Energie
Heizen oder Klima schützen?
Weniger Energieverbrauch, aber günstigere Preise - geht das am freien Markt? Wir haben mit Expertinnen und Experten des ÖGB gesprochen und fünf Wege in eine grüne und leistbare Energiezukunft gefunden – für ein warmes Zuhause und ein intaktes Klima.
Es sind harte Zeiten für die meisten Menschen in Österreich. Pandemie, Krieg, explodierende Preise – die vergangenen Jahre hielten einige große Herausforderungen parat und das sprichwörtliche Licht am Ende des Tunnels ist weiterhin nur mit einer Portion Optimismus zu erkennen. Vor allem aber sind es die finanziellen Folgen der Krisen, die in vielen Fällen die größten Sorgenfalten verursachen. Und dann wäre da ja auch noch das Klima. Aber wer hat dafür schon Zeit, wenn jeder Tag und jede Rechnung zum Problem werden kann? Die gute Nachricht: Die Expertinnen und Experten des ÖGB haben Modelle entwickelt, die diese Probleme gemeinsam anpacken.
Es kann gelingen, für leistbare Energiepreise zu sorgen und gleichzeitig zum Energiesparen anzuregen – weil billiger eben nicht automatisch heißen muss, dass wir sorglos mit unseren Ressourcen umgehen. Es ist möglich, thermische Sanierung leistbar zu machen, auch Vermieter dazu zu motivieren – und zwar, ohne die Kosten an die Mieter weiterzugeben. Es ist wichtig, all jenen zu helfen, für die eine warme Dusche ein finanzielles Problem ist. Und man kann als Gewerkschaft für Arbeitnehmer:innen eintreten und sich für eine klimafitte Zukunft für sie und ihre Kinder starkmachen. Unsere Expertinnen und Experten sagen, wie.
Warum ein Wärmepaket allen hilft
Wurde eine Strompreisbremse beschlossen? Ja. Bringt sie was? Nein. Sie geht nämlich nicht weit genug. Was wirklich nötig ist, ist ein Wärmepaket. Denn die Teuerung ist insbesondere beim Wohnen und beim Heizen zu spüren und betrifft Millionen Menschen in Österreich. Die Großhandelspreise sind schon seit Langem wieder gesunken, aber die Energieversorger geben den günstigen Strom nur sehr zögerlich und völlig intransparent weiter (zum Beispiel in Form von Rabattaktionen oder Energiefreitagen). „Ein fixer Preisdeckel ist nicht nur für Strom notwendig, sondern auch für alle Heizformen – egal ob Gas, Pellets, Wärmepumpen oder Fernwärme“, fordert ÖGB-Ökonomin Angela Pfister. „Viele Menschen wissen nicht, wie sie ihre Strom- und Gasrechnung bezahlen sollen. Deshalb muss der Grundbedarf allen Haushalten mit Hauptwohnsitz preislich abgesichert werden“, hält die Expertin fest.
Wichtig ist: Es wird so für alle der gleiche Maßstab für den Grundverbrauch angelegt. Der niedrigere und regulierte Preis ist also wesentlich etwa für das Heizen, Kochen, Duschen oder Wäschewaschen; werden hingegen Pools beheizt oder Saunen betrieben, dann läuft das im „normalen“ Marktpreis. „Ein gerechtes System ist für uns von großer Bedeutung. Es würde auch einen Anreiz schaffen, um Energie zu sparen“, erklärt Angela Pfister „Das vom ÖGB vorgeschlagene Modell würde zusätzlich eine wichtige inflationsdämpfende Wirkung entfalten – etwas, das die Bundesregierung bislang noch nicht effektiv zustande gebracht hat.“
Merit-Order: was das ist und warum es weg muss
Seit die Energiepreise explodieren, hört man immer wieder den Begriff „Merit-Order“. Warum? Weil das der Grund für die horrenden Kosten ist. Das Merit-Oder-Prinzip besagt nämlich, dass sich der Strompreis nach dem teuersten produzierenden Kraftwerk richtet – und das sind in aller Regel Gaskraftwerke. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine sind aber die Gaspreise in die Höhe geschnellt und damit eben auch der Strompreis. Absurd in einem Land wie Österreich, dessen Stromerzeugung überwiegend aus erneuerbaren Quellen wie etwa Wasser oder Wind erfolgt.
„Großhandelspreise und damit auch die Preise für Endkunden müssen die Herstellungskosten widerspiegeln. Dieser Systemfehler muss so rasch wie möglich korrigiert werden. Die Merit-Order muss weg“, betont Angela Pfister. „Der freie Markt ist kaum geeignet, sinnvolle Lösungen für Grundgüter wie Strom zu finden. Für den Grundbedarf muss es regulierte Preise geben.“
Dieser freie Markt wird erhalten, weil man stur an „liberalen Dogmen der Vergangenheit festhält“, analysiert Pfister. Und das geht zulasten der Verbraucher:innen. Dabei spielt der Staat etwa bei der Förderung von erneuerbaren Energien durchaus eine Rolle. „Wenn es aber dann um die Festlegung der Preise geht, verabschiedet er sich und lässt die Kundinnen und Kunden allein. Das muss sich ändern. Der Staat muss eine aktivere Rolle einnehmen“, fordert die ÖGB-Expertin.
