Regierungsprogramm: Wichtige Schritte in die richtige Richtung
ÖVP, SPÖ und Neos haben sich auf ein Arbeitsprogramm geeinigt – die ersten Reaktionen aus den Gewerkschaften sind größtenteils positiv
„Die langen Verhandlungen haben sich gelohnt. Das Arbeitsprogramm für die nächste Bundesregierung setzt wichtige Schwerpunkte“, so die erste Reaktion von ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian: „Es enthält wichtige Impulse für die Wirtschaft. Das geplante Konjunkturpaket wird Arbeitsplätze schaffen, das gibt Beschäftigten und Unternehmen die Sicherheit, die es jetzt braucht. Bei der Budgetsanierung ist es gelungen, auch die breiten Schultern an der Konsolidierung zu beteiligen.“
Geplant sind unter anderem folgende Punkte:
Budgetkonsolidierung: Auch die breiten Schultern tragen zur Konsolidierung bei.
- Es ist gelungen, eine Bankenabgabe durchzusetzen. In den nächsten zwei Jahren sollen dadurch 1 Mrd. Euro eingenommen werden können.
- Energieunternehmen, die in den vergangenen Jahren wie Banken extrem hohe Übergewinne gemacht haben, leisten einen stärkeren Beitrag zur Budgetkonsolidierung – pro Jahr etwa 200 Mio. Euro.
- Der Spitzensteuersatz von 55 Prozent, der ab einem Einkommen von einer Million Euro gilt und dieses Jahr ausgelaufen wäre, wird um vier Jahre verlängert.
- Auch auf weitere vermögensbezogene Steuern wie die Besteuerung von Sharedeals, eine Umwidmungsabgabe und die Anhebung der Besteuerung von Stiftungen hat man sich geeinigt.
Konjunkturpaket:
- Schnellere Genehmigungsverfahren beim dringend notwendigen Ausbau der Energienetze
- Impulse zur Vorziehung von Investitionen zur Konjunkturbelebung 2025 halböffentliche und öffentliche Investitionen werden vorgezogen bzw. beschleunigt – mit einem besonderen Fokus auf den Hochbau
- Ein Standortpaket für Innovation, Internationalisierung und Fachkräfte in Höhe 40 Mio. Euro ist einmalig für 2025 vorgesehen
Maßnahmen gegen die Teuerung:
- Mietpreisbremse neu: Kategoriemieten, Richtwertmieten und Mieten in gemeinnützigen Wohnbauten dürfen heuer gar nicht mehr erhöht werden, im kommenden Jahr ist ein Anstieg um maximal ein Prozent erlaubt und 2027 höchstens um zwei Prozent. Ab 2028 gilt dann im „gesamten Wohnbereich“ eine Begrenzung von Mietsteigerungen auf maximal drei Prozent.
- Für besonders von Energiearmut betroffene Haushalte wird ein Sozialtarif für einen Energie-Grundbedarf geschaffen werden.
Um gegen zukünftige Energiepreiskrisen gewappnet zu sein, wird weiters ein sogenannter „Energie-Krisenmechanismus“ für Strom, Gas und Wärme entwickelt, um im Bedarfsfall leistbare und wettbewerbsfähige Strom- und Gaspreise sicherzustellen.
Wichtige Offensiven für Beschäftigung:
- Unmittelbar: Mehr AMS-Mittel für Kurzarbeit, Arbeitsstiftungen und eine Fachkräfteoffensive
- Aktion 55Plus – Existenzsichernde soziale Arbeit für Langzeitarbeitslose
- Qualitätsoffensive Elementarpädagogik: Ausbildung von Elementarpädagog:innen (u.a. im Programm Elementar+) und ab 2027 Stufenplan für kleinere Gruppen
- Ausarbeitung einer Fachkräftestrategie
Gesundheit:
Ausbau der niedergelassenen Versorgung
- Vereinbart ist ein breites Maßnahmenbündel, um langen Wartezeiten, fehlenden Kassenplätze in bestimmten Regionen oder Fachgebieten oder unterschiedlichen Leistungen je nach Krankenversicherung entgegenwirken zu können.
