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Problemfall Amazon GPA-djp

Maarten N., Beschäftiger am Amazon-Standort Großebersdorf und GPA-djp-Vorsitzende Barbara Teiber

Steuern und Konjunktur

Skandal bei Amazon-Österreich

Amazon-Beschäftigter enthüllt erniedrigende Arbeitsbedingungen

Im Oktober 2018 hat Amazon in Großebersdorf (Bezirk Mistelbach, NÖ) sein erstes österreichisches Verteilzentrum eröffnet. Damit möchte man die Zustellung künftig weitgehend selbst in die Hand nehmen. Etwa 150 MitarbeiterInnen arbeiten in Großebersdorf.

Überwachung, Disziplinierungsmaßnahmen und erniedrigenden Vorschriften

Maarten N., der wie die meisten seiner KollegInnen über eine Leiharbeitsfirma beschäftigt ist, berichtet von Überwachung, Disziplinierungsmaßnahmen und erniedrigenden Vorschriften:

Der Scanner, der als Arbeitsgerät benutzt wird, registriert genau die Arbeitsleistung der einzelnen Beschäftigten. Obwohl die gewonnenen Daten offenbar zur Entscheidung über eine Verlängerung der Beschäftigung herangezogen werden, haben die MitarbeiterInnen keine Möglichkeit, ihre Daten einzusehen und zu vergleichen.

Strafen bei falscher Bekleidung oder als zu gering bewerteter Arbeitsleistung

Die Scanner verlangen nach dem Einloggen außerdem die Beantwortung von Fragen. Die entsprechenden Antworten werden ebenfalls den MitarbeiterInnen zuordenbar gespeichert. Bei sogenannten „CSI-Wellen“ müssen MitarbeiterInnen zur Strafe bei Fehlverhalten (etwa unsicheres Schuhwerk, falsche Bekleidung, als zu gering bewertete Arbeitsleistung, etc) in mühevoller Arbeit zusätzlich zu ihren eigentlichen Aufgaben jedes Paket unter Aufsicht einzeln scannen, obwohl es die Möglichkeit einer gruppierten Scannung taschenweise gibt.

Der Scanner registriert, wie viel wir leisten. Wir selbst können diese Leistungen aber nicht sehen und wissen nicht, wie wir beurteilt werden. 4 Personen wurden schon gekündigt, weil Ihre Leistungen nicht entsprechend waren. Wir wissen nicht, wenn wir in die Arbeit gehen, ob wir noch einen Job haben oder nicht.

Maarten N., Beschäftigter am Amazon Standort Großebersdorf

Die Verantwortung wird dabei hin und hergeschoben zwischen Amazon und der Leiharbeitsfirma und die Beschäftigten wissen nicht, wer eigentlich Ansprechpartner ist und verantwortlich für die Arbeitsbedingungen.

Unter der Androhung von Personalreduktion wurden die MitarbeiterInnen „ersucht“, ihre Arbeitszeit zu reduzieren – mit dem Versprechen, dass diese nach drei Monaten wieder steigt. Tatsächlich hielt dieser Zustand aber wesentlich länger an und die MitarbeiterInnen mussten in dieser Zeit mit dem entsprechend verringerten Verdienst auskommen. Trotz der Reduktionen wurden auch MitarbeiterInnen gekündigt.

Amazon verlangt außerdem, dass die MitarbeiterInnen während der Arbeitszeit keine persönlichen Gegenstände mit sich führen. Dazu zählen etwa auch Uhren, Gürtel, Handys oder sogar Kaugummi. Wer etwas dabei hat, steht unter Pauschalverdacht, es womöglich aus einem Paket entwendet zu haben.

Kreislaufkollaps durch große Hitze

Die Arbeit verdichtet sich zunehmend ohne Ausgleich durch zusätzliches Personal. Das äußert sich etwa auch dadurch, dass Regale immer weiter zusammengestellt werden. In Regalgängen mit einer Länge von etwa 2,5 Metern arbeiten regelmäßig zwischen fünf und sieben MitarbeiterInnen. Diese Regale sind nicht am Boden befestigt, aber sehr hoch, was zu Gefahrensituationen führt. Fahrer, die die Pakete ausliefern, müssen beim Wiederankommen am Gelände im Auto sitzen bleiben, bis sie hineingepfiffen werden. Dies gilt auch bei großer Hitze. Ein Kreislaufkollaps war bereits die Folge. Fahrer müssen bis zu 300 Pakete täglich ausliefern.

Die GPA-djp fordert eine angemessene und respektvolle Behandlung der Beschäftigten durch Amazon, ein Ende der Überwachung von Beschäftigten durch Amazon und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen.

Wir werden nicht zulassen, dass ArbeitnehmerInnen in Österreich menschenunwürdig und wie seelenlose Maschinen behandelt werden. Dazu gehört ein Ende der Überwachung und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen.

Barbara Teiber, GPA-djp Bundesvorsitzende

Die GPA-djp fordert außerdem einen nationalen Schulterschluss zwischen Gewerkschaften und Wirtschaft zur Schaffung fairer Rahmenbedingungen rund um den „Problemfall Amazon“ und ein Bekenntnis des österreichischen Handels zu guten Arbeitsbedingungen im Handel.

Es muss eine Prüfung des Standorts Großebersdorf durch die Finanzbehörden durchgeführt werden, um zu klären, ob es sich um eine Betriebsstätte oder eine Hilfsstätte handelt. Eine echte Digitalsteuer, die über die Erweiterung der Werbeabgabe auf Online-Werbung hinaus eine faire Besteuerung von Online-Giganten sicherstellt, etwa durch eine Erweiterung auf Plattformumsätze.

Die GPA-djp fordert außerdem eine gesetzliche Beschränkung der Anzahl von Leiharbeitskräften als prozentuelle Obergrenze der Gesamtanzahl von Beschäftigten sowie eine verpflichtende Übernahme von Leiharbeitskräften in ein reguläres Dienstverhältnis nach sechs Monaten am gleichen Standort.

Prüfersuchen beim Arbeitsinspektorat eingebracht

Gestern wurde außerdem ein Prüfersuchen beim Arbeitsinspektorat eingebracht, das nun kontrollieren wird, ob die teils gefährlichen Arbeitsbedingungen rechtskonform sind.
Außerdem wird die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse eingeschaltet, um zu prüfen, ob bei den Amazon-Fahrern Scheinselbstständigkeit vorliegt.

Von mehr als 150 Beschäftigten am Standort Großebersdorf sind nur 16 direkt bei Amazon beschäftigt, alle anderen über Leiharbeitsfirmen. Amazon nutzt also Leiharbeitskräfte nicht nur, wie eigentlich vorgesehen zum Abdecken von Auftragsspitzen. Die GPA-djp wird daher das Sozialministerium auffordern eine Verordnung zu erlassen, die die Anzahl der Leiharbeitskräfte bei Amazon Österreich beschränkt. Eine solche Verordnung ist auf Basis des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes möglich, wenn der Verdacht des Missbrauchs besteht.
 

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