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Elisabeth Mandl

Kommentar

Steuerreform: Chance auf ein gerechteres Österreich verpasst

ÖGB-Expertin Baghdady kritisiert, dass Steuergeschenke an Konzerne Zukunftsinvestitionen in Bildung, Beschäftigung und Klima verhindern

Stellen Sie sich vor, Sie haben Geburtstag und laden (natürlich prä-Corona) 100 Gäste ein. Der erste Gast kommt, und nimmt sich – ohne Ihnen überhaupt gratuliert zu haben – mehr als ein Drittel des Kuchens. Sie versuchen, nicht in Panik zu geraten, schließlich ist noch genug da. Doch der Engpass am Buffet spricht sich nicht zu den Gästen durch, die schon auf der Matte stehen. Sie nehmen sich alle ein ordentliches Stück – damit haben die ersten 10 Gäste zwei Drittel des Kuchens gegessen, der doch für alle reichen hätte sollen! Nachdem noch mehr Leute aufgetaucht sind und sich aufgetan haben, ist klar: Das geht sich nicht aus. Die Hälfte der Gäste war noch nicht mal am Buffet, aber es sind nur noch die Krümel übrig.

Dieser Kommentar erschien in gekürzter Fassung im Kurier
Hier geht's zum Gastkommentar auf kurier.at!

Österreichs Steuersystem ist besonders ungerecht

Hört sich an wie der Albtraum jedes Geburtstagskindes? Und völlig ungerecht obendrein? Stimmt! Und trotzdem ist es in Österreich Realität, und zwar bei der Verteilung von Vermögen. Mit diesem eindrücklichen Beispiel zeigt Ökonom Matthias Schnetzer auf Twitter, wie ungerecht es auf den Konten des Landes zugeht. Das reichste Prozent, also ca. 40.000 Haushalte, besitzt fast 40 % des Vermögens, die ärmeren 50 %, also ca. 2 Millionen Haushalte, teilen sich gerade einmal 3 %. Damit liefert Österreich einen Negativrekord in der EU: Nur in Deutschland ist das Hab, Gut und Geld ungerechter verteilt als bei uns. Gleichzeitig zahlen Österreichs ArbeitnehmerInnen, PensionistInnen und KonsumentInnen 80 % der Steuern. Während Reiche auf ihre Vermögen und Unternehmen auf ihr Kapital und ihre Gewinne im OECD-Schnitt mehr als 30 % zum Steuerkuchen beitragen, sind es in Österreich nicht einmal halb so viel. 

Zukunftsinvestitionen fehlen

Mit der „Ökosozialen Steuerreform” hätte die Regierung ein Instrument in Händen gehabt, um diese Schieflage für kommende Generationen geradezurücken. Stattdessen hat sie die Steuern der großen Konzerne gesenkt. Dabei übernehmen Unternehmen und Vermögen nicht einmal 15 % des Gesamtsteueraufkommens – das ist halb so viel wie im OECD-Schnitt. Trotzdem steht für sie eine Körperschaftssteuersenkung über 800 Millionen an. 800 Millionen Euro, die weder höhere Investitionen, noch höhere Beschäftigung bringen. Gleichzeitig gingen diese Woche tausende Kindergarten-PädagogInnen auf die Straße, weil für die Bildung der Kleinsten eine Milliarde fehlt. Auch sind keine nennenswerten Summen für Pflege oder Gewaltschutz für Frauen vorgesehen. Genauso wenig für den Wandel von Wirtschaft und Arbeitswelt, die die Klimakrise mit sich bringt, die mit Umschulungsmöglichkeiten und Förderungen für zukunftsfitte Jobs vorbereitet werden muss.  

Obwohl wir uns mitten im Wirtschaftsaufschwung befinden, sind keine nachhaltigen Verbesserungen für kommende Generationen in Sicht. Denn das Geld wandert statt zu Bildung für Kinder, Pflege für Alte, Unterstützung für Frauen oder Umschulung Richtung zukunftsfitter Jobs für ArbeitnehmerInnen an Konzerne. 

Konzerne bekommen vier Mal so viel wie ArbeitnehmerInnen

Gesamt bekommen Unternehmen und Konzerne 1,55 Milliarden Euro. Für ArbeitnehmerInnen gibt es gerade einmal ein Viertel davon. Die Beschäftigten müssen sich mit einer Lohnsteuersenkung begnügen, die gerade das abdeckt, was sie durch die Kalte Progression seit 2016 zu viel an Steuern bezahlt haben. Für Österreichs 4,3 Millionen ArbeitnehmerInnen bleiben 380 Millionen Euro. Entgegen dem, was die Regierung sagt, profitieren nicht vor allem kleine und mittlere Einkommen von der Reform. Auch Familienbonus und Kinderabsetzbetrag kommen nicht allen Eltern und Kindern zugute. 

Chance auf gerechteres Steuersystem verpasst

Wer bei allen Diskussionen um Be-, Um- und Entlastung außen vor bleibt, sind die Reichen. Wir erinnern uns: das eine Prozent, das sich fast den halben Kuchen gekrallt hat, ohne an die anderen zu denken. Dabei sind weltweit die reichsten 10 % für die Hälfte des gesamten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Eine ökosoziale Steuerreform, die ihren Namen auch verdient, sollte für Fairness sorgen – in ökologischer wie in sozialer Hinsicht. Die Lösung liegt auf der Hand: Eine gerechte Besteuerung von Erbschaften und Vermögen. Der ÖGB schlägt dazu eine Millionärssteuer ab der ersten vollen Million idHv 0,5 % vor. Ab der elften Million gilt 1 % Abgabe. 

Die Regierung verpackt stattdessen grade ein Steuergeschenk für Unternehmen und lässt die Reichsten unbehelligt. Sparen müssen am Ende wieder die ArbeitnehmerInnen, die PensionistInnen, die Alleinerziehenden und die Arbeitslosen – genau jene, für die jetzt schon nur die Krümel des Kuchens übrig sind. 

Das Geld wäre da gewesen. Der Wirtschaftsaufschwung hätte finanzielle Spielräume für Zukunftsinvestitionen wie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und den Ausbau des Angebots von Kindergärten und Pflege geschaffen. Das hat die Bundesregierung verabsäumt und verspielt damit die Chancen für ein gerechteres Österreich, bei dem auch der Letzte am Buffet noch ein Stück des Kuchens bekommt.