- Deutliche Stärkung der Versorgung durch die soziale Krankenversicherung, sei es durch den Ausbau von Primärversorgungseinheiten, Schaffung von Versorgungszentren für chronisch Kranke (zB Diabeteszentren) oder mehr Angebote für die psychische Gesundheit.
- Ausbau von Telemedizin (inkl. Terminbuchungen), um sich im Gesundheitssystem als Patient:in zurecht zu finden, sowie Etablierung eines One-Stop-Shop-Prinzips bei Leistungsansprüchen oder von Heilbehelfen und Hilfsmitteln.)
Kindergesundheitspaket
- Ausbau von Kinder-Primärversorgungseinheiten
- Weiterführung und Ausbau psychologisches Angebot für Kinder und Jugendliche sowie Weiterentwicklung der Kinder-Reha
- Stärkung von Gesundheitsförderung und Prävention in Schulen.
Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, findet, der Kampf gegen Arbeitslosigkeit müsse ein Schwerpunkt der Politik der nächsten Jahre sein. „Die künftige Regierung zeigt mit dem Beschäftigungsprogramm für Ältere sowie den zusätzlichen Mitteln für das Arbeitsmarktservice, dass Beschäftigung für sie ein zentrales Thema ist. Das Regierungsprogramm stimmt diesbezüglich zuversichtlich.“
Auch in Sachen Arbeitszeit gibt es Neuerungen: Geplant sind etwa unter Mitbestimmung des Betriebsrats wissenschaftlich begleitete Pilotprojekte zu neuen Arbeitszeitformen wie der 4-Tage-Woche.
„Der heimische Produktionsstandort braucht gerade jetzt Stabilität. Dazu gehört auch, dass man die Teuerungsentwicklung nicht nur beobachtet, sondern bereit ist, preisdämpfende Maßnahmen zu setzen. Das hilft den Haushalten, der Wirtschaft und unterstützt auch die Sozialpartner bei den Kollektivvertragsverhandlungen“, sagt Reinhold Binder, Bundesvorsitzender der Produktionsgewerkschaft PRO-GE.
Im Regierungsabkommen ist auch vereinbart, Pflegeberufe in die Schwerarbeitsregelung aufzunehmen und Pflegekräften damit den Zugang zu einer Schwerarbeitspension zu vereinfachen. Das war eine zentrale Forderung der Gewerkschaften.
Das Regierungsprogramm legt auch fest, dass die Sozialpartner die Umsetzung vieler Vorhaben der nächsten Bundesregierung mitgestalten werden. So soll zum Beispiel eine Industriestrategie erarbeitet werden. „Endlich wird unsere Forderung nach einer Gesamtstrategie für den Standort Österreich aufgegriffen. Eine Industriestrategie, die Investitionen, Zukunftstechnologien und Qualifizierung einschließt, ist bitter notwendig - für die Unternehmen genauso wie für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“, betont Reinhold Binder.
ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian sagt: „Wir wissen, dass viel Arbeit auf uns zukommen wird, aber wir erledigen sie gerne, wenn es um gute Arbeitsbedingungen und um ein gutes Leben für die Menschen in Österreich geht.“
„Die künftige Regierung zeigt mit dem Beschäftigungsprogramm für Ältere sowie den zusätzlichen Mitteln für das Arbeitsmarktservice, dass Beschäftigung für sie ein zentrales Thema ist. Das Regierungsprogramm stimmt diesbezüglich zuversichtlich.“
Hier findest du unsere Einschätzung zum Regierungsprogramm und den Pensionen
WARUM GIBT ES KEINE MILLIONÄRSSTEUERN?
Für die Forderung nach höheren Vermögenssteuern bzw. Millionärsteuern hat es im Regierungsprogramm keine politische Mehrheit gegegben. Es ist aber gelungen, das Sparpaket auf viel breitere Schultern zu verteilen als in der ursprünglichen angedachten Version von FPÖ und ÖVP.
WARUM WIRD DER KLIMABONUS ABGESCHAFFT?
