Analyse
Teuerung: „Keine Maßnahme senkt die Preise oder dämpft die Inflation"
ÖGB analysiert das Anti-Teuerungspaket: Neben der Valorisierung der Sozialleistungen bringt das Paket zu viele Einmalzahlungen, strukturelle Maßnahmen kommen hingegen erst nächstes Jahr
Der vom ÖGB aufgebaute Druck für Entlastungsmaßnahmen hat die Bundesregierung endlich zum Handeln gebracht. Am 23. Juni wird ein Anti-Teuerungspaket der Bundesregierung im Nationalrat beschlossen. Die Analyse des ÖGB zeigt aber , dass das Paket neben einigen gelungenen Punkten auch viele Nachteile aufweist.
Es dürfte hier unterschiedliche Auffassungen von kurzfristig geben. Wenn einem Menschen gerade das Geld ausgeht, dann ist Oktober sehr weit weg.
„Es besteht in seinen kurzfristig wirksamen Aspekten fast ausschließlich aus Einmalzahlungen und es ist in mehreren Punkten verteilungspolitisch fragwürdig“, kommentierte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian bereits nach der ersten Ankündigung. Am Tag des Nationalrats-Beschlusses bleibt der ÖGB-Präsident bei seiner Einschätzung: „Dass diese Maßnahmen nicht reichen werden, ist für uns leider keine Überraschung." Man könne "gegen die katastrophale Situation etwas tun", so Katzian weiter. Die Vorschläge des ÖGB lägen seit Monaten auf dem Tisch. Dass die sogenannten Kurzfristmaßnahmen zum größten Teil erst im Oktober oder überhaupt 2023 kommen, sei ein großes Problem: „Es dürfte hier unterschiedliche Auffassungen von kurzfristig geben. Wenn einem Menschen gerade das Geld ausgeht, dann ist Oktober sehr weit weg", so Katzian. Denn klar ist: „Wenn die Existenz einmal vernichtet ist, dann ist es zu spät", hält der ÖGB-Präsident nach dem Nationalratsbeschluss fest.
ÖGB setzt sich bei Inflationsanpassungen durch
Das Maßnahmenpaket soll heuer laut Angaben der Bundesregierung eine Entlastung von sechs Milliarden Euro und bis 2026 rund 28 Milliarden Euro bringen. Katzian begrüßt vor allem die vom ÖGB immer wieder geforderte Inflationsanpassung von Sozial- und Familienleistungen. Ebenso positiv bewertet der ÖGB die Erhöhung der Absetzbeträge, denn diese wirken unabhängig vom Einkommen und entlasten daher auch jene, die keine Lohnsteuer zahlen.
Einmalzahlungen gleichen Preisanstieg nicht aus
Neben diesen positiven Ansätzen, bleiben aber mehrere Punkte, die bei näherem Hinsehen für Kritik sorgen. „Einmalzahlungen bremsen die Erhöhung der Inflationsrate nicht, das Preisniveau erhöht sich ja dauerhaft“, erklärt Katzian den größten Makel des Entlastungspakets.
„Viele der Maßnahmen sind nicht langfristig wirksam. Heuer spüren zwar die meisten die Entlastung”, führt ÖGB-Wirtschaftsexpertin Miriam Baghdady aus. Doch die Preise werden weiter steigen, und die Einmalzahlungen werden schnell verpufft sein.
Echte Entlastung fehlt
Der Schwerpunkt des Paketes auf Einmalzahlungen bedeutet, dass die Mietpreisregulierung, die Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel und Treibstoffe weiter ausbleiben. Auch die Sondersteuer auf Übergewinne der Energieunternehmen und der Gaspreisdeckel für Kraftwerke bleiben weiterhin auf der Forderungsliste des ÖGB. „Das sind die Maßnahmen, die schon vor Monaten gesetzt hätten werden müssen, um ArbeitnehmerInnen, Unternehmen, Familien und PensionistInnen nachhaltig zu entlasten. PensionistInnen gehen überhaupt ziemlich leer aus bei diesem Entlastungspaket“, so Katzian.
PensionistInnen gehen überhaupt ziemlich leer aus bei diesem Entlastungspaket.
Sozialleistungen bleiben unter Armutsgrenze
Wenn es auch gut ist, dass Sozialleistungen endlich valorisiert werden, reicht diese Maßnahme nicht aus. Denn nach wie vor bleiben viele Sozialleistungen unterhalb der Armutsgrenze. „Das betrifft die Sozialhilfe, das Arbeitslosengeld und den Ausgleichszulagenrichtsatz, also die zentralen Unterstützungen, auf die viele Menschen angewiesen sind”, kritisiert der ÖGB-Präsident. Die jährliche Valorisierung bringt BezieherInnen unterer Einkommen zu wenig, um das akute Armutsproblem angesichts der explodierenden Inflation zu lösen.
„Uns reicht’s!” sagte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian am Wiener Karlsplatz vor 20.000 Menschen. Österreichweit gingen mehr als 32.600 DemonstrantInnen auf die Straße, um den explodierenden Kosten und der Untätigkeit der Politik den Kampf anzusagen.
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Senkung der Lohnnebenkosten schwächt die AUVA
Die geplante Senkung der Lohnnebenkosten sieht die Reduktion des Unfallversicherungsbeitrages vor. Das ist ein Problem. „Dem Sozialstaat könnten hier rund 125 Millionen Euro jährlich entgehen”, rechnet Katzian vor. „Die AUVA würde damit gezwungen, ihre breites Aufgaben- und Leistungsspektrum auf Kosten der Versicherten einzuschränken”, warnt der ÖGB-Präsident.
Entlastung ist ungleich verteilt
Der ÖGB begrüßt, dass es zu einer Abgeltung des inflationsbedingten Anstiegs des Lohnsteueraufkommens kommt. Aber von der Entlastung profitieren die oberen Einkommen stärker, weil kleinere Erwerbseinkommen ohnehin keine oder wenig Lohnsteuer zahlen. „Es geht um den gerechten Beitrag der großen Profiteure der Krise", fordert Katzian auch mit Blick auf die vom ÖGB immer wieder geforderten Erbschafts- und Vermögenssteuern.
Weil das aber eine der wenigen Maßnahmen ist, die längerfristig helfen, verschiebt sich auch die Verteilung der Entlastung: Während im Jahr 2022 die unteren Einkommensbereiche durch die Einmalzahlungen relativ stark entlastet werden, werden sie in den Folgejahren relativ schwächer entlastet, erklärt Baghdady.
Es geht um den gerechten Beitrag der großen Profiteure der Krise.
ÖGB macht weiter Druck
Für den ÖGB bedeutet das Paket der Bundesregierung, dass weiter Druck gemacht werden muss für dauerhafte Entlastungsmaßnahmen, die bei den Menschen ankommen, fasst der ÖGB-Präsident zusammen: „Wir werden uns weiter mit unseren Forderungen einbringen. Einmalzahlungen helfen einmal, die Inflation mit all ihren Belastungen wird uns leider länger bleiben – deswegen müssen strukturelle Maßnahmen her, die endlich Verteilungsgerechtigkeit schaffen. Davon kann mit dem heute beschlossenen Paket leider keine Rede sein. Ein echtes Entlastungpaket braucht mehr!“