One-Stop-Shops für Heizen und Sanieren
Thermische Sanierung und der Austausch ausgedienter Heizsysteme stehen auf der Agenda für die Zukunft ganz weit oben. Hier lohnt sich ein Blick ins Ausland: In Frankreich gibt es nach dem One-Stop-Shop-Prinzip bereits Beratungsangebote, die einem dabei helfen, sein Zuhause „durchzuökologisieren“ – vom Austausch der Fenster bis zur Installation von Solarpanelen. Gefördert wird dort nach dem Prinzip: je niedriger das Einkommen, desto höher die Förderung. Das Einsparungspotenzial ist groß. Bei einer Vollsanierung könnten je nach Gebäudeart bis zu 70 Prozent an Energie eingespart werden. Das belegt eine Studie der Johannes Kepler Universität Linz im Auftrag der Arbeiterkammer Niederösterreich.
Wer zahlt was? Sicherheit für Mieter:innen schaffen
In Österreich gibt es derzeit keine Regelung für die Aufteilung der Kosten für einen Heizkesselaustausch. Das heißt, Mieter:innen müssen oft entweder zu hohe Energiekosten bezahlen oder die Kosten für den Heizkesseltausch selbst tragen. Ein Blick in den Norden zeigt, wie es anders gehen könnte: In Schweden wurde ein „Warmmietenmodell“ eingeführt, bei dem Heizkosten im Mietpreis inkludiert sind. Dadurch haben Vermieter:innen einen Anreiz, die Kosten zu senken und auf energiesparende Systeme umzusteigen. Ähnlich wie bei der Strompreisbremse kann ein gewisser Grundverbrauch oder eine bestimmte Raumtemperatur vertraglich festgelegt werden, alles darüber hinaus haben Mieter:innen aus eigener Tasche zu bezahlen. In Österreich sind im Budget für das kommende Jahr zwar erfreulicherweise mehr Mittel für Heizkesseltausch eingeplant, eine Regelung für den gerechten Kostenausgleich ist hierzulande jedoch nicht geplant. „Es muss vor allem sichergestellt werden, dass der Heizkesseltausch in Mietwohnungen tatsächlich erfolgt. Die Kosten, die dem Vermieter beim Tausch entstehen, dürfen aber nicht an Mieter:innen weitergegeben werden“, bekräftigt ÖGB-Klimaexperte Jakob Embacher.
Es muss vor allem sichergestellt werden, dass der Heizkesseltausch in Mietwohnungen tatsächlich erfolgt. Die Kosten, die dem Vermieter beim Tausch entstehen, dürfen aber nicht an Mieter:innen weitergegeben werden.
Mehr Netz, damit der grüne Strom fließen kann
Große Investitionen in erneuerbare Energien sind wünschenswert, allerdings nutzen sie nur wenig, wenn die Kapazitäten des Stromnetzes nicht gleichzeitig ausgebaut werden. Derzeit kann unsere Energieinfrastruktur das ganze Potenzial des grünen Stroms gar nicht stemmen: Teils müssen Wasserkraftwerke abgedreht werden, um das Netz nicht zu überlasten. Was es also braucht, ist ein Ausbau des Stromnetzes.
Mit beschleunigten Genehmigungsverfahren können die Weichen für klimaneutrale Elektrizität gelegt und gleichzeitig kann ein Konjunkturschub in der Bauwirtschaft bewirkt werden – davon profitieren alle. Investitionen von Energieversorgern wie der Verbund-Tochter APG sind ein guter Start, aber auch die öffentliche Hand ist hier gefragt.
Energiearmut: beim Essen sparen, um zu heizen
Anfang des Jahres 2023 waren etwa 725.000 Menschen in Österreich von Energiearmut betroffen. Sie konnten es sich nicht leisten, das Haus oder die Wohnung angemessen warm zu halten. Dazu kommt, dass sie nicht einfach auf ein billigeres Heizsystem umsteigen können. Beim Heizkesseltausch sind sie auf die Vermieter:innen angewiesen. Und diese überwälzen oftmals die Kosten für die baulichen Maßnahmen auf die Mieter:innen. So kommt es, dass in einem der reichsten Länder der Welt Menschen zwischen Essen und Heizen wählen müssen – ein Armutszeugnis im wahrsten Sinne des Wortes.
Statt eines Fleckerlteppichs an Einmalzahlungen und eingeschränkten Maßnahmen braucht es ein umfassendes Wärmepaket.
Die Anzahl der Menschen, die von Energiearmut betroffen ist, hat sich seit Anfang 2022 fast verdoppelt. Jetzt steht der nächste Winter ins Haus und viele Österreicher:innen werden abermals horrende Summen für ein warmes Zuhause zahlen müssen. Die Strompreisbremse der türkis-grünen Bundesregierung ist vielleicht gut gemeint, kommt aber mit einem großen Bremsdefekt: Menschen, die ihre Wärme über Gas, Heizöl oder Pellets beziehen, müssen trotzdem draufzahlen. ÖGB-Expertin Angela Pfister rechnet mit Mehrkosten von 500 bis 1.400 Euro für Betroffene und bekräftigt: „Statt eines Fleckerlteppichs an Einmalzahlungen und eingeschränkten Maßnahmen braucht es ein umfassendes Wärmepaket.“