Steuern
Angriff auf Arbeitnehmer:innen: „Unternimm was!”
WKO-Kampagne vor Nationalratswahl mit arbeitnehmer:innen- und frauenfeindlichen Forderungen
Rechtzeitig vor der Nationalratswahl präsentiert die Wirtschaftskammer (WKO) eine Kampagne, die vorgibt, „leistungsfreundlich” zu sein, sich in Wahrheit aber gegen Arbeitnehmer:innen, gegen Frauen, aber auch gegen kleine und mittlere Unternehmen richtet. Auf der Kampagnenwebsite unternimmwas.at können User:innen eine Online-Petition zu WKO-Forderungen unterstützen: für die Senkung der Einkommensteuer und der Lohnnebenkosten sowie für die Einführung eines „Vollzeitbonus“. Neu ist keine dieser Forderungen, aber die Wirtschaftsvertreter:innen zeigen damit, welche Themen ihnen – im Wahlkampf und danach – besonders wichtig sind. Deshalb haben wir uns die Kampagne genauer angeschaut.
Zielgruppe macht stutzig
Dass sich die WKO mit dieser Kampagne nicht an ihre Mitglieder, die Unternehmen, sondern offenbar gezielt an die fleißig arbeitenden Menschen richtet, kann eine:n schon stutzig machen .Mit ihren Forderungen will die WKO offenbar vermitteln, sich für die „armen“ Arbeitnehmer:innen stark zu machen, die wegen der „bösen“ Lohnnebenkosten zu wenig Netto vom Brutto bekämen, und für die sich aufgrund zu hoher Steuern Vollzeitarbeit nicht auszahlen würde. Die Argumentation der Wirtschaftskammer allerdings ist nicht nur hochgradig verzerrend und irreführend, sondern es werden auch wichtige Fakten einfach ausgeblendet. Was von der WKO als arbeitnehmer:innen- und leistungsfreundlich dargestellt wird, ist in Wahrheit ein Programm für die Großunternehmer auf Kosten der Allgemeinheit.
WKO-Forderungen sind frauenfeindlich
Die WKO gibt vor, dass es sich aufgrund zu hoher Besteuerung nicht auszahle, Vollzeit zu arbeiten und unterstellt damit vor allem Frauen, von denen 51,6 Prozent Teilzeit arbeiten, nicht Vollzeit arbeiten zu wollen. Dabei ist mit Sicherheit auch der Wirtschaftskammer bekannt, dass der Hauptgrund dafür, dass Frauen Teilzeit arbeiten, nachweislich in der ungleichen Verteilung der Care-Arbeit (Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen) liegt, die wiederum hauptsächlich auf das mangelnde Angebot an Kinderbetreuung und Pflege zurückzuführen ist.
Doch anstatt etwa die Forderung nach einem flächendeckenden, leistbaren Kinderbetreuungsangebot nach vorne zu stellen, hängt die WKO gleich die nächste frauenfeindliche Forderung an: Denn auch der von der Wirtschaftskammer geforderte Vollzeitbonus würde vor allem Männer belohnen und damit die Geschlechterungleichheit auf dem Arbeitsmarkt und bei der Verteilung unbezahlter Arbeit weiter verschärfen.
Beim Sozialstaat soll gekürzt werden
Die WKO-Forderungen richten sich auch gezielt gegen Arbeitnehmer:innen. Denn sowohl für die Einführung eines Vollzeitbonus als auch um die WKO-Forderung nach einer Senkung der Steuersätze – die übrigens nur für Gutverdiener:innen gelten soll – umzusetzen, müsste irgendwo anders gekürzt werden. Nicht zufällig dürfte die Wirtschaftskammer vergessen haben anzuführen, ob sie im Gegenzug die Leistungen des Sozialstaats kürzen möchte bzw. welche Leistungen es genau treffen soll. Fix ist: Eine Kürzung sozialstaatlicher Leistungen würde die Bezieher:innen kleiner und mittlerer Einkommen besonders hart treffen.
Auch die WKO-Forderung nach einer Senkung der Lohnnebenkosten bedeutet in Wirklichkeit, dass Sozialstaatsbeiträge gekürzt werden sollen, wobei die WKO in diesem Zusammenhang sogar recht konkret verrät, wo sie kürzen möchte. Denn mit einer gewünschten Senkung der Lohnnebenkosten um 3,7 Prozent zielt die Wirtschaftskammer wohl auf die Arbeitgeberbeiträge zum Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) ab – und damit auf Leistungen wie die Familienbeihilfe, das Kinderbetreuungsgeld, die Schüler:innen- und Lehrlingsfreifahrten und die Schulbuchaktionen. Dass Kürzungen bei diesen Leistungen wiederum Menschen mit weniger Geld treffen würden, liegt auf der Hand.
Mehr Netto? Unsinn!
Eine Abschaffung der Arbeitgeberbeiträge zum FLAF, wie sie sich die WKO offenbar vorstellt, würde einer großen Lohn- und Gehaltskürzungsaktion für alle Arbeitnehmer:innen mit Kindern gleichkommen. Doch anstatt dies offenzulegen, verbreitet die Wirtschaftskammer die unsinnige Argumentation, dass den Arbeitnehmer:innen mit einer Lohnnebenkostensenkung mehr Netto vom Brutto überbleiben würde. In Wahrheit haben aber die Lohnnebenkosten mit dem Nettoeinkommen der arbeitenden Menschen nichts zu tun. Denn der Dienstgeberbeitrag zum FLAF wird nicht vom Bruttogehalt der Beschäftigten abgezogen, sondern ist eben beim Arbeitgeber. Die einzigen, die also von einer Lohnnebenkostensenkung profitieren würden, sind die Unternehmer:innen.
WKO gegen Kleinunternehmer
Nicht zuletzt offenbart die Wirtschaftskammer mit ihrer Argumentation auch, für wen sie sich wirklich einsetzt – und es sind augenscheinlich nicht die kleinen und mittleren Unternehmen. Denn die WKO behauptet, dass eine Senkung der Lohnnebenkosten die Wettbewerbsfähigkeit fördern würde. Da aber von einer Lohnnebenkostensenkung in Österreich alle inländischen Arbeitgeber profitieren würden und sich damit deren relative Konkurrenzfähigkeit untereinander nicht ändern würde, kann es hier nur um die internationale Wettbewerbsfähigkeit gehen. Und die wiederum ist nur für Unternehmen maßgeblich, die überhaupt im internationalen Wettbewerb stehen – für kleine und mittlere Unternehmen, etwa die hunderttausenden Dienstleistungsbetriebe, spielt sie hingegen keine Rolle. Vielmehr würde ihre Lage durch eine solche Förderung der großen, international tätigen Unternehmen weiter erschwert.
Was zu tun wäre
Der gute Rat zum Schluss: Statt den Sozialstaat mit einer Lohnnebenkostenkürzung ins Wanken zu bringen oder Frauen zu unterstellen, nicht mehr arbeiten zu wollen, wäre die WKO deutlich besser beraten, sich für faire Arbeitsbedingungen und flächendeckende Kinderbetreuung einzusetzen. Davon würden nicht nur Arbeitnehmer:innen tatsächlich profitieren, sondern – gerade in Zeiten des Fachkräftebedarfs – auch die Unternehmen.