man in einer der größten Krisen der Nachkriegsgeschichte nicht einmal das im Europavergleich ohnehin geringe Arbeitslosengeld erhöhen möchte. 

Bezahlen sollen die Krisenrechnung die ArbeitnehmerInnen, die ohnehin für 80 Prozent der Staatseinnahmen sorgen.

Ernst Tüchler, ÖGB-Chef-Volkswirt

 Gewaltige Zuwendungen 

Am Höhepunkt der Krise wurden vor allem die Unternehmen üppig mit Geld bedacht. Steuersenkungen, Hilfsgelder und vieles mehr sind in Österreich weit über dem EU-Durchschnitt geflossen.

Die Senkung der Umsatzsteuer wurde sogar ausdrücklich nicht an Konsumenten weitergegeben. Ganz im Gegenteil: Die Preise wurden laut WiFo sogar erhöht. Mit Steueraufschüben, Verlustrückrechnungen und vielem mehr „optimieren“ die Unternehmen ihre Steuer- und Abgabenleistung sogar ungeniert weiter.

Während sie sich auf der einen Seite nach allen Regeln der Kunst um ihren Beitrag drücken wollen, halten sie auf der anderen Seite die Hand für gewaltige Zuwendungen auf. Sogar Minister der Bundesregierung haben davor gewarnt, es mit den Unternehmenshilfen nicht zu übertreiben.  

Die ArbeitnehmerInnen weiter auszubluten, das wird auf Dauer nicht gut gehen.

Ernst Tüchler
Ernst Tüchler Petra Rautenstrauch

 Brandstiftung im Sozialstaat 

Die Forderung nach einer Ausgabenbremse – wie sie jetzt von der Agenda Austria ins Spiel gebracht wird - ist nichts anderes als Brandstiftung im Sozialstaat. In jenem Sozialstaat nämlich, der nachweislich entscheidend dafür ist, dass Österreich besser als andere Länder durch diese Krise gekommen ist.

Genau dort jetzt ausgabenseitig das Budget zu sanieren ist eine Vorstellung, die man nur haben kann, wenn man keine Verantwortung für die Folgen übernehmen muss.

Wo will man den Menschen denn das Geld aus der Tasche ziehen? Bei den Pensionen? In der Gesundheitsversorgung? Beim Arbeitslosengeld? Setzt man das um, dann nimmt man auch in Kauf, dass Österreich in der nächsten Krise noch viel größere Probleme bekommen wird.  

Der gerechte Beitrag ist fällig 

Die ArbeitnehmerInnen haben ihre Solidarität längst bewiesen. Mit ihren Beiträgen sind die Unternehmen durch die Krise getragen worden. Die Menschen im Land jetzt noch einmal zur Kasse zu bitten ist unsolidarisch, kurzsichtig und brandgefährlich.

Der Weg aus der Krise kann nur gemeinsam funktionieren, aber dafür muss der kleine, aber reiche Teil unserer Gesellschaft endlich seinen gerechten Beitrag dazu leisten. Die ArbeitnehmerInnen weiter auszubluten, das wird auf Dauer nicht gut gehen.