Der Klimabonus gilt als Kompensation für die im Jahr 2022 eingeführte CO2-Besteuerung, die jedes Jahr ansteigt. Derzeit liegt sie bei 55 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent. Die ursprüngliche Idee hinter dieser Kompensation war, dass die Einnahmen durch die Steuer wieder an die Haushalte rückverteilt werden und mittelfristig der Umstieg auf klimafreundliche Alternativen belohnt wird. In den letzten drei Jahren wurde aber immer weit mehr rückvergütet, als durch die Steuer eingenommen wurde, was somit ebenfalls zum Budgetloch beigetragen hat.
FPÖ und ÖVP hatten daher geplant, den Klimabonus gänzlich abzuschaffen. Nun konnte in den Verhandlungen eine Kompensation für die durch die CO2-Steuer entstehenden höheren Kosten für fossile Treibstoffe in Form eines Absetzbetrages für Pendler:innen erreicht werden. Damit wird eine jahrelange gewerkschaftliche Forderung, nämlich die Ungleichbehandlung von geringverdienenden Pendler:innen abzustellen, umgesetzt.
WERDEN LOHNNEBENKOSTEN GESENKT BZW. LOHNNEBENLEISTUNGEN GEKÜRZT?
Vorerst wurden keine Senkungen von Lohnnebenkosten bzw. Lohnnebenleistungen fixiert. Eine stufenweise Senkung des Familienlastenausgleichsfonds und Finanzierung aus dem Budget ab Mitte der Regierungsperiode ist im Regierungsprogramm angekündigt. Diese soll jedoch nur dann erfolgen, wenn eine ausreichende Gegenfinanzierung aus dem Budget sichergestellt ist, was aus heutiger Sicht nicht der Fall ist. Leistungskürzungen wurden im Regierungsprogramm ausdrücklich ausgeschlossen.
Die Einnahmen durch die Lohnnebenkosten stellen eine bedeutende Säule der Finanzierung des Sozialstaates dar. Daher hat sich der ÖGB in den letzten Jahren immer gegen eine Senkung dieser Beiträge ausgesprochen, vor allem jener Lohnnebenkosten, die direkt in die Sozialversicherung fließen (etwa drei Viertel der gesamten Lohnnebenkosten).
WERDEN DIE ENERGIEPREISE ENDLICH GESENKT?
Preissenkende Maßnahmen im Energiebereich für alle Haushalte, also unabhängig vom Einkommen, sind teuer und angesichts der angespannten Budgetlage derzeit nicht umsetzbar. Die Bundesregierung will sich daher auf EU-Ebene für die Überarbeitung des europäischen Preisbildungsmechanismus im Strommarkt einsetzen („Merit-Order“).
Der ÖGB hat sich jetzt dafür eingesetzt, dass schon bis zum Sommer 2025 im Rahmen eines neuen Gesetzes ein Sozialtarif beschlossen wird. Damit soll für Haushalte, die besonders von Energiearmut betroffen sind, ein Grundbedarf an Energie zu einem begünstigten Preis zur Verfügung gestellt werden. Zudem ist ein Bündel an Maßnahmen geplant, um die Netzkosten zu senken. Die Auswirkungen werden mittel- bis langfristig spürbar sein. Im Regierungsprogramm ist weiters die Einrichtung einer Expert:innengruppe zur Senkung der Energiepreise geplant.
WARUM WERDEN DIE KRANKENVERSICHERUNGSBEITRÄGE FÜR PENSIONIST:INNEN ERHÖHT?
Die Bevölkerung in Österreich wird zunehmend älter und damit verbunden nehmen die Anforderungen an das Gesundheitssystem deutlich zu. Es ist daher notwendig, die Leistungsfähigkeit unseres Krankenversicherungssystems durch zusätzliche finanzielle Zuwendungen aufrechtzuerhalten.
Einen Beitrag dazu sollen auch die Pensionist:innen leisten. Die Krankenversicherungsbeiträge für Pensionist:innen werden von 5,1 Prozent auf 6 Prozent angehoben. Zudem wird auch eine Krankenversicherungspflicht für geringfügige Beschäftigung eingeführt.
Die dadurch erzielten Mehreinnahmen fließen in die Absicherung und den Ausbau der ambulanten, niedergelassenen Gesundheitsversorgung, um damit vor allem Wartezeiten auf Kassenarzttermine zu verkürzen und therapeutische Angebote auszubauen. Gerade für die ältere Generation ist ein gut funktionierendes Gesundheitssystem besonders wichtig, weil mit einem höheren Alter oft auch ein größerer Bedarf an medizinischer Versorgung verbunden ist.
Es konnte aber erreicht werden, dass die finanzielle Belastung durch höhere finanzielle Erleichterungen bei der Medikamentenversorgung abgefedert wird (Abfederung durch Einfrieren der Rezeptgebühr 2026 und Absenkung der Arzneimittelobergrenze auf 1,5 Prozent des Nettoeinkommens).
Darüber hinaus soll eine Expert:innengruppe neue Finanzierungsformen im Gesundheitswesen erarbeiten, was bei der Komplexität der Finanzströme im Gesundheitswesen sinnvoll und dringend notwendig ist.
WARUM KONNTE DER ERSCHWERTE ZUGANG ZUR KORRIDORPENSION NICHT ABGEWEHRT WERDEN?
Laut dem Regierungsprogramm sollen die Anspruchsvoraussetzungen für die Korridorpension ab 2026 schrittweise von bisher 40 auf 42 Versicherungsjahre (innerhalb eines Zeitraumes von 3 Jahren) und das Zugangsalter von derzeit 62 auf 63 Jahre (innerhalb eines Zeitraumes von 2 Jahren) angehoben werden.
Für Betroffene bedeutet das tatsächlich eine Erschwernis beim Zugang zur Korridorpension. Diese ist allerdings bereits im Jänner 2025 von FPÖ und ÖVP an die EU gemeldet worden, um ein Defizitverfahren Österreichs zu vermeiden. Aufgrund dieser erfolgten Meldung ist es nicht mehr gelungen, die Verschärfungen bei der Korridorpension zur Gänze abzuwenden.
Gelungen ist aber, dass sowohl die Anhebung des Antrittsalters als auch die Erhöhung der Versicherungsjahre bei der Korridorpension schrittweise und somit mit Übergangsfristen erfolgen wird, was im Konsolidierungsplan von FPÖ und ÖVP nicht vorgesehen war. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass im Regierungsprogramm weder für die Langzeitversichertenregelung („Hacklerregelung“) ab dem 62. Lebensjahr noch für die Pflegeberufe in die Schwerarbeitsregelung aufzunehmen.
WIRD DIE SELBSTVERWALTUNG WIEDER GESTÄRKT?
Für eine umfassende Reform der Selbstverwaltung konnte keine Einigung zwischen den Koalitionsparteien gefunden werden. Man konnte sich jedoch darauf verständigen, dass eine Evaluierung durchgeführt wird. Es gibt aber auch eine wichtige Verbesserung: Seit des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2019, die die Entsendung von Versicherungsvertreterinnen und -vertretern in die Selbstverwaltung der BVAEB (Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau) aufgehoben hat, gibt es keine Rechtsgrundlage für eine neue Entsendung. Das soll nun endlich repariert werden.
Ebenso wird es zukünftig im Dachverband der Sozialversicherungsträger ein neues trägerunabhängiges Selbstverwaltungsgremium geben. Das stärkt die koordinierende und trägerübergreifende Tätigkeit des Dachverbandes.
WIRD DIE BILDUNGSKARENZ ERSATZLOS ABGESCHAFFT?
Bei den Regierungsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP war geplant, die Bildungskarenz ersatzlos zu streichen. ÖVP, SPÖ und NEOS haben sich darauf geeinigt, ab dem Jahr 2026 ein treffsicher reformiertes Nachfolgemodell einzuführen. Dadurch soll es in Zukunft zumindest die Möglichkeit geben, sich innerbetrieblich weiterzubilden.